set würden, und es hebt das Nikken mit den Augenlie- dern die von einer Bindung entstandne Verstopfungen in den Gefässen der gemeinschaftlichen weissen Augenhaut (coniunctiva tunica) (b***) wieder auf.
Jn wie fern nun das Leben das Blut flüßig erhalte, das läst sich hieraus ersehen. Denn es scheint erstlich kein Zweifel zu seyn, daß nicht die Gerinnungen von einer An- ziehungskraft entstehen sollten; allein diese Anziehungs- kraft wird von derjenigen Bewegung in ihrem Spiele gehindert, welche das Blut vom Herzen bis in die äusser- ste Gefässe fortführt. Denn diese Bewegung entfernt die Kügelchen beständig von einander, daß sie sich nicht wechselweise berüren können, und es wird folglich der anziehenden Kraft keine Zeit gelassen, die Grundstoffe zusammen zu schichten.
Ferner werden die Grundstoffe des Bluts in einem lebendigen Menschen in gewisser abgewogner Mischung erhalten, bei der sie allein ihren Grad der Flüßigkeit be- haupten können. Denn wenn man das Fett vom Was- ser scheiden wollte, gesezzt, daß auch von beiden gleich- viel bleibe, so ist kein Zweifel, daß nicht das Fett gerin- nen sollte. Wollte man von beiden den Damf fortschaf- fen, so scheint zugleich ein ansenlicher Theil der flüßigen Schlüpfrigkeit des Blutes zu entgehen, indem Salz- wasser, nach verflognem Damfe (c), zu Gallert wird, und Salzwasser ein grosser und flüßiger Theil des Bluts ist. Wenn nun das Blut stille steht, so fliegt in einem Leichname der leichte Damf davon: es sondern sich die übrigen Grundstoffe, ihrer Schwere gemäs, ab, das Salzwasser schwimmet oben auf (d), die Kügelchen sinken niederwerts, und indem sie auf einander zu liegen kom- men, so drükken und ziehen sie sich einander an. Dage- gen erhält, so lange Leben und Munterkeit fortdauren,
der
(b***)[Spaltenumbruch]camerar. de ophtalmia venerea.
(c)[Spaltenumbruch]
5. Buch. 3. Abschn.
(d) 5. Buch. 2. Abschn.
bewegten Blutes, in den Schlagadern.
ſet wuͤrden, und es hebt das Nikken mit den Augenlie- dern die von einer Bindung entſtandne Verſtopfungen in den Gefaͤſſen der gemeinſchaftlichen weiſſen Augenhaut (coniunctiva tunica) (b***) wieder auf.
Jn wie fern nun das Leben das Blut fluͤßig erhalte, das laͤſt ſich hieraus erſehen. Denn es ſcheint erſtlich kein Zweifel zu ſeyn, daß nicht die Gerinnungen von einer An- ziehungskraft entſtehen ſollten; allein dieſe Anziehungs- kraft wird von derjenigen Bewegung in ihrem Spiele gehindert, welche das Blut vom Herzen bis in die aͤuſſer- ſte Gefaͤſſe fortfuͤhrt. Denn dieſe Bewegung entfernt die Kuͤgelchen beſtaͤndig von einander, daß ſie ſich nicht wechſelweiſe beruͤren koͤnnen, und es wird folglich der anziehenden Kraft keine Zeit gelaſſen, die Grundſtoffe zuſammen zu ſchichten.
Ferner werden die Grundſtoffe des Bluts in einem lebendigen Menſchen in gewiſſer abgewogner Miſchung erhalten, bei der ſie allein ihren Grad der Fluͤßigkeit be- haupten koͤnnen. Denn wenn man das Fett vom Waſ- ſer ſcheiden wollte, geſezzt, daß auch von beiden gleich- viel bleibe, ſo iſt kein Zweifel, daß nicht das Fett gerin- nen ſollte. Wollte man von beiden den Damf fortſchaf- fen, ſo ſcheint zugleich ein anſenlicher Theil der fluͤßigen Schluͤpfrigkeit des Blutes zu entgehen, indem Salz- waſſer, nach verflognem Damfe (c), zu Gallert wird, und Salzwaſſer ein groſſer und fluͤßiger Theil des Bluts iſt. Wenn nun das Blut ſtille ſteht, ſo fliegt in einem Leichname der leichte Damf davon: es ſondern ſich die uͤbrigen Grundſtoffe, ihrer Schwere gemaͤs, ab, das Salzwaſſer ſchwimmet oben auf (d), die Kuͤgelchen ſinken niederwerts, und indem ſie auf einander zu liegen kom- men, ſo druͤkken und ziehen ſie ſich einander an. Dage- gen erhaͤlt, ſo lange Leben und Munterkeit fortdauren,
der
(b***)[Spaltenumbruch]camerar. de ophtalmia venerea.
(c)[Spaltenumbruch]
5. Buch. 3. Abſchn.
(d) 5. Buch. 2. Abſchn.
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[459/0479]
bewegten Blutes, in den Schlagadern.
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in den Gefaͤſſen der gemeinſchaftlichen weiſſen Augenhaut
(coniunctiva tunica) (b***) wieder auf.
Jn wie fern nun das Leben das Blut fluͤßig erhalte,
das laͤſt ſich hieraus erſehen. Denn es ſcheint erſtlich kein
Zweifel zu ſeyn, daß nicht die Gerinnungen von einer An-
ziehungskraft entſtehen ſollten; allein dieſe Anziehungs-
kraft wird von derjenigen Bewegung in ihrem Spiele
gehindert, welche das Blut vom Herzen bis in die aͤuſſer-
ſte Gefaͤſſe fortfuͤhrt. Denn dieſe Bewegung entfernt
die Kuͤgelchen beſtaͤndig von einander, daß ſie ſich nicht
wechſelweiſe beruͤren koͤnnen, und es wird folglich der
anziehenden Kraft keine Zeit gelaſſen, die Grundſtoffe
zuſammen zu ſchichten.
Ferner werden die Grundſtoffe des Bluts in einem
lebendigen Menſchen in gewiſſer abgewogner Miſchung
erhalten, bei der ſie allein ihren Grad der Fluͤßigkeit be-
haupten koͤnnen. Denn wenn man das Fett vom Waſ-
ſer ſcheiden wollte, geſezzt, daß auch von beiden gleich-
viel bleibe, ſo iſt kein Zweifel, daß nicht das Fett gerin-
nen ſollte. Wollte man von beiden den Damf fortſchaf-
fen, ſo ſcheint zugleich ein anſenlicher Theil der fluͤßigen
Schluͤpfrigkeit des Blutes zu entgehen, indem Salz-
waſſer, nach verflognem Damfe (c), zu Gallert wird,
und Salzwaſſer ein groſſer und fluͤßiger Theil des Bluts
iſt. Wenn nun das Blut ſtille ſteht, ſo fliegt in einem
Leichname der leichte Damf davon: es ſondern ſich die
uͤbrigen Grundſtoffe, ihrer Schwere gemaͤs, ab, das
Salzwaſſer ſchwimmet oben auf (d), die Kuͤgelchen ſinken
niederwerts, und indem ſie auf einander zu liegen kom-
men, ſo druͤkken und ziehen ſie ſich einander an. Dage-
gen erhaͤlt, ſo lange Leben und Munterkeit fortdauren,
der
(b***)
camerar. de ophtalmia
venerea.
(c)
5. Buch. 3. Abſchn.
(d) 5. Buch. 2. Abſchn.
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Haller, Albrecht von: Anfangsgründe der Phisiologie des menschlichen Körpers. Bd. 2. Berlin, 1762, S. 459. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/haller_anfangsgruende02_1762/479>, abgerufen am 22.11.2024.
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