Caesalpinus beschrieb (m) in seinem erstern Wer- ke eben diesen Weg, den das Blut durch die Lunge nimmt: im zweiten (n) hat er aus dem beobachte- ten Aufschwellen der Blutadern zwischen ihrem Ende und dem angebrachten Bande, die Bewegung des aus der Holader durch die Lunge und das Herz nach der Aor- te fliessenden Blutes wirklich erkläret, also daß des Nachts, unter dem Schlafe, die Wärme durch die Hol- ader wieder zum Herzen zurükke gienge, weil diese Blut- ader etwas nach dem Herzen hinführte, aber nicht umge- kehrt. Jndessen hat derselbe die Warheit, deren Ent- dekkung dem Harvey aufbehalten blieb, doch nicht völ- lig eingesehen. Denn er bildete sich ein, es geschehe die Ergiessung des Blutes in die obern Theile, und dessen Rükfall nach den untern Gegenden, nach Art eines Meerstrudels, der sowol im Wachen, als Schlafen zu bemerken sey (o), so daß es in der That das Ansehn ge- winnet, es habe dieser scharfsichtige Mann zwar die wah- re Richtung des durch die Blutadern gehenden Blutes ganz wohl erkannt, aber nicht auf eine eben so glükliche Art eingesehen, wie das Blut von den kleinsten Schlag- adern in die Blutadern hinüber bewegt werde.
§. 29. Die Erfindung des Umlaufs des Blutes kommt auch dem Paul Sarpi nicht zu.
Es haben verschiedene Schriftsteller die Ehre der Er- findung des Umlaufs des Blutes dem wegen seiner für die Freiheit seines Vaterlandes herausgegebenen Schrif- ten, und ausgestandenen vielen Gefährlichkeiten, so be- rühmt gewordenen Mönche, Paul Sarpi, beigelegt,
weil
(m)[Spaltenumbruch]Quaest. Peripatet. L. V. c. 4.
(n)[Spaltenumbruch]Quaest. med. 17. L. II.
(o) Ebendas. S. 234.
Drittes Buch. Der Umlauf des Blutes
Caeſalpinus beſchrieb (m) in ſeinem erſtern Wer- ke eben dieſen Weg, den das Blut durch die Lunge nimmt: im zweiten (n) hat er aus dem beobachte- ten Aufſchwellen der Blutadern zwiſchen ihrem Ende und dem angebrachten Bande, die Bewegung des aus der Holader durch die Lunge und das Herz nach der Aor- te flieſſenden Blutes wirklich erklaͤret, alſo daß des Nachts, unter dem Schlafe, die Waͤrme durch die Hol- ader wieder zum Herzen zuruͤkke gienge, weil dieſe Blut- ader etwas nach dem Herzen hinfuͤhrte, aber nicht umge- kehrt. Jndeſſen hat derſelbe die Warheit, deren Ent- dekkung dem Harvey aufbehalten blieb, doch nicht voͤl- lig eingeſehen. Denn er bildete ſich ein, es geſchehe die Ergieſſung des Blutes in die obern Theile, und deſſen Ruͤkfall nach den untern Gegenden, nach Art eines Meerſtrudels, der ſowol im Wachen, als Schlafen zu bemerken ſey (o), ſo daß es in der That das Anſehn ge- winnet, es habe dieſer ſcharfſichtige Mann zwar die wah- re Richtung des durch die Blutadern gehenden Blutes ganz wohl erkannt, aber nicht auf eine eben ſo gluͤkliche Art eingeſehen, wie das Blut von den kleinſten Schlag- adern in die Blutadern hinuͤber bewegt werde.
§. 29. Die Erfindung des Umlaufs des Blutes kommt auch dem Paul Sarpi nicht zu.
Es haben verſchiedene Schriftſteller die Ehre der Er- findung des Umlaufs des Blutes dem wegen ſeiner fuͤr die Freiheit ſeines Vaterlandes herausgegebenen Schrif- ten, und ausgeſtandenen vielen Gefaͤhrlichkeiten, ſo be- ruͤhmt gewordenen Moͤnche, Paul Sarpi, beigelegt,
weil
(m)[Spaltenumbruch]Quæſt. Peripatet. L. V. c. 4.
(n)[Spaltenumbruch]Quæſt. med. 17. L. II.
(o) Ebendaſ. S. 234.
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Drittes Buch. Der Umlauf des Blutes
Caeſalpinus beſchrieb (m) in ſeinem erſtern Wer-
ke eben dieſen Weg, den das Blut durch die Lunge
nimmt: im zweiten (n) hat er aus dem beobachte-
ten Aufſchwellen der Blutadern zwiſchen ihrem Ende
und dem angebrachten Bande, die Bewegung des aus
der Holader durch die Lunge und das Herz nach der Aor-
te flieſſenden Blutes wirklich erklaͤret, alſo daß des
Nachts, unter dem Schlafe, die Waͤrme durch die Hol-
ader wieder zum Herzen zuruͤkke gienge, weil dieſe Blut-
ader etwas nach dem Herzen hinfuͤhrte, aber nicht umge-
kehrt. Jndeſſen hat derſelbe die Warheit, deren Ent-
dekkung dem Harvey aufbehalten blieb, doch nicht voͤl-
lig eingeſehen. Denn er bildete ſich ein, es geſchehe die
Ergieſſung des Blutes in die obern Theile, und deſſen
Ruͤkfall nach den untern Gegenden, nach Art eines
Meerſtrudels, der ſowol im Wachen, als Schlafen zu
bemerken ſey (o), ſo daß es in der That das Anſehn ge-
winnet, es habe dieſer ſcharfſichtige Mann zwar die wah-
re Richtung des durch die Blutadern gehenden Blutes
ganz wohl erkannt, aber nicht auf eine eben ſo gluͤkliche
Art eingeſehen, wie das Blut von den kleinſten Schlag-
adern in die Blutadern hinuͤber bewegt werde.
§. 29.
Die Erfindung des Umlaufs des Blutes kommt
auch dem Paul Sarpi nicht zu.
Es haben verſchiedene Schriftſteller die Ehre der Er-
findung des Umlaufs des Blutes dem wegen ſeiner fuͤr
die Freiheit ſeines Vaterlandes herausgegebenen Schrif-
ten, und ausgeſtandenen vielen Gefaͤhrlichkeiten, ſo be-
ruͤhmt gewordenen Moͤnche, Paul Sarpi, beigelegt,
weil
(m)
Quæſt. Peripatet. L. V.
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(n)
Quæſt. med. 17. L. II.
(o) Ebendaſ. S. 234.
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Haller, Albrecht von: Anfangsgründe der Phisiologie des menschlichen Körpers. Bd. 1. Berlin, 1759, S. 464. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/haller_anfangsgruende01_1759/520>, abgerufen am 22.11.2024.
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