die erstere Zugabe (corollarium) des Newton unrecht angewendet worden, und er billiget nicht, daß man eine Geschwindigkeit sezzet, die der ganzen Zeit der Zusam- menziehung des Herzens gleich seyn soll. Ueber dieses hat auch Peter Anton Michelottus(x)Newtons Zugabe selbst verworfen, und verlangt mit dem Ber- noulli und andern berühmten Männern, daß man nicht die doppelte, sondern allerdings die einfache Höhe nehmen solle; wir können aber diese schwere Frage hier nicht entscheiden. Ferner hat auch ein anderer berühm- ter Mann eingewendet, man könne diejenige Menge Bluts nicht angeben, welche das linke Herz ausschüttet, und es könne diesemnach die Schnelligkeit ohnmöglich ge- nau bestimmet werden: und endlich lasse sich von dem Blute, welches ein zäher und beinahe dichter Saft sey, nicht alles das mit Recht sagen, was man mit gutem Grund vom Wasser gesagt habe, wobei es zugleich un- recht sei, daß man diesen zweifelhaften Lehrsaz des New- tons bei der Berechnung wolle zum Grunde legen. Endlich hat der vortrefliche Franz Boissier angemer- ket (a), daß Keil nur allein diejenige Wirksamkeit des Herzens ausfindig mache, welche sich über alle Hinder- nisse erstrekket, und daß derselbe also den kleinsten Theil von der ganzen Wirkung angebe, welche das Herz äus- sert, indem ohne Zweifel der grösseste Theil der Geschwin- digkeit, die dem Blute beigebracht worden, bei der Ueber- wältigung des Widerstandes verlohren gehet. Es wird zum Exempel der Unterschied ganz ungeheuer groß, wenn man gegen den Keil nur allein annimmt, daß die vor- ausgehende Blutsäule, wenn sie noch dazu still stehet, oder langsamer bewegt worden, derjenigen Welle des (y) (z)
Blu-
(x)[Spaltenumbruch]De separat. fluidor. S. 111.
(a)Introduct. S. XIX.
(y)MuschenbrökEssays S. 384. Es vertheidigen aber dieses Corollarium Jacob Jurin,Phil. Transact. n. 452. und Rich. hees- [Spaltenumbruch]
ham in Append. ad praelectiones suas.
(z)Senac am angef. Ort., S. 465.
Viertes Buch. Das Herz.
die erſtere Zugabe (corollarium) des Newton unrecht angewendet worden, und er billiget nicht, daß man eine Geſchwindigkeit ſezzet, die der ganzen Zeit der Zuſam- menziehung des Herzens gleich ſeyn ſoll. Ueber dieſes hat auch Peter Anton Michelottus(x)Newtons Zugabe ſelbſt verworfen, und verlangt mit dem Ber- noulli und andern beruͤhmten Maͤnnern, daß man nicht die doppelte, ſondern allerdings die einfache Hoͤhe nehmen ſolle; wir koͤnnen aber dieſe ſchwere Frage hier nicht entſcheiden. Ferner hat auch ein anderer beruͤhm- ter Mann eingewendet, man koͤnne diejenige Menge Bluts nicht angeben, welche das linke Herz ausſchuͤttet, und es koͤnne dieſemnach die Schnelligkeit ohnmoͤglich ge- nau beſtimmet werden: und endlich laſſe ſich von dem Blute, welches ein zaͤher und beinahe dichter Saft ſey, nicht alles das mit Recht ſagen, was man mit gutem Grund vom Waſſer geſagt habe, wobei es zugleich un- recht ſei, daß man dieſen zweifelhaften Lehrſaz des New- tons bei der Berechnung wolle zum Grunde legen. Endlich hat der vortrefliche Franz Boiſſier angemer- ket (a), daß Keil nur allein diejenige Wirkſamkeit des Herzens ausfindig mache, welche ſich uͤber alle Hinder- niſſe erſtrekket, und daß derſelbe alſo den kleinſten Theil von der ganzen Wirkung angebe, welche das Herz aͤuſ- ſert, indem ohne Zweifel der groͤſſeſte Theil der Geſchwin- digkeit, die dem Blute beigebracht worden, bei der Ueber- waͤltigung des Widerſtandes verlohren gehet. Es wird zum Exempel der Unterſchied ganz ungeheuer groß, wenn man gegen den Keil nur allein annimmt, daß die vor- ausgehende Blutſaͤule, wenn ſie noch dazu ſtill ſtehet, oder langſamer bewegt worden, derjenigen Welle des (y) (z)
Blu-
(x)[Spaltenumbruch]De ſeparat. fluidor. S. 111.
(a)Introduct. S. XIX.
(y)MuſchenbrökEſſays S. 384. Es vertheidigen aber dieſes Corollarium Jacob Jurin,Phil. Transact. n. 452. und Rich. hees- [Spaltenumbruch]
ham in Append. ad prælectiones ſuas.
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Viertes Buch. Das Herz.
die erſtere Zugabe (corollarium) des Newton unrecht
angewendet worden, und er billiget nicht, daß man eine
Geſchwindigkeit ſezzet, die der ganzen Zeit der Zuſam-
menziehung des Herzens gleich ſeyn ſoll. Ueber dieſes
hat auch Peter Anton Michelottus (x) Newtons
Zugabe ſelbſt verworfen, und verlangt mit dem Ber-
noulli und andern beruͤhmten Maͤnnern, daß man
nicht die doppelte, ſondern allerdings die einfache Hoͤhe
nehmen ſolle; wir koͤnnen aber dieſe ſchwere Frage hier
nicht entſcheiden. Ferner hat auch ein anderer beruͤhm-
ter Mann eingewendet, man koͤnne diejenige Menge
Bluts nicht angeben, welche das linke Herz ausſchuͤttet,
und es koͤnne dieſemnach die Schnelligkeit ohnmoͤglich ge-
nau beſtimmet werden: und endlich laſſe ſich von dem
Blute, welches ein zaͤher und beinahe dichter Saft ſey,
nicht alles das mit Recht ſagen, was man mit gutem
Grund vom Waſſer geſagt habe, wobei es zugleich un-
recht ſei, daß man dieſen zweifelhaften Lehrſaz des New-
tons bei der Berechnung wolle zum Grunde legen.
Endlich hat der vortrefliche Franz Boiſſier angemer-
ket (a), daß Keil nur allein diejenige Wirkſamkeit des
Herzens ausfindig mache, welche ſich uͤber alle Hinder-
niſſe erſtrekket, und daß derſelbe alſo den kleinſten Theil
von der ganzen Wirkung angebe, welche das Herz aͤuſ-
ſert, indem ohne Zweifel der groͤſſeſte Theil der Geſchwin-
digkeit, die dem Blute beigebracht worden, bei der Ueber-
waͤltigung des Widerſtandes verlohren gehet. Es wird
zum Exempel der Unterſchied ganz ungeheuer groß, wenn
man gegen den Keil nur allein annimmt, daß die vor-
ausgehende Blutſaͤule, wenn ſie noch dazu ſtill ſtehet,
oder langſamer bewegt worden, derjenigen Welle des
Blu-
(y)
(z)
(x)
De ſeparat. fluidor. S. 111.
(a) Introduct. S. XIX.
(y) Muſchenbrök Eſſays S.
384. Es vertheidigen aber dieſes
Corollarium Jacob Jurin, Phil.
Transact. n. 452. und Rich. hees-
ham in Append. ad prælectiones
ſuas.
(z) Senac am angef. Ort., S.
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Haller, Albrecht von: Anfangsgründe der Phisiologie des menschlichen Körpers. Bd. 1. Berlin, 1759, S. 862. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/haller_anfangsgruende01_1759/918>, abgerufen am 16.07.2024.
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