Nach diesen Zeiten ist die Geschichte der Flieswasser- gefässe zwar einigermaassen vermehret worden; sie ist aber dennoch von ihrer Vollkommenheit noch weit entfernt; man hat sie auch noch nicht völlig auf alle Theile des thieri- schen Körpers angewendet, oder in ein solches Siste[m] bringen können, dergleichen wir über die Schlagadern des menschlichen Leibes haben. Denn die Zergliederer wandten sich zu andern Dingen, und die Schwierigkeit der Sache überwand alle ihre Arbeiten. Zwar sind die- se Gefässe nicht so gar überaus klein, oder undeutlich zu sehen, besonders wenn ein verhärteter Geschwulst an ei- nem Eingeweide, oder die Wassersucht vorhergegangen; die grösseste Schwierigkeit aber machen, die blutaderför- mige Natur dieser Gefässe, und die Klappen dererselben. Denn wenn man eine Röhre an die grossen Stämchen bindet, und Farbensäfte hineinsprizzt, so gehen gedachte Säfte sehr schwer und nicht gar zu weit hinein, und ge- hen hernach in die kleinen Gefässe wieder zurükke. Will man aber den natürlichen Weg des Flieswassers vermit- telst der Einsprizzung verfolgen, so werden die Gefässe so klein erscheinen, daß man in selbige nur die kleinsten Röhrchen bringen, und sie leichtlich mit der Zange oder dem Faden beschädigen und zerreissen kann. Endlich läst sich der Saft mit keiner grössern Gewalt, als zum glük- lichen Einsprizzen zureichend ist, durch einen kleinen Ast in die grössern Stämme treiben.
Es hat demnach Ludw. Bilsius diese Geschichte mit nichts weiter, als verschiedenen Jrrthümern, vermehret. Nikol. Stenonis, der Sohn, schrieb von einigen Gefäs- sen, die zum Geschlechte derer gehören, die das salzige Wasser führen (a), und Johann Swammerdam hat
auch
(a) Vornämlich in den Actis Hafniensibus.
U
Flieswaſſergefaͤſſe.
Nach dieſen Zeiten iſt die Geſchichte der Flieswaſſer- gefaͤſſe zwar einigermaaſſen vermehret worden; ſie iſt aber dennoch von ihrer Vollkommenheit noch weit entfernt; man hat ſie auch noch nicht voͤllig auf alle Theile des thieri- ſchen Koͤrpers angewendet, oder in ein ſolches Siſte[m] bringen koͤnnen, dergleichen wir uͤber die Schlagadern des menſchlichen Leibes haben. Denn die Zergliederer wandten ſich zu andern Dingen, und die Schwierigkeit der Sache uͤberwand alle ihre Arbeiten. Zwar ſind die- ſe Gefaͤſſe nicht ſo gar uͤberaus klein, oder undeutlich zu ſehen, beſonders wenn ein verhaͤrteter Geſchwulſt an ei- nem Eingeweide, oder die Waſſerſucht vorhergegangen; die groͤſſeſte Schwierigkeit aber machen, die blutaderfoͤr- mige Natur dieſer Gefaͤſſe, und die Klappen dererſelben. Denn wenn man eine Roͤhre an die groſſen Staͤmchen bindet, und Farbenſaͤfte hineinſprizzt, ſo gehen gedachte Saͤfte ſehr ſchwer und nicht gar zu weit hinein, und ge- hen hernach in die kleinen Gefaͤſſe wieder zuruͤkke. Will man aber den natuͤrlichen Weg des Flieswaſſers vermit- telſt der Einſprizzung verfolgen, ſo werden die Gefaͤſſe ſo klein erſcheinen, daß man in ſelbige nur die kleinſten Roͤhrchen bringen, und ſie leichtlich mit der Zange oder dem Faden beſchaͤdigen und zerreiſſen kann. Endlich laͤſt ſich der Saft mit keiner groͤſſern Gewalt, als zum gluͤk- lichen Einſprizzen zureichend iſt, durch einen kleinen Aſt in die groͤſſern Staͤmme treiben.
Es hat demnach Ludw. Bilſius dieſe Geſchichte mit nichts weiter, als verſchiedenen Jrrthuͤmern, vermehret. Nikol. Stenonis, der Sohn, ſchrieb von einigen Gefaͤſ- ſen, die zum Geſchlechte derer gehoͤren, die das ſalzige Waſſer fuͤhren (a), und Johann Swammerdam hat
auch
(a) Vornaͤmlich in den Actis Hafnienſibus.
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Flieswaſſergefaͤſſe.
Nach dieſen Zeiten iſt die Geſchichte der Flieswaſſer-
gefaͤſſe zwar einigermaaſſen vermehret worden; ſie iſt aber
dennoch von ihrer Vollkommenheit noch weit entfernt;
man hat ſie auch noch nicht voͤllig auf alle Theile des thieri-
ſchen Koͤrpers angewendet, oder in ein ſolches Siſtem
bringen koͤnnen, dergleichen wir uͤber die Schlagadern
des menſchlichen Leibes haben. Denn die Zergliederer
wandten ſich zu andern Dingen, und die Schwierigkeit
der Sache uͤberwand alle ihre Arbeiten. Zwar ſind die-
ſe Gefaͤſſe nicht ſo gar uͤberaus klein, oder undeutlich zu
ſehen, beſonders wenn ein verhaͤrteter Geſchwulſt an ei-
nem Eingeweide, oder die Waſſerſucht vorhergegangen;
die groͤſſeſte Schwierigkeit aber machen, die blutaderfoͤr-
mige Natur dieſer Gefaͤſſe, und die Klappen dererſelben.
Denn wenn man eine Roͤhre an die groſſen Staͤmchen
bindet, und Farbenſaͤfte hineinſprizzt, ſo gehen gedachte
Saͤfte ſehr ſchwer und nicht gar zu weit hinein, und ge-
hen hernach in die kleinen Gefaͤſſe wieder zuruͤkke. Will
man aber den natuͤrlichen Weg des Flieswaſſers vermit-
telſt der Einſprizzung verfolgen, ſo werden die Gefaͤſſe
ſo klein erſcheinen, daß man in ſelbige nur die kleinſten
Roͤhrchen bringen, und ſie leichtlich mit der Zange oder
dem Faden beſchaͤdigen und zerreiſſen kann. Endlich laͤſt
ſich der Saft mit keiner groͤſſern Gewalt, als zum gluͤk-
lichen Einſprizzen zureichend iſt, durch einen kleinen Aſt
in die groͤſſern Staͤmme treiben.
Es hat demnach Ludw. Bilſius dieſe Geſchichte mit
nichts weiter, als verſchiedenen Jrrthuͤmern, vermehret.
Nikol. Stenonis, der Sohn, ſchrieb von einigen Gefaͤſ-
ſen, die zum Geſchlechte derer gehoͤren, die das ſalzige
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(a) Vornaͤmlich in den Actis Hafnienſibus.
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Haller, Albrecht von: Anfangsgründe der Phisiologie des menschlichen Körpers. Bd. 1. Berlin, 1759, S. 305. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/haller_anfangsgruende01_1759/361>, abgerufen am 24.11.2024.
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