Es ist aber die Frage schon vielbedeutender, ob von der Bewegung des Blutes Wärme entstehe, oder ob eine andre, erst wie mit dem Fortrükken verbundne Ursache, die Hand mit im Spiele habe?
Jch mag nicht die Geschichte von der Erscheinung selbst, wiederholen. Jch habe bereits weitläuftig erzält, daß sich in Thieren, die einen vollkommenen Gebrauch von der Lunge machen, eine Wärme von 64 Graden über dem Gefrierungspunkte des Wassers im Winter, in einem gesunden Blute erzeuge (s): ferner daß Fische keine sehr merkwürdige Wärme (t), sondern nur eine sol- che Wärme hervorbringen, daß sie in den kalten Gewäs- sern, die noch nicht den Grad der Kälte erreichen, daß sie zufrieren, leben, das Blut flüßig erhalten, und end- lich über dieser Kälte noch einige lauliche Wärme erzeu- gen können. Man frägt nach dem Quelle und der Ur- sache dieser Wärme.
Erst mus ich zeigen, daß diese Wärme ihren Sizz im Blute aufgeschlagen hat, und daß die übrigen Theile eines belebten Körpers von dem Blute ihre Wärme er- borgen. Es geht dieses leicht an, indem ein Glied friert, daran man eine Schlagader unterbindet (u), wovon der Oberarm ein Beispiel ist, daran der Wundarzt, um den Kranken an einem Schlagadersakke zu heilen, die vor- nemste Schlagader (x) mit einer Schnur unterbindet: denn dieser fühlt so lange Kälte, bis, nach wiederherge- stelltem Zuflusse des Blutes, der Pulsschlag an der Handwurzel wieder seine alte Stelle einnimmt. An der Schienenröhre, deren Schlagadermündung zusammen- gezogen war (y), und an andern Gliedern, deren Schlag- adern knochig geworden waren (z), herrschte eine immer- wärende Kälte. An der linken Hand lies sich kein Pulsschlag fülen, und davon entstand eine fortdaurende
Kälte
(s)[Spaltenumbruch]
5. Buch.
(t) 5. Buch. 2. Absch. §. 1.
(u)[Spaltenumbruch]senac. T. II. S. 241.
(x) 5. Buch. 2. Abschn. §. 1.
bewegten Blutes, in den Schlagadern.
Es iſt aber die Frage ſchon vielbedeutender, ob von der Bewegung des Blutes Waͤrme entſtehe, oder ob eine andre, erſt wie mit dem Fortruͤkken verbundne Urſache, die Hand mit im Spiele habe?
Jch mag nicht die Geſchichte von der Erſcheinung ſelbſt, wiederholen. Jch habe bereits weitlaͤuftig erzaͤlt, daß ſich in Thieren, die einen vollkommenen Gebrauch von der Lunge machen, eine Waͤrme von 64 Graden uͤber dem Gefrierungspunkte des Waſſers im Winter, in einem geſunden Blute erzeuge (s): ferner daß Fiſche keine ſehr merkwuͤrdige Waͤrme (t), ſondern nur eine ſol- che Waͤrme hervorbringen, daß ſie in den kalten Gewaͤſ- ſern, die noch nicht den Grad der Kaͤlte erreichen, daß ſie zufrieren, leben, das Blut fluͤßig erhalten, und end- lich uͤber dieſer Kaͤlte noch einige lauliche Waͤrme erzeu- gen koͤnnen. Man fraͤgt nach dem Quelle und der Ur- ſache dieſer Waͤrme.
Erſt mus ich zeigen, daß dieſe Waͤrme ihren Sizz im Blute aufgeſchlagen hat, und daß die uͤbrigen Theile eines belebten Koͤrpers von dem Blute ihre Waͤrme er- borgen. Es geht dieſes leicht an, indem ein Glied friert, daran man eine Schlagader unterbindet (u), wovon der Oberarm ein Beiſpiel iſt, daran der Wundarzt, um den Kranken an einem Schlagaderſakke zu heilen, die vor- nemſte Schlagader (x) mit einer Schnur unterbindet: denn dieſer fuͤhlt ſo lange Kaͤlte, bis, nach wiederherge- ſtelltem Zufluſſe des Blutes, der Pulsſchlag an der Handwurzel wieder ſeine alte Stelle einnimmt. An der Schienenroͤhre, deren Schlagadermuͤndung zuſammen- gezogen war (y), und an andern Gliedern, deren Schlag- adern knochig geworden waren (z), herrſchte eine immer- waͤrende Kaͤlte. An der linken Hand lies ſich kein Pulsſchlag fuͤlen, und davon entſtand eine fortdaurende
Kaͤlte
(s)[Spaltenumbruch]
5. Buch.
(t) 5. Buch. 2. Abſch. §. 1.
(u)[Spaltenumbruch]ſenac. T. II. S. 241.
(x) 5. Buch. 2. Abſchn. §. 1.
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bewegten Blutes, in den Schlagadern.
Es iſt aber die Frage ſchon vielbedeutender, ob von der
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andre, erſt wie mit dem Fortruͤkken verbundne Urſache,
die Hand mit im Spiele habe?
Jch mag nicht die Geſchichte von der Erſcheinung
ſelbſt, wiederholen. Jch habe bereits weitlaͤuftig erzaͤlt,
daß ſich in Thieren, die einen vollkommenen Gebrauch
von der Lunge machen, eine Waͤrme von 64 Graden
uͤber dem Gefrierungspunkte des Waſſers im Winter,
in einem geſunden Blute erzeuge (s): ferner daß Fiſche
keine ſehr merkwuͤrdige Waͤrme (t), ſondern nur eine ſol-
che Waͤrme hervorbringen, daß ſie in den kalten Gewaͤſ-
ſern, die noch nicht den Grad der Kaͤlte erreichen, daß
ſie zufrieren, leben, das Blut fluͤßig erhalten, und end-
lich uͤber dieſer Kaͤlte noch einige lauliche Waͤrme erzeu-
gen koͤnnen. Man fraͤgt nach dem Quelle und der Ur-
ſache dieſer Waͤrme.
Erſt mus ich zeigen, daß dieſe Waͤrme ihren Sizz im
Blute aufgeſchlagen hat, und daß die uͤbrigen Theile
eines belebten Koͤrpers von dem Blute ihre Waͤrme er-
borgen. Es geht dieſes leicht an, indem ein Glied friert,
daran man eine Schlagader unterbindet (u), wovon der
Oberarm ein Beiſpiel iſt, daran der Wundarzt, um den
Kranken an einem Schlagaderſakke zu heilen, die vor-
nemſte Schlagader (x) mit einer Schnur unterbindet:
denn dieſer fuͤhlt ſo lange Kaͤlte, bis, nach wiederherge-
ſtelltem Zufluſſe des Blutes, der Pulsſchlag an der
Handwurzel wieder ſeine alte Stelle einnimmt. An der
Schienenroͤhre, deren Schlagadermuͤndung zuſammen-
gezogen war (y), und an andern Gliedern, deren Schlag-
adern knochig geworden waren (z), herrſchte eine immer-
waͤrende Kaͤlte. An der linken Hand lies ſich kein
Pulsſchlag fuͤlen, und davon entſtand eine fortdaurende
Kaͤlte
(s)
5. Buch.
(t) 5. Buch. 2. Abſch. §. 1.
(u)
ſenac. T. II. S. 241.
(x) 5. Buch. 2. Abſchn. §. 1.
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Haller, Albrecht von: Anfangsgründe der Phisiologie des menschlichen Körpers. Bd. 2. Berlin, 1762, S. 463. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/haller_anfangsgruende02_1762/483>, abgerufen am 22.11.2024.
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