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Haller, Albrecht von: Anfangsgründe der Phisiologie des menschlichen Körpers. Bd. 1. Berlin, 1759.

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Die Bewegung des Herzens.
dieser berühmte Mann nicht zugeben wollte, daß die Ur-
sache des Umlaufs, die er vor die vornehmste hält, eben
diesem Umlaufe Widerstand thun, wenn sie mit stärke-
rer Kraft wirkt, und daß das Ganze kleiner sey, als ein
Theil desselben: denn wenn die zusammenziehende Kraft
verstärket ist, durch welche, seinem Angeben nach, das
Blut fortgetrieben wird, so muß dasselbe in der That viel-
mehr durch die gereizten Gefäschen schneller durchgehen,
keineswegs aber darinnen stille stehen. Wollte man anneh-
men, daß diese Zusammenziehung ununterbrochen fort-
gienge, so würde daraus eben das erfolgen, was eine be-
ständig anhaltende Zusammendrükkung zuwege bringt,
und solchemnach in der That die kleinsten Gefässe auslee-
ren, und sie, statt der Röthe, zum Erblassen nöthigen.

Endlich hätte er auch die wurmförmige Zusammen-
ziehung (peristaltica contractio) derer Schlagadern be-
weisen sollen. Die Gedärme sind von cilindrischer Ge-
stalt, sie endigen sich in ein breiteres Behältniß, und
nehmen ihren Anfang von dem Magen, der noch mehr,
als sie selbst, reizbar ist. Hieraus erkennet man, daß die
Luft, oder die Masse derer Speisen, nothwendig zulezt in
ein weiteres und weniger reizbares Behältniß gesamm-
let werde. Es gelanget aber diese Masse erst ganz spät
dahin, nachdem sie durch mancherlei Bewegungen vor-
und rükwärts ist herumgetrieben worden. Machet man
nun hiervon eine Vergleichung auf die Schlagadern, so
wird es sich zeigen, daß das Blut immer in nach und
nach kleinere Gefäschen getrieben werde, welche, wie
dieser berühmte Mann selbst davor hält, eine merkliche
Reizbarkeit besizzen. Man nehme also zum Exempel
zween Aeste, die der Länge nach cilindrisch und enge sind,
anbei aus einem einzigen Stämmchen hervorkommen.
Man sezze ferner, es befinde sich in diesen Gefäschen eine
zusammenziehende Kraft, und eine schwankende Bewe-

gung,
H h h

Die Bewegung des Herzens.
dieſer beruͤhmte Mann nicht zugeben wollte, daß die Ur-
ſache des Umlaufs, die er vor die vornehmſte haͤlt, eben
dieſem Umlaufe Widerſtand thun, wenn ſie mit ſtaͤrke-
rer Kraft wirkt, und daß das Ganze kleiner ſey, als ein
Theil deſſelben: denn wenn die zuſammenziehende Kraft
verſtaͤrket iſt, durch welche, ſeinem Angeben nach, das
Blut fortgetrieben wird, ſo muß daſſelbe in der That viel-
mehr durch die gereizten Gefaͤschen ſchneller durchgehen,
keineswegs aber darinnen ſtille ſtehen. Wollte man anneh-
men, daß dieſe Zuſammenziehung ununterbrochen fort-
gienge, ſo wuͤrde daraus eben das erfolgen, was eine be-
ſtaͤndig anhaltende Zuſammendruͤkkung zuwege bringt,
und ſolchemnach in der That die kleinſten Gefaͤſſe auslee-
ren, und ſie, ſtatt der Roͤthe, zum Erblaſſen noͤthigen.

Endlich haͤtte er auch die wurmfoͤrmige Zuſammen-
ziehung (periſtaltica contractio) derer Schlagadern be-
weiſen ſollen. Die Gedaͤrme ſind von cilindriſcher Ge-
ſtalt, ſie endigen ſich in ein breiteres Behaͤltniß, und
nehmen ihren Anfang von dem Magen, der noch mehr,
als ſie ſelbſt, reizbar iſt. Hieraus erkennet man, daß die
Luft, oder die Maſſe derer Speiſen, nothwendig zulezt in
ein weiteres und weniger reizbares Behaͤltniß geſamm-
let werde. Es gelanget aber dieſe Maſſe erſt ganz ſpaͤt
dahin, nachdem ſie durch mancherlei Bewegungen vor-
und ruͤkwaͤrts iſt herumgetrieben worden. Machet man
nun hiervon eine Vergleichung auf die Schlagadern, ſo
wird es ſich zeigen, daß das Blut immer in nach und
nach kleinere Gefaͤschen getrieben werde, welche, wie
dieſer beruͤhmte Mann ſelbſt davor haͤlt, eine merkliche
Reizbarkeit beſizzen. Man nehme alſo zum Exempel
zween Aeſte, die der Laͤnge nach cilindriſch und enge ſind,
anbei aus einem einzigen Staͤmmchen hervorkommen.
Man ſezze ferner, es befinde ſich in dieſen Gefaͤschen eine
zuſammenziehende Kraft, und eine ſchwankende Bewe-

gung,
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[849/0905] Die Bewegung des Herzens. dieſer beruͤhmte Mann nicht zugeben wollte, daß die Ur- ſache des Umlaufs, die er vor die vornehmſte haͤlt, eben dieſem Umlaufe Widerſtand thun, wenn ſie mit ſtaͤrke- rer Kraft wirkt, und daß das Ganze kleiner ſey, als ein Theil deſſelben: denn wenn die zuſammenziehende Kraft verſtaͤrket iſt, durch welche, ſeinem Angeben nach, das Blut fortgetrieben wird, ſo muß daſſelbe in der That viel- mehr durch die gereizten Gefaͤschen ſchneller durchgehen, keineswegs aber darinnen ſtille ſtehen. Wollte man anneh- men, daß dieſe Zuſammenziehung ununterbrochen fort- gienge, ſo wuͤrde daraus eben das erfolgen, was eine be- ſtaͤndig anhaltende Zuſammendruͤkkung zuwege bringt, und ſolchemnach in der That die kleinſten Gefaͤſſe auslee- ren, und ſie, ſtatt der Roͤthe, zum Erblaſſen noͤthigen. Endlich haͤtte er auch die wurmfoͤrmige Zuſammen- ziehung (periſtaltica contractio) derer Schlagadern be- weiſen ſollen. Die Gedaͤrme ſind von cilindriſcher Ge- ſtalt, ſie endigen ſich in ein breiteres Behaͤltniß, und nehmen ihren Anfang von dem Magen, der noch mehr, als ſie ſelbſt, reizbar iſt. Hieraus erkennet man, daß die Luft, oder die Maſſe derer Speiſen, nothwendig zulezt in ein weiteres und weniger reizbares Behaͤltniß geſamm- let werde. Es gelanget aber dieſe Maſſe erſt ganz ſpaͤt dahin, nachdem ſie durch mancherlei Bewegungen vor- und ruͤkwaͤrts iſt herumgetrieben worden. Machet man nun hiervon eine Vergleichung auf die Schlagadern, ſo wird es ſich zeigen, daß das Blut immer in nach und nach kleinere Gefaͤschen getrieben werde, welche, wie dieſer beruͤhmte Mann ſelbſt davor haͤlt, eine merkliche Reizbarkeit beſizzen. Man nehme alſo zum Exempel zween Aeſte, die der Laͤnge nach cilindriſch und enge ſind, anbei aus einem einzigen Staͤmmchen hervorkommen. Man ſezze ferner, es befinde ſich in dieſen Gefaͤschen eine zuſammenziehende Kraft, und eine ſchwankende Bewe- gung, H h h

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Zitationshilfe: Haller, Albrecht von: Anfangsgründe der Phisiologie des menschlichen Körpers. Bd. 1. Berlin, 1759, S. 849. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/haller_anfangsgruende01_1759/905>, abgerufen am 23.11.2024.