vieles kleiner als die menschliche Wärme ist (s). Dage- gen, wenn ein menschlicher Körper, der in seinem voll- kommnen Zustande ist, oder ein vom heissen Brande an- gegriffnes Glied, zu faulen anfängt, hört die Wärme darinnen auf, und die Theile nehmen den Grad der Wärme an sich, den die Luft hat, die den Körper um- gibt: so lange dieser aber seine Wärme hat, so lange leidet er keine Fäulnis.
Harnsalz hat so wenig Kraft eine thierische Wärme hervorzubringen, daß diejenigen Thiere ein kaltes Blut bekommen haben, deren Bestandteile offenbar harnhaft sind (t), wie die Frösche, in denen die zween Körper, die sich an beiden Seiten des Rükkgrades befinden, mit ei- nem sauern Wesen aufbrausen: eben das ist auch den spanischen Fliegen gemein (u), welche durchgehens mit dem Salpetergeiste aufbrausen. Jn diesen Thieren ist eine viel grössere Menge von einem harnhaftem Salze, als in uns gegenwärtig, welches ihre ölige Theile im Blute angreifet, und darinnen eine Wärme erregt. Sie sind nicht kalt, weil ihr Körper klein ist, denn man hat viele Vögelchen, deren Körper kleiner, als ein Frosch, eine Kröte, die Eidechse und der Krokodil sind. Dahin- gegen sind solche Thiere warm, deren Säfte sich desto weniger der harnhaften Natur nähern (x). Es ist mir auch kein Exempel von einem Safte bekannt, welcher bei einer immerwärenden und schnellen Bewegung zu- gleich faul werden könne. Fliessende Wasser bleiben süs; stehen sie still, so unterwerfen sie sich bald der Fäul- nis. Blut, welches blos von einem Gefässe in ein an- der Gefässe übergeleitet wird, leidet keine Ausartung (y). Es werden aber auch unsre Säfte niemals faul, so lange sie in Bewegung sind, sie werden nie, auch nicht einmal
in
(s)[Spaltenumbruch]boermaave angef. Ort. S. 293.
(t) 5. Buch. 2. Abschn. §. 31.
(u)[Spaltenumbruch]
5. Buch. 2. Absch. §. 29.
(x) 5. Buch. 2. Abschn. §. 32.
(y)Homobon. pisoni ult. antiq. S. 61.
Sechſtes Buch. Die Wirkung des
vieles kleiner als die menſchliche Waͤrme iſt (s). Dage- gen, wenn ein menſchlicher Koͤrper, der in ſeinem voll- kommnen Zuſtande iſt, oder ein vom heiſſen Brande an- gegriffnes Glied, zu faulen anfaͤngt, hoͤrt die Waͤrme darinnen auf, und die Theile nehmen den Grad der Waͤrme an ſich, den die Luft hat, die den Koͤrper um- gibt: ſo lange dieſer aber ſeine Waͤrme hat, ſo lange leidet er keine Faͤulnis.
Harnſalz hat ſo wenig Kraft eine thieriſche Waͤrme hervorzubringen, daß diejenigen Thiere ein kaltes Blut bekommen haben, deren Beſtandteile offenbar harnhaft ſind (t), wie die Froͤſche, in denen die zween Koͤrper, die ſich an beiden Seiten des Ruͤkkgrades befinden, mit ei- nem ſauern Weſen aufbrauſen: eben das iſt auch den ſpaniſchen Fliegen gemein (u), welche durchgehens mit dem Salpetergeiſte aufbrauſen. Jn dieſen Thieren iſt eine viel groͤſſere Menge von einem harnhaftem Salze, als in uns gegenwaͤrtig, welches ihre oͤlige Theile im Blute angreifet, und darinnen eine Waͤrme erregt. Sie ſind nicht kalt, weil ihr Koͤrper klein iſt, denn man hat viele Voͤgelchen, deren Koͤrper kleiner, als ein Froſch, eine Kroͤte, die Eidechſe und der Krokodil ſind. Dahin- gegen ſind ſolche Thiere warm, deren Saͤfte ſich deſto weniger der harnhaften Natur naͤhern (x). Es iſt mir auch kein Exempel von einem Safte bekannt, welcher bei einer immerwaͤrenden und ſchnellen Bewegung zu- gleich faul werden koͤnne. Flieſſende Waſſer bleiben ſuͤs; ſtehen ſie ſtill, ſo unterwerfen ſie ſich bald der Faͤul- nis. Blut, welches blos von einem Gefaͤſſe in ein an- der Gefaͤſſe uͤbergeleitet wird, leidet keine Ausartung (y). Es werden aber auch unſre Saͤfte niemals faul, ſo lange ſie in Bewegung ſind, ſie werden nie, auch nicht einmal
in
(s)[Spaltenumbruch]boermaave angef. Ort. S. 293.
(t) 5. Buch. 2. Abſchn. §. 31.
(u)[Spaltenumbruch]
5. Buch. 2. Abſch. §. 29.
(x) 5. Buch. 2. Abſchn. §. 32.
(y)Homobon. piſoni ult. antiq. S. 61.
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Sechſtes Buch. Die Wirkung des
vieles kleiner als die menſchliche Waͤrme iſt (s). Dage-
gen, wenn ein menſchlicher Koͤrper, der in ſeinem voll-
kommnen Zuſtande iſt, oder ein vom heiſſen Brande an-
gegriffnes Glied, zu faulen anfaͤngt, hoͤrt die Waͤrme
darinnen auf, und die Theile nehmen den Grad der
Waͤrme an ſich, den die Luft hat, die den Koͤrper um-
gibt: ſo lange dieſer aber ſeine Waͤrme hat, ſo lange
leidet er keine Faͤulnis.
Harnſalz hat ſo wenig Kraft eine thieriſche Waͤrme
hervorzubringen, daß diejenigen Thiere ein kaltes Blut
bekommen haben, deren Beſtandteile offenbar harnhaft
ſind (t), wie die Froͤſche, in denen die zween Koͤrper, die
ſich an beiden Seiten des Ruͤkkgrades befinden, mit ei-
nem ſauern Weſen aufbrauſen: eben das iſt auch den
ſpaniſchen Fliegen gemein (u), welche durchgehens
mit dem Salpetergeiſte aufbrauſen. Jn dieſen Thieren
iſt eine viel groͤſſere Menge von einem harnhaftem
Salze, als in uns gegenwaͤrtig, welches ihre oͤlige Theile
im Blute angreifet, und darinnen eine Waͤrme erregt.
Sie ſind nicht kalt, weil ihr Koͤrper klein iſt, denn man
hat viele Voͤgelchen, deren Koͤrper kleiner, als ein Froſch,
eine Kroͤte, die Eidechſe und der Krokodil ſind. Dahin-
gegen ſind ſolche Thiere warm, deren Saͤfte ſich deſto
weniger der harnhaften Natur naͤhern (x). Es iſt mir
auch kein Exempel von einem Safte bekannt, welcher
bei einer immerwaͤrenden und ſchnellen Bewegung zu-
gleich faul werden koͤnne. Flieſſende Waſſer bleiben
ſuͤs; ſtehen ſie ſtill, ſo unterwerfen ſie ſich bald der Faͤul-
nis. Blut, welches blos von einem Gefaͤſſe in ein an-
der Gefaͤſſe uͤbergeleitet wird, leidet keine Ausartung (y).
Es werden aber auch unſre Saͤfte niemals faul, ſo lange
ſie in Bewegung ſind, ſie werden nie, auch nicht einmal
in
(s)
boermaave angef. Ort. S.
293.
(t) 5. Buch. 2. Abſchn. §. 31.
(u)
5. Buch. 2. Abſch. §. 29.
(x) 5. Buch. 2. Abſchn. §. 32.
(y) Homobon. piſoni ult. antiq.
S. 61.
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Haller, Albrecht von: Anfangsgründe der Phisiologie des menschlichen Körpers. Bd. 2. Berlin, 1762, S. 472. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/haller_anfangsgruende02_1762/492>, abgerufen am 22.11.2024.
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