versezzt, dieser Nerve ohne alle Bewegung, und es wird derselbe weder um den kleinsten ersinnlichen Theil an sei- ner Länge kürzer, noch wieder länger gemacht. Mit ei- nem Worte, wir hatten alle Kräfte der Nervenschnüre zierlich herausgestrichen, und den Nerven eine Zusam- menziehungskraft zugesprochen, welches dennoch blos eine Eigenschaft des Muskelhaften ist.
Was die Erschütterungen ferner betrift, wodurch der Umlauf schneller gemacht zu werden schien, so vermute ich nicht ohne Grund, daß sich dabei eine mechanische Kraft (o) von aufhüpfenden Muskeln mit eingefunden, wodurch die Schlagadern in Bewegung gebracht wor- den, und daß folglich diese Beschleunigung des Blut- kreises auch nicht auf die Rechnung der Nerven geschrie- ben werden müsse. Es erwekken nämlich die kramfhafte Zükkungen des ganzen Thiers, wenn sie vom gereizten Rükkenmarke entspringen, keine neue Herzschläge (p), und es gesellet sich zu den hestigsten Schmerzen weder ein stärk- rer, noch geschwinderer Pulsschlag (p*). Jch sehe ferner, daß im Schlage (paraplegia) die Schlagader desjenigen Gliedes, welches alle seine Bewegbarkeit verloren hat und ganz kraftlos ist, ihren Pulsschlag unverändert be- hält (q), zum Beweise, daß das Blut, ohne die Beihülfe der Nerven, die Ursache seiner Bewegung im Umlaufe ununterbrochen übrig behalte. Dagegen habe ich oft ge- sehen, daß im heftigsten Rükkenkramfe, und in andren Krämfen histerischer Frauenspersonen, von welchen der ganze Leib überfallen war, und wie ein Bogen gekrümmt wurde, weder der Puls schneller, noch der Kreislauf ge- schwinder gewesen. Es bewegt sich aber auch das Blut
im
(o)[Spaltenumbruch]second memoi. sur le mou- vement du sang. S. 342. fonta- ne epitre a M. tosetti Exp. 55. bis 59. und 104 bis 174.
(p)Sur les parti. sensib. et irri- tab. Exp. 489.
(p*)[Spaltenumbruch]Haarlem. Verhandel. T. IV. S. 521. 523. coe biliary concret. S. 164. Anon. de febrib. inter- mitt. S. 66.
(q)Des hais de hemiphlegia. woodward select. cases. S. 65. 77.
Sechſtes Buch. Der Lauf des Blutes
verſezzt, dieſer Nerve ohne alle Bewegung, und es wird derſelbe weder um den kleinſten erſinnlichen Theil an ſei- ner Laͤnge kuͤrzer, noch wieder laͤnger gemacht. Mit ei- nem Worte, wir hatten alle Kraͤfte der Nervenſchnuͤre zierlich herausgeſtrichen, und den Nerven eine Zuſam- menziehungskraft zugeſprochen, welches dennoch blos eine Eigenſchaft des Muskelhaften iſt.
Was die Erſchuͤtterungen ferner betrift, wodurch der Umlauf ſchneller gemacht zu werden ſchien, ſo vermute ich nicht ohne Grund, daß ſich dabei eine mechaniſche Kraft (o) von aufhuͤpfenden Muskeln mit eingefunden, wodurch die Schlagadern in Bewegung gebracht wor- den, und daß folglich dieſe Beſchleunigung des Blut- kreiſes auch nicht auf die Rechnung der Nerven geſchrie- ben werden muͤſſe. Es erwekken naͤmlich die kramfhafte Zuͤkkungen des ganzen Thiers, wenn ſie vom gereizten Ruͤkkenmarke entſpringen, keine neue Herzſchlaͤge (p), und es geſellet ſich zu den heſtigſten Schmerzen weder ein ſtaͤrk- rer, noch geſchwinderer Pulsſchlag (p*). Jch ſehe ferner, daß im Schlage (paraplegia) die Schlagader desjenigen Gliedes, welches alle ſeine Bewegbarkeit verloren hat und ganz kraftlos iſt, ihren Pulsſchlag unveraͤndert be- haͤlt (q), zum Beweiſe, daß das Blut, ohne die Beihuͤlfe der Nerven, die Urſache ſeiner Bewegung im Umlaufe ununterbrochen uͤbrig behalte. Dagegen habe ich oft ge- ſehen, daß im heftigſten Ruͤkkenkramfe, und in andren Kraͤmfen hiſteriſcher Frauensperſonen, von welchen der ganze Leib uͤberfallen war, und wie ein Bogen gekruͤmmt wurde, weder der Puls ſchneller, noch der Kreislauf ge- ſchwinder geweſen. Es bewegt ſich aber auch das Blut
im
(o)[Spaltenumbruch]ſecond memoi. ſur le mou- vement du ſang. S. 342. fonta- ne epitre a M. toſetti Exp. 55. bis 59. und 104 bis 174.
(p)Sur les parti. ſenſib. et irri- tab. Exp. 489.
(p*)[Spaltenumbruch]Haarlem. Verhandel. T. IV. S. 521. 523. coe biliary concret. S. 164. Anon. de febrib. inter- mitt. S. 66.
(q)Des haiſ de hemiphlegia. woodward ſelect. caſes. S. 65. 77.
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><divn="3"><p><pbfacs="#f0348"n="328"/><fwplace="top"type="header"><hirendition="#b">Sechſtes Buch. Der Lauf des Blutes</hi></fw><lb/>
verſezzt, dieſer Nerve ohne alle Bewegung, und es wird<lb/>
derſelbe weder um den kleinſten erſinnlichen Theil an ſei-<lb/>
ner Laͤnge kuͤrzer, noch wieder laͤnger gemacht. Mit ei-<lb/>
nem Worte, wir hatten alle Kraͤfte der Nervenſchnuͤre<lb/>
zierlich herausgeſtrichen, und den Nerven eine Zuſam-<lb/>
menziehungskraft zugeſprochen, welches dennoch blos<lb/>
eine Eigenſchaft des Muskelhaften iſt.</p><lb/><p>Was die Erſchuͤtterungen ferner betrift, wodurch der<lb/>
Umlauf ſchneller gemacht zu werden ſchien, ſo vermute<lb/>
ich nicht ohne Grund, daß ſich dabei eine mechaniſche<lb/>
Kraft <noteplace="foot"n="(o)"><cb/><hirendition="#aq"><hirendition="#k">ſecond</hi> memoi. ſur le mou-<lb/>
vement du ſang.</hi> S. 342. <hirendition="#aq"><hirendition="#k">fonta-<lb/>
ne</hi> epitre a M. <hirendition="#k">toſetti</hi> Exp.</hi> 55.<lb/>
bis 59. und 104 bis 174.</note> von aufhuͤpfenden Muskeln mit eingefunden,<lb/>
wodurch die Schlagadern in Bewegung gebracht wor-<lb/>
den, und daß folglich dieſe Beſchleunigung des Blut-<lb/>
kreiſes auch nicht auf die Rechnung der Nerven geſchrie-<lb/>
ben werden muͤſſe. Es erwekken naͤmlich die kramfhafte<lb/>
Zuͤkkungen des ganzen Thiers, wenn ſie vom gereizten<lb/>
Ruͤkkenmarke entſpringen, keine neue Herzſchlaͤge <noteplace="foot"n="(p)"><hirendition="#aq">Sur les parti. ſenſib. et irri-<lb/>
tab. Exp.</hi> 489.</note>, und<lb/>
es geſellet ſich zu den heſtigſten Schmerzen weder ein ſtaͤrk-<lb/>
rer, noch geſchwinderer Pulsſchlag <noteplace="foot"n="(p*)"><cb/><hirendition="#aq">Haarlem. Verhandel. T. IV.</hi><lb/>
S. 521. 523. <hirendition="#aq"><hirendition="#k">coe</hi> biliary concret.</hi><lb/>
S. 164. <hirendition="#aq">Anon. de febrib. inter-<lb/>
mitt.</hi> S. 66.</note>. Jch ſehe ferner,<lb/>
daß im Schlage (<hirendition="#aq">paraplegia</hi>) die Schlagader desjenigen<lb/>
Gliedes, welches alle ſeine Bewegbarkeit verloren hat<lb/>
und ganz kraftlos iſt, ihren Pulsſchlag unveraͤndert be-<lb/>
haͤlt <noteplace="foot"n="(q)"><hirendition="#aq">Des <hirendition="#k">haiſ</hi> de hemiphlegia.<lb/><hirendition="#k">woodward</hi>ſelect. caſes.</hi> S. 65. 77.</note>, zum Beweiſe, daß das Blut, ohne die Beihuͤlfe<lb/>
der Nerven, die Urſache ſeiner Bewegung im Umlaufe<lb/>
ununterbrochen uͤbrig behalte. Dagegen habe ich oft ge-<lb/>ſehen, daß im heftigſten Ruͤkkenkramfe, und in andren<lb/>
Kraͤmfen hiſteriſcher Frauensperſonen, von welchen der<lb/>
ganze Leib uͤberfallen war, und wie ein Bogen gekruͤmmt<lb/>
wurde, weder der Puls ſchneller, noch der Kreislauf ge-<lb/>ſchwinder geweſen. Es bewegt ſich aber auch das Blut<lb/><fwplace="bottom"type="catch">im</fw><lb/></p></div></div></div></body></text></TEI>
[328/0348]
Sechſtes Buch. Der Lauf des Blutes
verſezzt, dieſer Nerve ohne alle Bewegung, und es wird
derſelbe weder um den kleinſten erſinnlichen Theil an ſei-
ner Laͤnge kuͤrzer, noch wieder laͤnger gemacht. Mit ei-
nem Worte, wir hatten alle Kraͤfte der Nervenſchnuͤre
zierlich herausgeſtrichen, und den Nerven eine Zuſam-
menziehungskraft zugeſprochen, welches dennoch blos
eine Eigenſchaft des Muskelhaften iſt.
Was die Erſchuͤtterungen ferner betrift, wodurch der
Umlauf ſchneller gemacht zu werden ſchien, ſo vermute
ich nicht ohne Grund, daß ſich dabei eine mechaniſche
Kraft (o) von aufhuͤpfenden Muskeln mit eingefunden,
wodurch die Schlagadern in Bewegung gebracht wor-
den, und daß folglich dieſe Beſchleunigung des Blut-
kreiſes auch nicht auf die Rechnung der Nerven geſchrie-
ben werden muͤſſe. Es erwekken naͤmlich die kramfhafte
Zuͤkkungen des ganzen Thiers, wenn ſie vom gereizten
Ruͤkkenmarke entſpringen, keine neue Herzſchlaͤge (p), und
es geſellet ſich zu den heſtigſten Schmerzen weder ein ſtaͤrk-
rer, noch geſchwinderer Pulsſchlag (p*). Jch ſehe ferner,
daß im Schlage (paraplegia) die Schlagader desjenigen
Gliedes, welches alle ſeine Bewegbarkeit verloren hat
und ganz kraftlos iſt, ihren Pulsſchlag unveraͤndert be-
haͤlt (q), zum Beweiſe, daß das Blut, ohne die Beihuͤlfe
der Nerven, die Urſache ſeiner Bewegung im Umlaufe
ununterbrochen uͤbrig behalte. Dagegen habe ich oft ge-
ſehen, daß im heftigſten Ruͤkkenkramfe, und in andren
Kraͤmfen hiſteriſcher Frauensperſonen, von welchen der
ganze Leib uͤberfallen war, und wie ein Bogen gekruͤmmt
wurde, weder der Puls ſchneller, noch der Kreislauf ge-
ſchwinder geweſen. Es bewegt ſich aber auch das Blut
im
(o)
ſecond memoi. ſur le mou-
vement du ſang. S. 342. fonta-
ne epitre a M. toſetti Exp. 55.
bis 59. und 104 bis 174.
(p) Sur les parti. ſenſib. et irri-
tab. Exp. 489.
(p*)
Haarlem. Verhandel. T. IV.
S. 521. 523. coe biliary concret.
S. 164. Anon. de febrib. inter-
mitt. S. 66.
(q) Des haiſ de hemiphlegia.
woodward ſelect. caſes. S. 65. 77.
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Haller, Albrecht von: Anfangsgründe der Phisiologie des menschlichen Körpers. Bd. 2. Berlin, 1762, S. 328. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/haller_anfangsgruende02_1762/348>, abgerufen am 24.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.