zu verstehen, wiewohl sich dieser mehr auf Erfahrungen, als auf Rechnungen, gegrün- det hat, nichts destoweniger aber gleichsam die allgemeine Quelle abgiebt, aus welcher die neuern Schriftsteller der vorbemeldeten Secte das meiste herzuholen pflegen.
Jch habe von dieser sehr weitläuftigen Wissenschaft blos die ersten Grundzüge ent- worfen. Es wird aber derjenige, dem man diese Arbeit auferlegt, mit Recht dagegen einwenden, daß dasjenige, was man von ei- nem Phisiologisten fordert, nicht von einem einzigen Menschen könne geleistet werden. Denn es kann einer allein ohnmöglich die Zergliederungskunst des menschlichen Körpers, nach ihren ganzen Umfang, hinlänglich fas- sen; er ist noch vielweniger im Stande, alle Thiere zu eröfnen, oder die Scheidekunst mit denen Zerlegungen zu verbinden, oder allein die unendliche Menge von Versuchen über sich zu nehmen, welche, um alle Arten von thierischen Bewegungen zu erklären, erfor- dert werden.
Man mus aber auch deswegen dennoch nicht sogleich verzagen. Denn wenn gleich kein Zergliederer eine hinlängliche Anzahl
von
Vorrede des Verfaſſers.
zu verſtehen, wiewohl ſich dieſer mehr auf Erfahrungen, als auf Rechnungen, gegruͤn- det hat, nichts deſtoweniger aber gleichſam die allgemeine Quelle abgiebt, aus welcher die neuern Schriftſteller der vorbemeldeten Secte das meiſte herzuholen pflegen.
Jch habe von dieſer ſehr weitlaͤuftigen Wiſſenſchaft blos die erſten Grundzuͤge ent- worfen. Es wird aber derjenige, dem man dieſe Arbeit auferlegt, mit Recht dagegen einwenden, daß dasjenige, was man von ei- nem Phiſiologiſten fordert, nicht von einem einzigen Menſchen koͤnne geleiſtet werden. Denn es kann einer allein ohnmoͤglich die Zergliederungskunſt des menſchlichen Koͤrpers, nach ihren ganzen Umfang, hinlaͤnglich faſ- ſen; er iſt noch vielweniger im Stande, alle Thiere zu eroͤfnen, oder die Scheidekunſt mit denen Zerlegungen zu verbinden, oder allein die unendliche Menge von Verſuchen uͤber ſich zu nehmen, welche, um alle Arten von thieriſchen Bewegungen zu erklaͤren, erfor- dert werden.
Man mus aber auch deswegen dennoch nicht ſogleich verzagen. Denn wenn gleich kein Zergliederer eine hinlaͤngliche Anzahl
von
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0030"/><fwplace="top"type="header"><hirendition="#b">Vorrede des Verfaſſers.</hi></fw><lb/>
zu verſtehen, wiewohl ſich dieſer mehr auf<lb/>
Erfahrungen, als auf Rechnungen, gegruͤn-<lb/>
det hat, nichts deſtoweniger aber gleichſam<lb/>
die allgemeine Quelle abgiebt, aus welcher<lb/>
die neuern Schriftſteller der vorbemeldeten<lb/>
Secte das meiſte herzuholen pflegen.</p><lb/><p>Jch habe von dieſer ſehr weitlaͤuftigen<lb/>
Wiſſenſchaft blos die erſten Grundzuͤge ent-<lb/>
worfen. Es wird aber derjenige, dem man<lb/>
dieſe Arbeit auferlegt, mit Recht dagegen<lb/>
einwenden, daß dasjenige, was man von ei-<lb/>
nem Phiſiologiſten fordert, nicht von einem<lb/>
einzigen Menſchen koͤnne geleiſtet werden.<lb/>
Denn es kann einer allein ohnmoͤglich die<lb/>
Zergliederungskunſt des menſchlichen Koͤrpers,<lb/>
nach ihren ganzen Umfang, hinlaͤnglich faſ-<lb/>ſen; er iſt noch vielweniger im Stande, alle<lb/>
Thiere zu eroͤfnen, oder die Scheidekunſt mit<lb/>
denen Zerlegungen zu verbinden, oder allein<lb/>
die unendliche Menge von Verſuchen uͤber<lb/>ſich zu nehmen, welche, um alle Arten von<lb/>
thieriſchen Bewegungen zu erklaͤren, erfor-<lb/>
dert werden.</p><lb/><p>Man mus aber auch deswegen dennoch<lb/>
nicht ſogleich verzagen. Denn wenn gleich<lb/>
kein Zergliederer eine hinlaͤngliche Anzahl<lb/><fwplace="bottom"type="catch">von</fw><lb/></p></div></body></text></TEI>
[0030]
Vorrede des Verfaſſers.
zu verſtehen, wiewohl ſich dieſer mehr auf
Erfahrungen, als auf Rechnungen, gegruͤn-
det hat, nichts deſtoweniger aber gleichſam
die allgemeine Quelle abgiebt, aus welcher
die neuern Schriftſteller der vorbemeldeten
Secte das meiſte herzuholen pflegen.
Jch habe von dieſer ſehr weitlaͤuftigen
Wiſſenſchaft blos die erſten Grundzuͤge ent-
worfen. Es wird aber derjenige, dem man
dieſe Arbeit auferlegt, mit Recht dagegen
einwenden, daß dasjenige, was man von ei-
nem Phiſiologiſten fordert, nicht von einem
einzigen Menſchen koͤnne geleiſtet werden.
Denn es kann einer allein ohnmoͤglich die
Zergliederungskunſt des menſchlichen Koͤrpers,
nach ihren ganzen Umfang, hinlaͤnglich faſ-
ſen; er iſt noch vielweniger im Stande, alle
Thiere zu eroͤfnen, oder die Scheidekunſt mit
denen Zerlegungen zu verbinden, oder allein
die unendliche Menge von Verſuchen uͤber
ſich zu nehmen, welche, um alle Arten von
thieriſchen Bewegungen zu erklaͤren, erfor-
dert werden.
Man mus aber auch deswegen dennoch
nicht ſogleich verzagen. Denn wenn gleich
kein Zergliederer eine hinlaͤngliche Anzahl
von
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Haller, Albrecht von: Anfangsgründe der Phisiologie des menschlichen Körpers. Bd. 1. Berlin, 1759, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/haller_anfangsgruende01_1759/30>, abgerufen am 21.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.