Die französischen Zerleger des vorigen Jahrhun- derts (e) beschrieben zwischen dem Brustkanale und den Nieren- und Lendenblutadern eine besondere Vereinigung, und gewisse verborgne, aber nie gezeigte, Gemeinschafts- gänge, so wie ohnlängst J. Adam Kulmus(f), von dem wir an einem andern Ort mehr vernehmen wer- den, die Flieswassergefässe mit der ungepaarten Ader ver- band.
Jch habe kein Zeugnis zurükgehalten, und lasse mich durch die grosse Uebereinstimmung angesehener Männer gern zum Beifall bewegen. Es sind aber andre und sehr wichtige Gründe vorhanden, welche mir diesen ganzen Zu- sammenhang der Flieswassergefässe mit den rothen Adern verdächtig und zweifelhaft machen. Jch habe überlegt, wie nahe sich die rothen Adern bei denen Flieswasserge- fässen an den Lenden, dem Bekken, und den Hoden be- finden, und wie weit hingegen die Mündung des Brust- kanals, der sich in die linke Schlüsselblutader öfnet, da- von entfernet ist: und habe daraus geschlossen, daß das Unternehmen der Natur, dieses Flieswasser durch einen so langen Weg hinauf zu leiten, sehr wunderbar sey, wo es nicht gar in der That ihrer Weise oder Gesezzen wi- derspricht, Flieswassergänge in die rothe Blutadern zu leiten. Jch weiß aber auch gewiß genung, daß die so zalreiche Flieswassergefässe in der Leber weder in die Hol- ader (g), noch in diejenige geleitet werden, die nach den Leberpforten zuläuft. Es erhellet auch aus der Vereini-
gung
(e)[Spaltenumbruch]Gayant und PecquetMe- moir. de l'Acad. des sciences a- vant 1699. T. X. S. 63. 464. 503. und in Claud. perravlt Essais de Physique, und dessen Dissert. sur une nouvelle insertion du canal thorachique.
(f)[Spaltenumbruch]
Jn den Breslauer Samm- lungen, 16 Versuch, S. 432.
(g) Jch werde darinnen durch das Zeugnis Cassebohms in sei- nen hinterlassenen Manuscripten, die ich besizze, noch mehr bestärkt.
Y
Flieswaſſergefaͤſſe.
Die franzoͤſiſchen Zerleger des vorigen Jahrhun- derts (e) beſchrieben zwiſchen dem Bruſtkanale und den Nieren- und Lendenblutadern eine beſondere Vereinigung, und gewiſſe verborgne, aber nie gezeigte, Gemeinſchafts- gaͤnge, ſo wie ohnlaͤngſt J. Adam Kulmus(f), von dem wir an einem andern Ort mehr vernehmen wer- den, die Flieswaſſergefaͤſſe mit der ungepaarten Ader ver- band.
Jch habe kein Zeugnis zuruͤkgehalten, und laſſe mich durch die groſſe Uebereinſtimmung angeſehener Maͤnner gern zum Beifall bewegen. Es ſind aber andre und ſehr wichtige Gruͤnde vorhanden, welche mir dieſen ganzen Zu- ſammenhang der Flieswaſſergefaͤſſe mit den rothen Adern verdaͤchtig und zweifelhaft machen. Jch habe uͤberlegt, wie nahe ſich die rothen Adern bei denen Flieswaſſerge- faͤſſen an den Lenden, dem Bekken, und den Hoden be- finden, und wie weit hingegen die Muͤndung des Bruſt- kanals, der ſich in die linke Schluͤſſelblutader oͤfnet, da- von entfernet iſt: und habe daraus geſchloſſen, daß das Unternehmen der Natur, dieſes Flieswaſſer durch einen ſo langen Weg hinauf zu leiten, ſehr wunderbar ſey, wo es nicht gar in der That ihrer Weiſe oder Geſezzen wi- derſpricht, Flieswaſſergaͤnge in die rothe Blutadern zu leiten. Jch weiß aber auch gewiß genung, daß die ſo zalreiche Flieswaſſergefaͤſſe in der Leber weder in die Hol- ader (g), noch in diejenige geleitet werden, die nach den Leberpforten zulaͤuft. Es erhellet auch aus der Vereini-
gung
(e)[Spaltenumbruch]Gayant und PecquetMe- moir. de l’Acad. des ſciences a- vant 1699. T. X. S. 63. 464. 503. und in Claud. perravlt Eſſais de Phyſique, und deſſen Diſſert. ſur une nouvelle inſertion du canal thorachique.
(f)[Spaltenumbruch]
Jn den Breslauer Samm- lungen, 16 Verſuch, S. 432.
(g) Jch werde darinnen durch das Zeugnis Caſſebohms in ſei- nen hinterlaſſenen Manuſcripten, die ich beſizze, noch mehr beſtaͤrkt.
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Flieswaſſergefaͤſſe.
Die franzoͤſiſchen Zerleger des vorigen Jahrhun-
derts (e) beſchrieben zwiſchen dem Bruſtkanale und den
Nieren- und Lendenblutadern eine beſondere Vereinigung,
und gewiſſe verborgne, aber nie gezeigte, Gemeinſchafts-
gaͤnge, ſo wie ohnlaͤngſt J. Adam Kulmus (f), von
dem wir an einem andern Ort mehr vernehmen wer-
den, die Flieswaſſergefaͤſſe mit der ungepaarten Ader ver-
band.
Jch habe kein Zeugnis zuruͤkgehalten, und laſſe mich
durch die groſſe Uebereinſtimmung angeſehener Maͤnner
gern zum Beifall bewegen. Es ſind aber andre und ſehr
wichtige Gruͤnde vorhanden, welche mir dieſen ganzen Zu-
ſammenhang der Flieswaſſergefaͤſſe mit den rothen Adern
verdaͤchtig und zweifelhaft machen. Jch habe uͤberlegt,
wie nahe ſich die rothen Adern bei denen Flieswaſſerge-
faͤſſen an den Lenden, dem Bekken, und den Hoden be-
finden, und wie weit hingegen die Muͤndung des Bruſt-
kanals, der ſich in die linke Schluͤſſelblutader oͤfnet, da-
von entfernet iſt: und habe daraus geſchloſſen, daß das
Unternehmen der Natur, dieſes Flieswaſſer durch einen
ſo langen Weg hinauf zu leiten, ſehr wunderbar ſey, wo
es nicht gar in der That ihrer Weiſe oder Geſezzen wi-
derſpricht, Flieswaſſergaͤnge in die rothe Blutadern zu
leiten. Jch weiß aber auch gewiß genung, daß die ſo
zalreiche Flieswaſſergefaͤſſe in der Leber weder in die Hol-
ader (g), noch in diejenige geleitet werden, die nach den
Leberpforten zulaͤuft. Es erhellet auch aus der Vereini-
gung
(e)
Gayant und Pecquet Me-
moir. de l’Acad. des ſciences a-
vant 1699. T. X. S. 63. 464. 503.
und in Claud. perravlt Eſſais de
Phyſique, und deſſen Diſſert. ſur
une nouvelle inſertion du canal
thorachique.
(f)
Jn den Breslauer Samm-
lungen, 16 Verſuch, S. 432.
(g) Jch werde darinnen durch
das Zeugnis Caſſebohms in ſei-
nen hinterlaſſenen Manuſcripten,
die ich beſizze, noch mehr beſtaͤrkt.
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Haller, Albrecht von: Anfangsgründe der Phisiologie des menschlichen Körpers. Bd. 1. Berlin, 1759, S. 337. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/haller_anfangsgruende01_1759/393>, abgerufen am 24.11.2024.
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