und dabei behaupten, daß deswegen die abwechselnde Action des Herzens beständig nach einander fortgehen müsse, weil die erweiternde Fasern, wenn sie von den verengernden überwältiget worden, mit einiger Beschwer- lichkeit wieder ausgedehnet würden, deren sie sich also zu entledigen, und sich in ihre natürliche Lage wieder zu be- geben suchten, und auf solche Art würde das Herz erwei- tert: gleich darauf aber bemüheten sich die verengernde Fasern, diejenige Gewalt, die sie von denen erweitern- den kurz vorher erlitten, durch eine gleiche Wiederherstel- lung, abzutreiben, und solchergestalt würde die Zusam- menziehung des Herzens zuwege gebracht.
Der berühmte Browne Langrish(x), der durch seine Verdienste ohnlängst die höchste Würde in der Arz- neigelahrtheit, ohne sein Gesuch, erhalten hat, tragt beinahe eben das vor, was Pechlin angeführet hat, fügt aber auch über dieses noch eine Ursache hinzu, die eben nicht zu verwerfen ist, es werde nämlich das Herz vorher etwas schlaff, ehe ein neuer Strom von Blute hinein käme, von dem es hernach erweitert würde.
Es läst sich aber alles dieses, wenn man nur ein we- nig genau Achtung geben will, völlig widerlegen. Denn erstlich werden die meisten Muskeln, die offenbar nur eine einzige Richtung von Fasern haben, so beweget, daß sie wechselsweise angezogen und wieder nachgelassen wer- den. Hiernächst haben wir am Herzen gezeiget, daß auswendig an demselben gar keine gerade Fasern befind- lich wären (a*). Wollte man aber die allmälich abwärts- gehende äussere Schicht der Fasern (b) so erklären, daß man sie gerade Fasern nennte, so würde es deswegen dennoch unbillig seyn, wenn man diesen die Erweite- rung des Herzens zuschreiben wollte. Denn man muß (a)
in
(x)[Spaltenumbruch]Lection the third on muscu- lar motion n. 142. 143. 144.
(a*)[Spaltenumbruch]
Jn diesem Werke §. 20.
(b) §. 21.
(a)Mem. sur l'irrit. am angef. Ort.
Viertes Buch. Das Herz.
und dabei behaupten, daß deswegen die abwechſelnde Action des Herzens beſtaͤndig nach einander fortgehen muͤſſe, weil die erweiternde Faſern, wenn ſie von den verengernden uͤberwaͤltiget worden, mit einiger Beſchwer- lichkeit wieder ausgedehnet wuͤrden, deren ſie ſich alſo zu entledigen, und ſich in ihre natuͤrliche Lage wieder zu be- geben ſuchten, und auf ſolche Art wuͤrde das Herz erwei- tert: gleich darauf aber bemuͤheten ſich die verengernde Faſern, diejenige Gewalt, die ſie von denen erweitern- den kurz vorher erlitten, durch eine gleiche Wiederherſtel- lung, abzutreiben, und ſolchergeſtalt wuͤrde die Zuſam- menziehung des Herzens zuwege gebracht.
Der beruͤhmte Browne Langrish(x), der durch ſeine Verdienſte ohnlaͤngſt die hoͤchſte Wuͤrde in der Arz- neigelahrtheit, ohne ſein Geſuch, erhalten hat, tragt beinahe eben das vor, was Pechlin angefuͤhret hat, fuͤgt aber auch uͤber dieſes noch eine Urſache hinzu, die eben nicht zu verwerfen iſt, es werde naͤmlich das Herz vorher etwas ſchlaff, ehe ein neuer Strom von Blute hinein kaͤme, von dem es hernach erweitert wuͤrde.
Es laͤſt ſich aber alles dieſes, wenn man nur ein we- nig genau Achtung geben will, voͤllig widerlegen. Denn erſtlich werden die meiſten Muskeln, die offenbar nur eine einzige Richtung von Faſern haben, ſo beweget, daß ſie wechſelsweiſe angezogen und wieder nachgelaſſen wer- den. Hiernaͤchſt haben wir am Herzen gezeiget, daß auswendig an demſelben gar keine gerade Faſern befind- lich waͤren (a*). Wollte man aber die allmaͤlich abwaͤrts- gehende aͤuſſere Schicht der Faſern (b) ſo erklaͤren, daß man ſie gerade Faſern nennte, ſo wuͤrde es deswegen dennoch unbillig ſeyn, wenn man dieſen die Erweite- rung des Herzens zuſchreiben wollte. Denn man muß (a)
in
(x)[Spaltenumbruch]Lection the third on muſcu- lar motion n. 142. 143. 144.
(a*)[Spaltenumbruch]
Jn dieſem Werke §. 20.
(b) §. 21.
(a)Mem. ſur l’irrit. am angef. Ort.
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><divn="3"><p><pbfacs="#f0792"n="736"/><fwplace="top"type="header"><hirendition="#b">Viertes Buch. Das Herz.</hi></fw><lb/>
und dabei behaupten, daß deswegen die abwechſelnde<lb/>
Action des Herzens beſtaͤndig nach einander fortgehen<lb/>
muͤſſe, weil die erweiternde Faſern, wenn ſie von den<lb/>
verengernden uͤberwaͤltiget worden, mit einiger Beſchwer-<lb/>
lichkeit wieder ausgedehnet wuͤrden, deren ſie ſich alſo zu<lb/>
entledigen, und ſich in ihre natuͤrliche Lage wieder zu be-<lb/>
geben ſuchten, und auf ſolche Art wuͤrde das Herz erwei-<lb/>
tert: gleich darauf aber bemuͤheten ſich die verengernde<lb/>
Faſern, diejenige Gewalt, die ſie von denen erweitern-<lb/>
den kurz vorher erlitten, durch eine gleiche Wiederherſtel-<lb/>
lung, abzutreiben, und ſolchergeſtalt wuͤrde die Zuſam-<lb/>
menziehung des Herzens zuwege gebracht.</p><lb/><p>Der beruͤhmte Browne <hirendition="#fr">Langrish</hi><noteplace="foot"n="(x)"><cb/><hirendition="#aq">Lection the third on muſcu-<lb/>
lar motion n.</hi> 142. 143. 144.</note>, der durch<lb/>ſeine Verdienſte ohnlaͤngſt die hoͤchſte Wuͤrde in der Arz-<lb/>
neigelahrtheit, ohne ſein Geſuch, erhalten hat, tragt<lb/>
beinahe eben das vor, was <hirendition="#fr">Pechlin</hi> angefuͤhret hat,<lb/>
fuͤgt aber auch uͤber dieſes noch eine Urſache hinzu, die<lb/>
eben nicht zu verwerfen iſt, es werde naͤmlich das Herz<lb/>
vorher etwas ſchlaff, ehe ein neuer Strom von Blute<lb/>
hinein kaͤme, von dem es hernach erweitert wuͤrde.</p><lb/><p>Es laͤſt ſich aber alles dieſes, wenn man nur ein we-<lb/>
nig genau Achtung geben will, voͤllig widerlegen. Denn<lb/>
erſtlich werden die meiſten Muskeln, die offenbar nur eine<lb/>
einzige Richtung von Faſern haben, ſo beweget, daß ſie<lb/>
wechſelsweiſe angezogen und wieder nachgelaſſen wer-<lb/>
den. Hiernaͤchſt haben wir am Herzen gezeiget, daß<lb/>
auswendig an demſelben gar keine gerade Faſern befind-<lb/>
lich waͤren <noteplace="foot"n="(a*)"><cb/>
Jn dieſem Werke §. 20.</note>. Wollte man aber die allmaͤlich abwaͤrts-<lb/>
gehende aͤuſſere Schicht der Faſern <noteplace="foot"n="(b)">§. 21.</note>ſo erklaͤren, daß<lb/>
man ſie gerade Faſern nennte, ſo wuͤrde es deswegen<lb/>
dennoch unbillig ſeyn, wenn man dieſen die Erweite-<lb/>
rung des Herzens zuſchreiben wollte. Denn man muß<lb/><fwplace="bottom"type="catch">in</fw><lb/><noteplace="foot"n="(a)"><hirendition="#aq">Mem. ſur l’irrit.</hi> am angef.<lb/>
Ort.</note><lb/></p></div></div></div></body></text></TEI>
[736/0792]
Viertes Buch. Das Herz.
und dabei behaupten, daß deswegen die abwechſelnde
Action des Herzens beſtaͤndig nach einander fortgehen
muͤſſe, weil die erweiternde Faſern, wenn ſie von den
verengernden uͤberwaͤltiget worden, mit einiger Beſchwer-
lichkeit wieder ausgedehnet wuͤrden, deren ſie ſich alſo zu
entledigen, und ſich in ihre natuͤrliche Lage wieder zu be-
geben ſuchten, und auf ſolche Art wuͤrde das Herz erwei-
tert: gleich darauf aber bemuͤheten ſich die verengernde
Faſern, diejenige Gewalt, die ſie von denen erweitern-
den kurz vorher erlitten, durch eine gleiche Wiederherſtel-
lung, abzutreiben, und ſolchergeſtalt wuͤrde die Zuſam-
menziehung des Herzens zuwege gebracht.
Der beruͤhmte Browne Langrish (x), der durch
ſeine Verdienſte ohnlaͤngſt die hoͤchſte Wuͤrde in der Arz-
neigelahrtheit, ohne ſein Geſuch, erhalten hat, tragt
beinahe eben das vor, was Pechlin angefuͤhret hat,
fuͤgt aber auch uͤber dieſes noch eine Urſache hinzu, die
eben nicht zu verwerfen iſt, es werde naͤmlich das Herz
vorher etwas ſchlaff, ehe ein neuer Strom von Blute
hinein kaͤme, von dem es hernach erweitert wuͤrde.
Es laͤſt ſich aber alles dieſes, wenn man nur ein we-
nig genau Achtung geben will, voͤllig widerlegen. Denn
erſtlich werden die meiſten Muskeln, die offenbar nur eine
einzige Richtung von Faſern haben, ſo beweget, daß ſie
wechſelsweiſe angezogen und wieder nachgelaſſen wer-
den. Hiernaͤchſt haben wir am Herzen gezeiget, daß
auswendig an demſelben gar keine gerade Faſern befind-
lich waͤren (a*). Wollte man aber die allmaͤlich abwaͤrts-
gehende aͤuſſere Schicht der Faſern (b) ſo erklaͤren, daß
man ſie gerade Faſern nennte, ſo wuͤrde es deswegen
dennoch unbillig ſeyn, wenn man dieſen die Erweite-
rung des Herzens zuſchreiben wollte. Denn man muß
in
(a)
(x)
Lection the third on muſcu-
lar motion n. 142. 143. 144.
(a*)
Jn dieſem Werke §. 20.
(b) §. 21.
(a) Mem. ſur l’irrit. am angef.
Ort.
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Haller, Albrecht von: Anfangsgründe der Phisiologie des menschlichen Körpers. Bd. 1. Berlin, 1759, S. 736. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/haller_anfangsgruende01_1759/792>, abgerufen am 22.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.