Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Haller, Albrecht von: Anfangsgründe der Phisiologie des menschlichen Körpers. Bd. 2. Berlin, 1762.

Bild:
<< vorherige Seite

Verhältnis der Blutstoffe u. s. f.
Jhr so genantes gelbes Salzwasser ist weder bitter an
Geschmakke, wie die Galle (i*), noch verbrennlich, wie
es sonst eben diese Galle ist, sobald das zuviele Wasser
davon verraucht.

Endlich so ist man zu zärtlich scharfsinnig gewesen,
einzig und allein vier Temperamente einzuräumen, da
diese doch unzälich seyn können, so wie fast jeder Mensch
sein eignes Temperament bekommen hat. Man kann,
ohne einen Sprung zu thun, Schritt vor Schritte, und
in einer gemächlichen Reihe, von der äussersten Hizze ei-
nes scharfen und starken Temperamentes, bis zur nie-
drigsten Trägheit einer phlegmatischen Mischung hinab-
steigen (k). Da dieses nun die Alten längst einsahen, so
sannen sie sich Temperamenten aus, die bereits aus den
ursprünglichen Grundstoffen zusammengesezzt waren;
denn sie wurden selbst gewar, daß die Natur dergleichen
Einförmigkeit nicht vertrüge.

§. 7.
Die festen Theile des Körpers legen zu den Tem-
peramenten den eigentlichen Grund.

Es lässet sich endlich nicht blos in den Säften der
Grund zu den Temperamenten suchen. Denn ob wir
gleich aus dem Ueberflusse gewisser Grundstoffe, die sich
von gewissen Speisen vor andern im Blute anhäufen,
gezeiget haben (l), daß man in der That die Säfte von
dieser Betrachtung nicht allerdings ausschliessen könne;
so ist es doch an sich gewis, daß die Dauung oder Blut-
bereitung, folglich auch eine heilsame Beschaffenheit des
Blutes, ferner die Menge der Salze und Oele, von der
wurmförmigen Darmbewegung, von der Thätigkeit des

Her-
(i*) [Spaltenumbruch] Das Salzwasser fand H.
stvbbe
sehr gelbe, aber niemals
bitter von Geschmakke. S. 116.
(k) Ehedem gestand Io. Henr.
[Spaltenumbruch] schvlze,
daß es keine Tempera-
mente gebe. Physiolog. S. 154.
(l) Vorhergehender 3 Para-
graph.
P 3

Verhaͤltnis der Blutſtoffe u. ſ. f.
Jhr ſo genantes gelbes Salzwaſſer iſt weder bitter an
Geſchmakke, wie die Galle (i*), noch verbrennlich, wie
es ſonſt eben dieſe Galle iſt, ſobald das zuviele Waſſer
davon verraucht.

Endlich ſo iſt man zu zaͤrtlich ſcharfſinnig geweſen,
einzig und allein vier Temperamente einzuraͤumen, da
dieſe doch unzaͤlich ſeyn koͤnnen, ſo wie faſt jeder Menſch
ſein eignes Temperament bekommen hat. Man kann,
ohne einen Sprung zu thun, Schritt vor Schritte, und
in einer gemaͤchlichen Reihe, von der aͤuſſerſten Hizze ei-
nes ſcharfen und ſtarken Temperamentes, bis zur nie-
drigſten Traͤgheit einer phlegmatiſchen Miſchung hinab-
ſteigen (k). Da dieſes nun die Alten laͤngſt einſahen, ſo
ſannen ſie ſich Temperamenten aus, die bereits aus den
urſpruͤnglichen Grundſtoffen zuſammengeſezzt waren;
denn ſie wurden ſelbſt gewar, daß die Natur dergleichen
Einfoͤrmigkeit nicht vertruͤge.

§. 7.
Die feſten Theile des Koͤrpers legen zu den Tem-
peramenten den eigentlichen Grund.

Es laͤſſet ſich endlich nicht blos in den Saͤften der
Grund zu den Temperamenten ſuchen. Denn ob wir
gleich aus dem Ueberfluſſe gewiſſer Grundſtoffe, die ſich
von gewiſſen Speiſen vor andern im Blute anhaͤufen,
gezeiget haben (l), daß man in der That die Saͤfte von
dieſer Betrachtung nicht allerdings ausſchlieſſen koͤnne;
ſo iſt es doch an ſich gewis, daß die Dauung oder Blut-
bereitung, folglich auch eine heilſame Beſchaffenheit des
Blutes, ferner die Menge der Salze und Oele, von der
wurmfoͤrmigen Darmbewegung, von der Thaͤtigkeit des

Her-
(i*) [Spaltenumbruch] Das Salzwaſſer fand H.
ſtvbbe
ſehr gelbe, aber niemals
bitter von Geſchmakke. S. 116.
(k) Ehedem geſtand Io. Henr.
[Spaltenumbruch] ſchvlze,
daß es keine Tempera-
mente gebe. Phyſiolog. S. 154.
(l) Vorhergehender 3 Para-
graph.
P 3
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0249" n="229"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">Verha&#x0364;ltnis der Blut&#x017F;toffe u. &#x017F;. f.</hi></fw><lb/>
Jhr &#x017F;o genantes gelbes Salzwa&#x017F;&#x017F;er i&#x017F;t weder bitter an<lb/>
Ge&#x017F;chmakke, wie die Galle <note place="foot" n="(i*)"><cb/>
Das Salzwa&#x017F;&#x017F;er fand <hi rendition="#aq">H.<lb/><hi rendition="#k">&#x017F;tvbbe</hi></hi> &#x017F;ehr gelbe, aber niemals<lb/>
bitter von Ge&#x017F;chmakke. S. 116.</note>, noch verbrennlich, wie<lb/>
es &#x017F;on&#x017F;t eben die&#x017F;e Galle i&#x017F;t, &#x017F;obald das zuviele Wa&#x017F;&#x017F;er<lb/>
davon verraucht.</p><lb/>
            <p>Endlich &#x017F;o i&#x017F;t man zu za&#x0364;rtlich &#x017F;charf&#x017F;innig gewe&#x017F;en,<lb/>
einzig und allein vier Temperamente einzura&#x0364;umen, da<lb/>
die&#x017F;e doch unza&#x0364;lich &#x017F;eyn ko&#x0364;nnen, &#x017F;o wie fa&#x017F;t jeder Men&#x017F;ch<lb/>
&#x017F;ein eignes Temperament bekommen hat. Man kann,<lb/>
ohne einen Sprung zu thun, Schritt vor Schritte, und<lb/>
in einer gema&#x0364;chlichen Reihe, von der a&#x0364;u&#x017F;&#x017F;er&#x017F;ten Hizze ei-<lb/>
nes &#x017F;charfen und &#x017F;tarken Temperamentes, bis zur nie-<lb/>
drig&#x017F;ten Tra&#x0364;gheit einer phlegmati&#x017F;chen Mi&#x017F;chung hinab-<lb/>
&#x017F;teigen <note place="foot" n="(k)">Ehedem ge&#x017F;tand <hi rendition="#aq">Io. Henr.<lb/><cb/> <hi rendition="#k">&#x017F;chvlze,</hi></hi> daß es keine Tempera-<lb/>
mente gebe. <hi rendition="#aq">Phy&#x017F;iolog.</hi> S. 154.</note>. Da die&#x017F;es nun die Alten la&#x0364;ng&#x017F;t ein&#x017F;ahen, &#x017F;o<lb/>
&#x017F;annen &#x017F;ie &#x017F;ich Temperamenten aus, die bereits aus den<lb/>
ur&#x017F;pru&#x0364;nglichen Grund&#x017F;toffen zu&#x017F;ammenge&#x017F;ezzt waren;<lb/>
denn &#x017F;ie wurden &#x017F;elb&#x017F;t gewar, daß die Natur dergleichen<lb/>
Einfo&#x0364;rmigkeit nicht vertru&#x0364;ge.</p>
          </div><lb/>
          <div n="3">
            <head>§. 7.<lb/>
Die fe&#x017F;ten Theile des Ko&#x0364;rpers legen zu den Tem-<lb/>
peramenten den eigentlichen Grund.</head><lb/>
            <p>Es la&#x0364;&#x017F;&#x017F;et &#x017F;ich endlich nicht blos in den Sa&#x0364;ften der<lb/>
Grund zu den Temperamenten &#x017F;uchen. Denn ob wir<lb/>
gleich aus dem Ueberflu&#x017F;&#x017F;e gewi&#x017F;&#x017F;er Grund&#x017F;toffe, die &#x017F;ich<lb/>
von gewi&#x017F;&#x017F;en Spei&#x017F;en vor andern im Blute anha&#x0364;ufen,<lb/>
gezeiget haben <note place="foot" n="(l)">Vorhergehender 3 Para-<lb/>
graph.</note>, daß man in der That die Sa&#x0364;fte von<lb/>
die&#x017F;er Betrachtung nicht allerdings aus&#x017F;chlie&#x017F;&#x017F;en ko&#x0364;nne;<lb/>
&#x017F;o i&#x017F;t es doch an &#x017F;ich gewis, daß die Dauung oder Blut-<lb/>
bereitung, folglich auch eine heil&#x017F;ame Be&#x017F;chaffenheit des<lb/>
Blutes, ferner die Menge der Salze und Oele, von der<lb/>
wurmfo&#x0364;rmigen Darmbewegung, von der Tha&#x0364;tigkeit des<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">P 3</fw><fw place="bottom" type="catch">Her-</fw><lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[229/0249] Verhaͤltnis der Blutſtoffe u. ſ. f. Jhr ſo genantes gelbes Salzwaſſer iſt weder bitter an Geſchmakke, wie die Galle (i*), noch verbrennlich, wie es ſonſt eben dieſe Galle iſt, ſobald das zuviele Waſſer davon verraucht. Endlich ſo iſt man zu zaͤrtlich ſcharfſinnig geweſen, einzig und allein vier Temperamente einzuraͤumen, da dieſe doch unzaͤlich ſeyn koͤnnen, ſo wie faſt jeder Menſch ſein eignes Temperament bekommen hat. Man kann, ohne einen Sprung zu thun, Schritt vor Schritte, und in einer gemaͤchlichen Reihe, von der aͤuſſerſten Hizze ei- nes ſcharfen und ſtarken Temperamentes, bis zur nie- drigſten Traͤgheit einer phlegmatiſchen Miſchung hinab- ſteigen (k). Da dieſes nun die Alten laͤngſt einſahen, ſo ſannen ſie ſich Temperamenten aus, die bereits aus den urſpruͤnglichen Grundſtoffen zuſammengeſezzt waren; denn ſie wurden ſelbſt gewar, daß die Natur dergleichen Einfoͤrmigkeit nicht vertruͤge. §. 7. Die feſten Theile des Koͤrpers legen zu den Tem- peramenten den eigentlichen Grund. Es laͤſſet ſich endlich nicht blos in den Saͤften der Grund zu den Temperamenten ſuchen. Denn ob wir gleich aus dem Ueberfluſſe gewiſſer Grundſtoffe, die ſich von gewiſſen Speiſen vor andern im Blute anhaͤufen, gezeiget haben (l), daß man in der That die Saͤfte von dieſer Betrachtung nicht allerdings ausſchlieſſen koͤnne; ſo iſt es doch an ſich gewis, daß die Dauung oder Blut- bereitung, folglich auch eine heilſame Beſchaffenheit des Blutes, ferner die Menge der Salze und Oele, von der wurmfoͤrmigen Darmbewegung, von der Thaͤtigkeit des Her- (i*) Das Salzwaſſer fand H. ſtvbbe ſehr gelbe, aber niemals bitter von Geſchmakke. S. 116. (k) Ehedem geſtand Io. Henr. ſchvlze, daß es keine Tempera- mente gebe. Phyſiolog. S. 154. (l) Vorhergehender 3 Para- graph. P 3

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/haller_anfangsgruende02_1762
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/haller_anfangsgruende02_1762/249
Zitationshilfe: Haller, Albrecht von: Anfangsgründe der Phisiologie des menschlichen Körpers. Bd. 2. Berlin, 1762, S. 229. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/haller_anfangsgruende02_1762/249>, abgerufen am 23.11.2024.