Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Haller, Albrecht von: Anfangsgründe der Phisiologie des menschlichen Körpers. Bd. 2. Berlin, 1762.

Bild:
<< vorherige Seite

Sechstes Buch. Der Lauf des Blutes
einige Zerästlungen billig mit zälen mus, da unser Auge
die lezten einkügligen Schlagäderchen ohnmöglich errei-
chen kann. Bliebe nun das Verhältnis von anderthalb
beständig zum Grunde, so würde sich der Stamm zu den
Aesten, in der zwanzigsten Zerästlung verhalten, wie die
zwanzigste Potenz der Zal 2, zu der Potenz von der Zai
3, oder wie 1048576 zu 3, 585, 218, 301; welches
so viel ist, als 1 zu 3420. Es würde aber, laut dieser
Berechnung, eben so wie in der Keilischen, ein gar zu
grosses Verzögern herauskommen, und es würde der
Feler noch um ein ansenliches grösser werden, wofern man
mehrere Zerästlungen zugestehen wollte.

Ueberhaupt, je kleiner man das Mittelmaas zwi-
schen einem Stamme und dessen Aesten annimmt, und
je mehr Zerästlungen man macht, je grösser man endlich
eine haarfeine Schlagader ansezzt, ein desto grösseres
Verhältnis mus für die Astöfnung im lichten, gegen
die Stammöfnung im lichten herauskommen. Dieser
berümte Mann nimmt an eben diesem Orte die Enden
der Schlagäderchen in den Eingeweiden mehr geöffnet
an (c), daher der Umlauf durch das Eingeweide hurtiger
von statten gehen sollte (d). Am Gekröse macht er end-
lich das Verhältnis der 5200 Aeste zum Stamme der
Gekröseschlagader sechszehnfach grösser (e), welches von
dem obigen Verhältnisse sehr verschieden ist. Die Sache
aber auf Zalen zu sezzen, scheint mir überhaupt gar nicht
ratsam zu seyn, und es findet dergleichen in der Anatomie
keinen Grund.

Was die Berechnung des berümten Boissier betrift,
so sieht man gleich, daß er überhaupt, aus zu grosser
Gefälligkeit, alle kleinste Schlagäderchen für einküglig
angesehen, da doch, nach Leeuwenhoeks (f) und mei-
nen Versuchen (g), viele unter den kleinsten Schlagäder-

chen,
(c) [Spaltenumbruch] Boisster angef. Ort. S. 43.
(d) S. 49.
(e) S. 42.
(f) [Spaltenumbruch] Vergleichet hiermit das 2.
Buch.
(g) Ebendas.

Sechſtes Buch. Der Lauf des Blutes
einige Zeraͤſtlungen billig mit zaͤlen mus, da unſer Auge
die lezten einkuͤgligen Schlagaͤderchen ohnmoͤglich errei-
chen kann. Bliebe nun das Verhaͤltnis von anderthalb
beſtaͤndig zum Grunde, ſo wuͤrde ſich der Stamm zu den
Aeſten, in der zwanzigſten Zeraͤſtlung verhalten, wie die
zwanzigſte Potenz der Zal 2, zu der Potenz von der Zai
3, oder wie 1048576 zu 3, 585, 218, 301; welches
ſo viel iſt, als 1 zu 3420. Es wuͤrde aber, laut dieſer
Berechnung, eben ſo wie in der Keiliſchen, ein gar zu
groſſes Verzoͤgern herauskommen, und es wuͤrde der
Feler noch um ein anſenliches groͤſſer werden, wofern man
mehrere Zeraͤſtlungen zugeſtehen wollte.

Ueberhaupt, je kleiner man das Mittelmaas zwi-
ſchen einem Stamme und deſſen Aeſten annimmt, und
je mehr Zeraͤſtlungen man macht, je groͤſſer man endlich
eine haarfeine Schlagader anſezzt, ein deſto groͤſſeres
Verhaͤltnis mus fuͤr die Aſtoͤfnung im lichten, gegen
die Stammoͤfnung im lichten herauskommen. Dieſer
beruͤmte Mann nimmt an eben dieſem Orte die Enden
der Schlagaͤderchen in den Eingeweiden mehr geoͤffnet
an (c), daher der Umlauf durch das Eingeweide hurtiger
von ſtatten gehen ſollte (d). Am Gekroͤſe macht er end-
lich das Verhaͤltnis der 5200 Aeſte zum Stamme der
Gekroͤſeſchlagader ſechszehnfach groͤſſer (e), welches von
dem obigen Verhaͤltniſſe ſehr verſchieden iſt. Die Sache
aber auf Zalen zu ſezzen, ſcheint mir uͤberhaupt gar nicht
ratſam zu ſeyn, und es findet dergleichen in der Anatomie
keinen Grund.

Was die Berechnung des beruͤmten Boiſſier betrift,
ſo ſieht man gleich, daß er uͤberhaupt, aus zu groſſer
Gefaͤlligkeit, alle kleinſte Schlagaͤderchen fuͤr einkuͤglig
angeſehen, da doch, nach Leeuwenhoeks (f) und mei-
nen Verſuchen (g), viele unter den kleinſten Schlagaͤder-

chen,
(c) [Spaltenumbruch] Boiſſter angef. Ort. S. 43.
(d) S. 49.
(e) S. 42.
(f) [Spaltenumbruch] Vergleichet hiermit das 2.
Buch.
(g) Ebendaſ.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0298" n="278"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">Sech&#x017F;tes Buch. Der Lauf des Blutes</hi></fw><lb/>
einige Zera&#x0364;&#x017F;tlungen billig mit za&#x0364;len mus, da un&#x017F;er Auge<lb/>
die lezten einku&#x0364;gligen Schlaga&#x0364;derchen ohnmo&#x0364;glich errei-<lb/>
chen kann. Bliebe nun das Verha&#x0364;ltnis von anderthalb<lb/>
be&#x017F;ta&#x0364;ndig zum Grunde, &#x017F;o wu&#x0364;rde &#x017F;ich der Stamm zu den<lb/>
Ae&#x017F;ten, in der zwanzig&#x017F;ten Zera&#x0364;&#x017F;tlung verhalten, wie die<lb/>
zwanzig&#x017F;te Potenz der Zal 2, zu der Potenz von der Zai<lb/>
3, oder wie 1048576 zu 3, 585, 218, 301; welches<lb/>
&#x017F;o viel i&#x017F;t, als 1 zu 3420. Es wu&#x0364;rde aber, laut die&#x017F;er<lb/>
Berechnung, eben &#x017F;o wie in der Keili&#x017F;chen, ein gar zu<lb/>
gro&#x017F;&#x017F;es Verzo&#x0364;gern herauskommen, und es wu&#x0364;rde der<lb/>
Feler noch um ein an&#x017F;enliches gro&#x0364;&#x017F;&#x017F;er werden, wofern man<lb/>
mehrere Zera&#x0364;&#x017F;tlungen zuge&#x017F;tehen wollte.</p><lb/>
            <p>Ueberhaupt, je kleiner man das Mittelmaas zwi-<lb/>
&#x017F;chen einem Stamme und de&#x017F;&#x017F;en Ae&#x017F;ten annimmt, und<lb/>
je mehr Zera&#x0364;&#x017F;tlungen man macht, je gro&#x0364;&#x017F;&#x017F;er man endlich<lb/>
eine haarfeine Schlagader an&#x017F;ezzt, ein de&#x017F;to gro&#x0364;&#x017F;&#x017F;eres<lb/>
Verha&#x0364;ltnis mus fu&#x0364;r die A&#x017F;to&#x0364;fnung im lichten, gegen<lb/>
die Stammo&#x0364;fnung im lichten herauskommen. Die&#x017F;er<lb/>
beru&#x0364;mte Mann nimmt an eben die&#x017F;em Orte die Enden<lb/>
der Schlaga&#x0364;derchen in den Eingeweiden mehr geo&#x0364;ffnet<lb/>
an <note place="foot" n="(c)"><cb/><hi rendition="#fr">Boi&#x017F;&#x017F;ter</hi> angef. Ort. S. 43.</note>, daher der Umlauf durch das Eingeweide hurtiger<lb/>
von &#x017F;tatten gehen &#x017F;ollte <note place="foot" n="(d)">S. 49.</note>. Am Gekro&#x0364;&#x017F;e macht er end-<lb/>
lich das Verha&#x0364;ltnis der 5200 Ae&#x017F;te zum Stamme der<lb/>
Gekro&#x0364;&#x017F;e&#x017F;chlagader &#x017F;echszehnfach gro&#x0364;&#x017F;&#x017F;er <note place="foot" n="(e)">S. 42.</note>, welches von<lb/>
dem obigen Verha&#x0364;ltni&#x017F;&#x017F;e &#x017F;ehr ver&#x017F;chieden i&#x017F;t. Die Sache<lb/>
aber auf Zalen zu &#x017F;ezzen, &#x017F;cheint mir u&#x0364;berhaupt gar nicht<lb/>
rat&#x017F;am zu &#x017F;eyn, und es findet dergleichen in der Anatomie<lb/>
keinen Grund.</p><lb/>
            <p>Was die Berechnung des beru&#x0364;mten <hi rendition="#fr">Boi&#x017F;&#x017F;ier</hi> betrift,<lb/>
&#x017F;o &#x017F;ieht man gleich, daß er u&#x0364;berhaupt, aus zu gro&#x017F;&#x017F;er<lb/>
Gefa&#x0364;lligkeit, alle klein&#x017F;te Schlaga&#x0364;derchen fu&#x0364;r einku&#x0364;glig<lb/>
ange&#x017F;ehen, da doch, nach <hi rendition="#fr">Leeuwenhoeks</hi> <note place="foot" n="(f)"><cb/>
Vergleichet hiermit das 2.<lb/>
Buch.</note> und mei-<lb/>
nen Ver&#x017F;uchen <note place="foot" n="(g)">Ebenda&#x017F;.</note>, viele unter den klein&#x017F;ten Schlaga&#x0364;der-<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">chen,</fw><lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[278/0298] Sechſtes Buch. Der Lauf des Blutes einige Zeraͤſtlungen billig mit zaͤlen mus, da unſer Auge die lezten einkuͤgligen Schlagaͤderchen ohnmoͤglich errei- chen kann. Bliebe nun das Verhaͤltnis von anderthalb beſtaͤndig zum Grunde, ſo wuͤrde ſich der Stamm zu den Aeſten, in der zwanzigſten Zeraͤſtlung verhalten, wie die zwanzigſte Potenz der Zal 2, zu der Potenz von der Zai 3, oder wie 1048576 zu 3, 585, 218, 301; welches ſo viel iſt, als 1 zu 3420. Es wuͤrde aber, laut dieſer Berechnung, eben ſo wie in der Keiliſchen, ein gar zu groſſes Verzoͤgern herauskommen, und es wuͤrde der Feler noch um ein anſenliches groͤſſer werden, wofern man mehrere Zeraͤſtlungen zugeſtehen wollte. Ueberhaupt, je kleiner man das Mittelmaas zwi- ſchen einem Stamme und deſſen Aeſten annimmt, und je mehr Zeraͤſtlungen man macht, je groͤſſer man endlich eine haarfeine Schlagader anſezzt, ein deſto groͤſſeres Verhaͤltnis mus fuͤr die Aſtoͤfnung im lichten, gegen die Stammoͤfnung im lichten herauskommen. Dieſer beruͤmte Mann nimmt an eben dieſem Orte die Enden der Schlagaͤderchen in den Eingeweiden mehr geoͤffnet an (c), daher der Umlauf durch das Eingeweide hurtiger von ſtatten gehen ſollte (d). Am Gekroͤſe macht er end- lich das Verhaͤltnis der 5200 Aeſte zum Stamme der Gekroͤſeſchlagader ſechszehnfach groͤſſer (e), welches von dem obigen Verhaͤltniſſe ſehr verſchieden iſt. Die Sache aber auf Zalen zu ſezzen, ſcheint mir uͤberhaupt gar nicht ratſam zu ſeyn, und es findet dergleichen in der Anatomie keinen Grund. Was die Berechnung des beruͤmten Boiſſier betrift, ſo ſieht man gleich, daß er uͤberhaupt, aus zu groſſer Gefaͤlligkeit, alle kleinſte Schlagaͤderchen fuͤr einkuͤglig angeſehen, da doch, nach Leeuwenhoeks (f) und mei- nen Verſuchen (g), viele unter den kleinſten Schlagaͤder- chen, (c) Boiſſter angef. Ort. S. 43. (d) S. 49. (e) S. 42. (f) Vergleichet hiermit das 2. Buch. (g) Ebendaſ.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/haller_anfangsgruende02_1762
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/haller_anfangsgruende02_1762/298
Zitationshilfe: Haller, Albrecht von: Anfangsgründe der Phisiologie des menschlichen Körpers. Bd. 2. Berlin, 1762, S. 278. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/haller_anfangsgruende02_1762/298>, abgerufen am 24.11.2024.