Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Haller, Albrecht von: Anfangsgründe der Phisiologie des menschlichen Körpers. Bd. 2. Berlin, 1762.

Bild:
<< vorherige Seite

Fünftes Buch. Das Blut.
Umstände, daß im Blute kein vierter ursprünglicher
Grundstoff statt finden könne. Denn es steht uns nicht
frei, ein federhaft zurüktretendes Blut hieher zu ziehen,
wenn von den Elementen eines umfliessenden und in Be-
wegung gesezzten Blutes die Rede ist: eben so wenig darf
man den schleimigen und gelindesten Theil des Salzwas-
sers für eine schwarze Galle halten, welche nach der Be-
schreibung der Alten schwarz, von sauerm Wesen seyn,
mit Pulvern aufbrausen, und in der Milz ihren Sizz
haben soll, wiewohl auch eben diese Schriftsteller des
Altertums bisweilen die melancholische Mischung mit dem
Namen des Schleimes belegen. Es lässet sich nämlich
auch nicht einmal auf eine entfernte Weise warscheinlich
machen, daß in wirklich melancholischen Menschen ent-
weder an Schleime, oder an einer Menge mit vielem er-
digen Grundstoffe versezzten Schleims ein Ueberflus statt
finden (g), oder daß verdorbne scharfe Säfte (h) zu einer
schwarzen Galle gehören könnten. Denn sonst müste
man alle Greise zu melancholischen Personen machen
müssen, da bei ihnen ohne Zweifel der erdige Grundstoff
grösser geworden: oder man müste eine von Krankheiten
verdorbne Blutmischung, welches doch eine Krankheit
ist, für eine natürliche Blutmischung ansehen. Jn der
That gehört der Ueberflus an Schleime, dem phlegma-
tischen Temperamente zu, welches dennoch die entfernteste
Grenze von der Melancholie ist. Wir werden endlich
zeigen, daß die schwarze Oberfläche des untersten Blut-
klumpens schon von selbst durch eine blosse Umwendung
ihre rote Farbe wieder erlange (i).

Aber auch die übrigen Grundstoffe des Blutes haben
auf ihrer Seite eben so wenig gründliches, ob man ihnen
gleich einen gesunden Verstand vielleicht zugestehen kann.

Jhr
(g) [Spaltenumbruch] quesnai Oeconom. animal.
Tom. III.
S. 25. u. f.
(h) [Spaltenumbruch] lorry des alimens T. II.
S. 64. 75.
(i) Buch 6. Abschn. 3. §. 17.

Fuͤnftes Buch. Das Blut.
Umſtaͤnde, daß im Blute kein vierter urſpruͤnglicher
Grundſtoff ſtatt finden koͤnne. Denn es ſteht uns nicht
frei, ein federhaft zuruͤktretendes Blut hieher zu ziehen,
wenn von den Elementen eines umflieſſenden und in Be-
wegung geſezzten Blutes die Rede iſt: eben ſo wenig darf
man den ſchleimigen und gelindeſten Theil des Salzwaſ-
ſers fuͤr eine ſchwarze Galle halten, welche nach der Be-
ſchreibung der Alten ſchwarz, von ſauerm Weſen ſeyn,
mit Pulvern aufbrauſen, und in der Milz ihren Sizz
haben ſoll, wiewohl auch eben dieſe Schriftſteller des
Altertums bisweilen die melancholiſche Miſchung mit dem
Namen des Schleimes belegen. Es laͤſſet ſich naͤmlich
auch nicht einmal auf eine entfernte Weiſe warſcheinlich
machen, daß in wirklich melancholiſchen Menſchen ent-
weder an Schleime, oder an einer Menge mit vielem er-
digen Grundſtoffe verſezzten Schleims ein Ueberflus ſtatt
finden (g), oder daß verdorbne ſcharfe Saͤfte (h) zu einer
ſchwarzen Galle gehoͤren koͤnnten. Denn ſonſt muͤſte
man alle Greiſe zu melancholiſchen Perſonen machen
muͤſſen, da bei ihnen ohne Zweifel der erdige Grundſtoff
groͤſſer geworden: oder man muͤſte eine von Krankheiten
verdorbne Blutmiſchung, welches doch eine Krankheit
iſt, fuͤr eine natuͤrliche Blutmiſchung anſehen. Jn der
That gehoͤrt der Ueberflus an Schleime, dem phlegma-
tiſchen Temperamente zu, welches dennoch die entfernteſte
Grenze von der Melancholie iſt. Wir werden endlich
zeigen, daß die ſchwarze Oberflaͤche des unterſten Blut-
klumpens ſchon von ſelbſt durch eine bloſſe Umwendung
ihre rote Farbe wieder erlange (i).

Aber auch die uͤbrigen Grundſtoffe des Blutes haben
auf ihrer Seite eben ſo wenig gruͤndliches, ob man ihnen
gleich einen geſunden Verſtand vielleicht zugeſtehen kann.

Jhr
(g) [Spaltenumbruch] queſnai Oeconom. animal.
Tom. III.
S. 25. u. f.
(h) [Spaltenumbruch] lorry des alimens T. II.
S. 64. 75.
(i) Buch 6. Abſchn. 3. §. 17.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0248" n="228"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">Fu&#x0364;nftes Buch. Das Blut.</hi></fw><lb/>
Um&#x017F;ta&#x0364;nde, daß im Blute kein vierter ur&#x017F;pru&#x0364;nglicher<lb/>
Grund&#x017F;toff &#x017F;tatt finden ko&#x0364;nne. Denn es &#x017F;teht uns nicht<lb/>
frei, ein federhaft zuru&#x0364;ktretendes Blut hieher zu ziehen,<lb/>
wenn von den Elementen eines umflie&#x017F;&#x017F;enden und in Be-<lb/>
wegung ge&#x017F;ezzten Blutes die Rede i&#x017F;t: eben &#x017F;o wenig darf<lb/>
man den &#x017F;chleimigen und gelinde&#x017F;ten Theil des Salzwa&#x017F;-<lb/>
&#x017F;ers fu&#x0364;r eine &#x017F;chwarze Galle halten, welche nach der Be-<lb/>
&#x017F;chreibung der Alten &#x017F;chwarz, von &#x017F;auerm We&#x017F;en &#x017F;eyn,<lb/>
mit Pulvern aufbrau&#x017F;en, und in der Milz ihren Sizz<lb/>
haben &#x017F;oll, wiewohl auch eben die&#x017F;e Schrift&#x017F;teller des<lb/>
Altertums bisweilen die melancholi&#x017F;che Mi&#x017F;chung mit dem<lb/>
Namen des Schleimes belegen. Es la&#x0364;&#x017F;&#x017F;et &#x017F;ich na&#x0364;mlich<lb/>
auch nicht einmal auf eine entfernte Wei&#x017F;e war&#x017F;cheinlich<lb/>
machen, daß in wirklich melancholi&#x017F;chen Men&#x017F;chen ent-<lb/>
weder an Schleime, oder an einer Menge mit vielem er-<lb/>
digen Grund&#x017F;toffe ver&#x017F;ezzten Schleims ein Ueberflus &#x017F;tatt<lb/>
finden <note place="foot" n="(g)"><cb/><hi rendition="#aq"><hi rendition="#k">que&#x017F;nai</hi> Oeconom. animal.<lb/>
Tom. III.</hi> S. 25. u. f.</note>, oder daß verdorbne &#x017F;charfe Sa&#x0364;fte <note place="foot" n="(h)"><cb/><hi rendition="#aq"><hi rendition="#k">lorry</hi> des alimens T. II.</hi><lb/>
S. 64. 75.</note> zu einer<lb/>
&#x017F;chwarzen Galle geho&#x0364;ren ko&#x0364;nnten. Denn &#x017F;on&#x017F;t mu&#x0364;&#x017F;te<lb/>
man alle Grei&#x017F;e zu melancholi&#x017F;chen Per&#x017F;onen machen<lb/>
mu&#x0364;&#x017F;&#x017F;en, da bei ihnen ohne Zweifel der erdige Grund&#x017F;toff<lb/>
gro&#x0364;&#x017F;&#x017F;er geworden: oder man mu&#x0364;&#x017F;te eine von Krankheiten<lb/>
verdorbne Blutmi&#x017F;chung, welches doch eine Krankheit<lb/>
i&#x017F;t, fu&#x0364;r eine natu&#x0364;rliche Blutmi&#x017F;chung an&#x017F;ehen. Jn der<lb/>
That geho&#x0364;rt der Ueberflus an Schleime, dem phlegma-<lb/>
ti&#x017F;chen Temperamente zu, welches dennoch die entfernte&#x017F;te<lb/>
Grenze von der Melancholie i&#x017F;t. Wir werden endlich<lb/>
zeigen, daß die &#x017F;chwarze Oberfla&#x0364;che des unter&#x017F;ten Blut-<lb/>
klumpens &#x017F;chon von &#x017F;elb&#x017F;t durch eine blo&#x017F;&#x017F;e Umwendung<lb/>
ihre rote Farbe wieder erlange <note place="foot" n="(i)">Buch 6. Ab&#x017F;chn. 3. §. 17.</note>.</p><lb/>
            <p>Aber auch die u&#x0364;brigen Grund&#x017F;toffe des Blutes haben<lb/>
auf ihrer Seite eben &#x017F;o wenig gru&#x0364;ndliches, ob man ihnen<lb/>
gleich einen ge&#x017F;unden Ver&#x017F;tand vielleicht zuge&#x017F;tehen kann.<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">Jhr</fw><lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[228/0248] Fuͤnftes Buch. Das Blut. Umſtaͤnde, daß im Blute kein vierter urſpruͤnglicher Grundſtoff ſtatt finden koͤnne. Denn es ſteht uns nicht frei, ein federhaft zuruͤktretendes Blut hieher zu ziehen, wenn von den Elementen eines umflieſſenden und in Be- wegung geſezzten Blutes die Rede iſt: eben ſo wenig darf man den ſchleimigen und gelindeſten Theil des Salzwaſ- ſers fuͤr eine ſchwarze Galle halten, welche nach der Be- ſchreibung der Alten ſchwarz, von ſauerm Weſen ſeyn, mit Pulvern aufbrauſen, und in der Milz ihren Sizz haben ſoll, wiewohl auch eben dieſe Schriftſteller des Altertums bisweilen die melancholiſche Miſchung mit dem Namen des Schleimes belegen. Es laͤſſet ſich naͤmlich auch nicht einmal auf eine entfernte Weiſe warſcheinlich machen, daß in wirklich melancholiſchen Menſchen ent- weder an Schleime, oder an einer Menge mit vielem er- digen Grundſtoffe verſezzten Schleims ein Ueberflus ſtatt finden (g), oder daß verdorbne ſcharfe Saͤfte (h) zu einer ſchwarzen Galle gehoͤren koͤnnten. Denn ſonſt muͤſte man alle Greiſe zu melancholiſchen Perſonen machen muͤſſen, da bei ihnen ohne Zweifel der erdige Grundſtoff groͤſſer geworden: oder man muͤſte eine von Krankheiten verdorbne Blutmiſchung, welches doch eine Krankheit iſt, fuͤr eine natuͤrliche Blutmiſchung anſehen. Jn der That gehoͤrt der Ueberflus an Schleime, dem phlegma- tiſchen Temperamente zu, welches dennoch die entfernteſte Grenze von der Melancholie iſt. Wir werden endlich zeigen, daß die ſchwarze Oberflaͤche des unterſten Blut- klumpens ſchon von ſelbſt durch eine bloſſe Umwendung ihre rote Farbe wieder erlange (i). Aber auch die uͤbrigen Grundſtoffe des Blutes haben auf ihrer Seite eben ſo wenig gruͤndliches, ob man ihnen gleich einen geſunden Verſtand vielleicht zugeſtehen kann. Jhr (g) queſnai Oeconom. animal. Tom. III. S. 25. u. f. (h) lorry des alimens T. II. S. 64. 75. (i) Buch 6. Abſchn. 3. §. 17.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/haller_anfangsgruende02_1762
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/haller_anfangsgruende02_1762/248
Zitationshilfe: Haller, Albrecht von: Anfangsgründe der Phisiologie des menschlichen Körpers. Bd. 2. Berlin, 1762, S. 228. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/haller_anfangsgruende02_1762/248>, abgerufen am 27.11.2024.