dieser Unterbindung das Blut in derjenigen Blutader angehalten werden, aus der man dasselbe herauszulassen Willens wäre, und man konnte also leichtlich einsehen, daß nach dieser Hipothese das Band an der Handwurzel hätte müssen angelegt werden, damit sich das Blut zwi- schen demselben und dem Herzen versammlen könne. Jn der That verfahren die Viehärzte nach dieser Theorie weit richtiger, wenn sie die Blutader an demjenigen Or- te binden, der vom Herzen weiter entfernt ist (i).
Es widerleget aber die Natur diese Theorie nicht nur bei den lastbaren Thieren, an denen die Blutader, wel- che ihr Blut, wegen der angelegten Binde, nicht zu- rükführen kann, dasselbe so lange ausschüttet, bis das Thier darüber stirbt (k); sondern es verursachet auch bei dem Menschen eine zwischen dem Herzen, und dem Orte wo die Oefnung geschehen soll, angelegte Binde, daß die Blutader angefüllet und aufgetrieben wird, auch nach geschehener Eröfnung eine grosse Menge Bluts von sich giebt. Hieraus hätte man sehr leicht folgern können, daß solchergestalt das Blut von der Hand, und nicht vom Herzen herkäme, weil die Binde solches nicht zurükhält, sondern vielmehr häufiger versammlet. Und dennoch ist Andreas Cäsalpinus(l) gleich von Anfang her der erste gewesen, welcher die Stärke dieses Versuches eingesehen, und das Aufschwellen an der Blutader angemerkt hat, welches zwischen der Hand und dem Herzen erfolget. Da indessen dieser berühmte Mann die Bahn zum Theil ge- brochen, so konnte sich Willhelm Harvey(m) diese be- reits erhaltene Einsicht um so viel besser zu Nuzze ma- chen. Hingegen müssen wir den Primirosius, der die- sen Erfolg läugnete, und gleichwol versicherte, daß er
aller-
(i)[Spaltenumbruch]La fosse Observations, S. 112.
(k) Ebenders. ebendaselbst.
(l)[Spaltenumbruch]Quaestion. medic. 17. L. II.
(m) Am angef. Ort. S. 105. 106. c. XI.
Drittes Buch. Der Umlauf des Blutes.
dieſer Unterbindung das Blut in derjenigen Blutader angehalten werden, aus der man daſſelbe herauszulaſſen Willens waͤre, und man konnte alſo leichtlich einſehen, daß nach dieſer Hipotheſe das Band an der Handwurzel haͤtte muͤſſen angelegt werden, damit ſich das Blut zwi- ſchen demſelben und dem Herzen verſammlen koͤnne. Jn der That verfahren die Viehaͤrzte nach dieſer Theorie weit richtiger, wenn ſie die Blutader an demjenigen Or- te binden, der vom Herzen weiter entfernt iſt (i).
Es widerleget aber die Natur dieſe Theorie nicht nur bei den laſtbaren Thieren, an denen die Blutader, wel- che ihr Blut, wegen der angelegten Binde, nicht zu- ruͤkfuͤhren kann, daſſelbe ſo lange ausſchuͤttet, bis das Thier daruͤber ſtirbt (k); ſondern es verurſachet auch bei dem Menſchen eine zwiſchen dem Herzen, und dem Orte wo die Oefnung geſchehen ſoll, angelegte Binde, daß die Blutader angefuͤllet und aufgetrieben wird, auch nach geſchehener Eroͤfnung eine groſſe Menge Bluts von ſich giebt. Hieraus haͤtte man ſehr leicht folgern koͤnnen, daß ſolchergeſtalt das Blut von der Hand, und nicht vom Herzen herkaͤme, weil die Binde ſolches nicht zuruͤkhaͤlt, ſondern vielmehr haͤufiger verſammlet. Und dennoch iſt Andreas Caͤſalpinus(l) gleich von Anfang her der erſte geweſen, welcher die Staͤrke dieſes Verſuches eingeſehen, und das Aufſchwellen an der Blutader angemerkt hat, welches zwiſchen der Hand und dem Herzen erfolget. Da indeſſen dieſer beruͤhmte Mann die Bahn zum Theil ge- brochen, ſo konnte ſich Willhelm Harvey(m) dieſe be- reits erhaltene Einſicht um ſo viel beſſer zu Nuzze ma- chen. Hingegen muͤſſen wir den Primiroſius, der die- ſen Erfolg laͤugnete, und gleichwol verſicherte, daß er
aller-
(i)[Spaltenumbruch]La fosse Obſervations, S. 112.
(k) Ebenderſ. ebendaſelbſt.
(l)[Spaltenumbruch]Quæſtion. medic. 17. L. II.
(m) Am angef. Ort. S. 105. 106. c. XI.
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Drittes Buch. Der Umlauf des Blutes.
dieſer Unterbindung das Blut in derjenigen Blutader
angehalten werden, aus der man daſſelbe herauszulaſſen
Willens waͤre, und man konnte alſo leichtlich einſehen,
daß nach dieſer Hipotheſe das Band an der Handwurzel
haͤtte muͤſſen angelegt werden, damit ſich das Blut zwi-
ſchen demſelben und dem Herzen verſammlen koͤnne. Jn
der That verfahren die Viehaͤrzte nach dieſer Theorie
weit richtiger, wenn ſie die Blutader an demjenigen Or-
te binden, der vom Herzen weiter entfernt iſt (i).
Es widerleget aber die Natur dieſe Theorie nicht nur
bei den laſtbaren Thieren, an denen die Blutader, wel-
che ihr Blut, wegen der angelegten Binde, nicht zu-
ruͤkfuͤhren kann, daſſelbe ſo lange ausſchuͤttet, bis das
Thier daruͤber ſtirbt (k); ſondern es verurſachet auch bei
dem Menſchen eine zwiſchen dem Herzen, und dem Orte
wo die Oefnung geſchehen ſoll, angelegte Binde, daß die
Blutader angefuͤllet und aufgetrieben wird, auch nach
geſchehener Eroͤfnung eine groſſe Menge Bluts von ſich
giebt. Hieraus haͤtte man ſehr leicht folgern koͤnnen, daß
ſolchergeſtalt das Blut von der Hand, und nicht vom
Herzen herkaͤme, weil die Binde ſolches nicht zuruͤkhaͤlt,
ſondern vielmehr haͤufiger verſammlet. Und dennoch iſt
Andreas Caͤſalpinus (l) gleich von Anfang her der erſte
geweſen, welcher die Staͤrke dieſes Verſuches eingeſehen,
und das Aufſchwellen an der Blutader angemerkt hat,
welches zwiſchen der Hand und dem Herzen erfolget. Da
indeſſen dieſer beruͤhmte Mann die Bahn zum Theil ge-
brochen, ſo konnte ſich Willhelm Harvey (m) dieſe be-
reits erhaltene Einſicht um ſo viel beſſer zu Nuzze ma-
chen. Hingegen muͤſſen wir den Primiroſius, der die-
ſen Erfolg laͤugnete, und gleichwol verſicherte, daß er
aller-
(i)
La fosse Obſervations,
S. 112.
(k) Ebenderſ. ebendaſelbſt.
(l)
Quæſtion. medic. 17. L. II.
(m) Am angef. Ort. S. 105. 106.
c. XI.
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Haller, Albrecht von: Anfangsgründe der Phisiologie des menschlichen Körpers. Bd. 1. Berlin, 1759, S. 396. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/haller_anfangsgruende01_1759/452>, abgerufen am 22.11.2024.
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