wiederlegen (t), machte dennoch unter dem Schlagader- und Blutaderblute einen Unterscheid, und er lehrte, daß das erstere zwar vom Blutaderblute entstünde, welches durch die Schweislöcher in der Scheidewand des Herzens durchschwizze, aber doch vom Geiste oder der Luft, die es von der Lunge bekäme, geschwängert, gelbroth und hell an Farbe würde, und daß dieses Schlagaderblut den Theilen eines beseelten Körpers einzig und allein das Leben erhielte, da indessen das Blutaderblut diese Eigenschaften nicht besässe, und eben diese Theile blos ernähre. Nach ihm schrieb, beinahe nach dem Schlage der neuern Schriftsteller, Aretaeus(u), daß das Blut aus den Schlagadern gelbroth und dünn käme, und in den Blutadern verdikkt würde; er fügt indessen hinzu, daß das Schlagaderblut schwerlich, das Blutaderblut aber leicht dikk würde.
Als Harvey den Kreislauf des Blutes entdekkt hat- te, so konnte dieser Unterscheid von zweierlei Blute, den man so lange behauptet hatte, keinen Bestand weiter haben. Denn es befindet sich nicht nur ebendasselbe Blut in den Schlagadern, welches kurz zuvor in den Blutadern lief, sondern es verursacht auch noch überdem der heftige Strom des umlaufenden Blutes, daß eben das Blut, welches noch nicht völlig vor einer Minute in der Blutader war, und durch die Lungenschlagadern heraufgetrieben ward, nunmehr aus der Schlagader ausgeschüttet wird. Aus dem Grunde lehrte Harvey(x) mit den ersten Bestätigern des Blutumlaufes beinahe einstimmig, es sey das Schlagaderblut von dem in den Blutadern befindlichen Blute entweder sehr wenig, oder in gar nichts unterschieden (y); sie gestatten weder einen
Unter-
(t)[Spaltenumbruch]an sanguis nat. in arter. contin.
(u)de caus. et sign. acutor. L. II. c 2.
(x)Exercit. II. S. 221.
(y)[Spaltenumbruch]
Joh. Waläusde motu chyli et sanguinis beim Bartho- lin. 1 Ausg. S. 386. 4 Ausg. S. 762. Bartholin selbst in der 4ten Ausgabe Anat. renou. S. 380.
Plemp
Fuͤnftes Buch. Das Blut
wiederlegen (t), machte dennoch unter dem Schlagader- und Blutaderblute einen Unterſcheid, und er lehrte, daß das erſtere zwar vom Blutaderblute entſtuͤnde, welches durch die Schweisloͤcher in der Scheidewand des Herzens durchſchwizze, aber doch vom Geiſte oder der Luft, die es von der Lunge bekaͤme, geſchwaͤngert, gelbroth und hell an Farbe wuͤrde, und daß dieſes Schlagaderblut den Theilen eines beſeelten Koͤrpers einzig und allein das Leben erhielte, da indeſſen das Blutaderblut dieſe Eigenſchaften nicht beſaͤſſe, und eben dieſe Theile blos ernaͤhre. Nach ihm ſchrieb, beinahe nach dem Schlage der neuern Schriftſteller, Aretaeus(u), daß das Blut aus den Schlagadern gelbroth und duͤnn kaͤme, und in den Blutadern verdikkt wuͤrde; er fuͤgt indeſſen hinzu, daß das Schlagaderblut ſchwerlich, das Blutaderblut aber leicht dikk wuͤrde.
Als Harvey den Kreislauf des Blutes entdekkt hat- te, ſo konnte dieſer Unterſcheid von zweierlei Blute, den man ſo lange behauptet hatte, keinen Beſtand weiter haben. Denn es befindet ſich nicht nur ebendaſſelbe Blut in den Schlagadern, welches kurz zuvor in den Blutadern lief, ſondern es verurſacht auch noch uͤberdem der heftige Strom des umlaufenden Blutes, daß eben das Blut, welches noch nicht voͤllig vor einer Minute in der Blutader war, und durch die Lungenſchlagadern heraufgetrieben ward, nunmehr aus der Schlagader ausgeſchuͤttet wird. Aus dem Grunde lehrte Harvey(x) mit den erſten Beſtaͤtigern des Blutumlaufes beinahe einſtimmig, es ſey das Schlagaderblut von dem in den Blutadern befindlichen Blute entweder ſehr wenig, oder in gar nichts unterſchieden (y); ſie geſtatten weder einen
Unter-
(t)[Spaltenumbruch]an ſanguis nat. in arter. contin.
(u)de cauſ. et ſign. acutor. L. II. c 2.
(x)Exercit. II. S. 221.
(y)[Spaltenumbruch]
Joh. Waläusde motu chyli et ſanguinis beim Bartho- lin. 1 Ausg. S. 386. 4 Ausg. S. 762. Bartholin ſelbſt in der 4ten Ausgabe Anat. renou. S. 380.
Plemp
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Fuͤnftes Buch. Das Blut
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und Blutaderblute einen Unterſcheid, und er lehrte, daß
das erſtere zwar vom Blutaderblute entſtuͤnde, welches
durch die Schweisloͤcher in der Scheidewand des Herzens
durchſchwizze, aber doch vom Geiſte oder der Luft, die
es von der Lunge bekaͤme, geſchwaͤngert, gelbroth und
hell an Farbe wuͤrde, und daß dieſes Schlagaderblut
den Theilen eines beſeelten Koͤrpers einzig und allein
das Leben erhielte, da indeſſen das Blutaderblut dieſe
Eigenſchaften nicht beſaͤſſe, und eben dieſe Theile blos
ernaͤhre. Nach ihm ſchrieb, beinahe nach dem Schlage
der neuern Schriftſteller, Aretaeus (u), daß das Blut
aus den Schlagadern gelbroth und duͤnn kaͤme, und in
den Blutadern verdikkt wuͤrde; er fuͤgt indeſſen hinzu,
daß das Schlagaderblut ſchwerlich, das Blutaderblut
aber leicht dikk wuͤrde.
Als Harvey den Kreislauf des Blutes entdekkt hat-
te, ſo konnte dieſer Unterſcheid von zweierlei Blute, den
man ſo lange behauptet hatte, keinen Beſtand weiter
haben. Denn es befindet ſich nicht nur ebendaſſelbe
Blut in den Schlagadern, welches kurz zuvor in den
Blutadern lief, ſondern es verurſacht auch noch uͤberdem
der heftige Strom des umlaufenden Blutes, daß eben
das Blut, welches noch nicht voͤllig vor einer Minute
in der Blutader war, und durch die Lungenſchlagadern
heraufgetrieben ward, nunmehr aus der Schlagader
ausgeſchuͤttet wird. Aus dem Grunde lehrte Harvey (x)
mit den erſten Beſtaͤtigern des Blutumlaufes beinahe
einſtimmig, es ſey das Schlagaderblut von dem in den
Blutadern befindlichen Blute entweder ſehr wenig, oder in
gar nichts unterſchieden (y); ſie geſtatten weder einen
Unter-
(t)
an ſanguis nat. in arter.
contin.
(u) de cauſ. et ſign. acutor.
L. II. c 2.
(x) Exercit. II. S. 221.
(y)
Joh. Waläus de motu
chyli et ſanguinis beim Bartho-
lin. 1 Ausg. S. 386. 4 Ausg. S.
762. Bartholin ſelbſt in der 4ten
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Haller, Albrecht von: Anfangsgründe der Phisiologie des menschlichen Körpers. Bd. 2. Berlin, 1762, S. 12. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/haller_anfangsgruende02_1762/32>, abgerufen am 21.11.2024.
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