Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Haller, Albrecht von: Anfangsgründe der Phisiologie des menschlichen Körpers. Bd. 2. Berlin, 1762.

Bild:
<< vorherige Seite

bewegten Blutes, in den Schlagadern.
würde keine Wärme erzeugen, wenn es an der Stelle des
Blutes in den Gefässen eines Menschen flösse. Denn es
erzeugt nie ein Wasserfall ein dergleichen Reiben, als in
unsern sehr zalreichen und ungemein kleinen Gefässen statt
findet. Ferner folgt, wofern Wasser vom Reiben nicht
erhizzt werden kann, doch darum noch nicht, das Blut
könne nicht warm werden, und man kann niemals von
einem Körper mit Zuverläßigkeit etwas sagen, was von
einem andern eine Warheit ist. Der gewis sichre Unter-
scheid unter den Fischen und unter den vierfüßigen Thie-
ren, der auf das Verhältnis des Herzens, der Schlag-
adern und des Blutes gegen den übrigen Körper beruht,
wird durch den gemachten Einwurf noch lange nicht
über den Haufen geworfen. Man erweiset es, durch
die angefürte Versuche, daß eine thierische Wärme, so
lange das Leben noch statt hat, nicht über 108 oder 110
Grade von dem Kreislaufe des Blutes getrieben werden
könne (o): darum wird aber noch nicht gezeigt, daß Wärme
nicht von der Bewegung des Bluts erzeugt werden sollte.
Auch so gar Wasser wird von keinem Feuer über 214
Grade heis, aber darum ist es nicht andem, daß nicht
Wasser von Feuer heis werden sollte; ferner nehmen in
einerlei Sonne, Luft, Wasser und Queksilber dennoch ver-
schiedne Grade von Wärme an, und folglich macht nicht
einerlei Ursache, verschiedne Säfte, bis auf einerlei Grade
warm (p). Jn Fiebern scheinet oft die Hizze grösser zu
seyn, ob sie gleich nicht wirklich grösser, sondern nur
unleidlicher ist (p*). Trokkne Hizze ist allemal heftiger,
als eine Wärme, wobei Schweis ist, vielleicht weil in
diesem Zustande der heisseste Damf in der Haut zurükke-

gehal-
(o) [Spaltenumbruch] Daher läst sich nicht sagen,
daß bei 192 Pulsschlägen die Wär-
me im Menschen, wie die des sie-
denden Wassers seyn müsse. wai-
newrigth
S. 43. 72.
(p) mvsschenbroek Essays. S.
483. Die Luft ist um 94, Ouek-
[Spaltenumbruch] silber 120, Wasser um 150 Grade
warm.
(p*) Unausstehliche Hizze beim
100 Grade, mit einer lederhaften
Blutrinde. de haen T. III. S.
144.

bewegten Blutes, in den Schlagadern.
wuͤrde keine Waͤrme erzeugen, wenn es an der Stelle des
Blutes in den Gefaͤſſen eines Menſchen floͤſſe. Denn es
erzeugt nie ein Waſſerfall ein dergleichen Reiben, als in
unſern ſehr zalreichen und ungemein kleinen Gefaͤſſen ſtatt
findet. Ferner folgt, wofern Waſſer vom Reiben nicht
erhizzt werden kann, doch darum noch nicht, das Blut
koͤnne nicht warm werden, und man kann niemals von
einem Koͤrper mit Zuverlaͤßigkeit etwas ſagen, was von
einem andern eine Warheit iſt. Der gewis ſichre Unter-
ſcheid unter den Fiſchen und unter den vierfuͤßigen Thie-
ren, der auf das Verhaͤltnis des Herzens, der Schlag-
adern und des Blutes gegen den uͤbrigen Koͤrper beruht,
wird durch den gemachten Einwurf noch lange nicht
uͤber den Haufen geworfen. Man erweiſet es, durch
die angefuͤrte Verſuche, daß eine thieriſche Waͤrme, ſo
lange das Leben noch ſtatt hat, nicht uͤber 108 oder 110
Grade von dem Kreislaufe des Blutes getrieben werden
koͤnne (o): darum wird aber noch nicht gezeigt, daß Waͤrme
nicht von der Bewegung des Bluts erzeugt werden ſollte.
Auch ſo gar Waſſer wird von keinem Feuer uͤber 214
Grade heis, aber darum iſt es nicht andem, daß nicht
Waſſer von Feuer heis werden ſollte; ferner nehmen in
einerlei Sonne, Luft, Waſſer und Quekſilber dennoch ver-
ſchiedne Grade von Waͤrme an, und folglich macht nicht
einerlei Urſache, verſchiedne Saͤfte, bis auf einerlei Grade
warm (p). Jn Fiebern ſcheinet oft die Hizze groͤſſer zu
ſeyn, ob ſie gleich nicht wirklich groͤſſer, ſondern nur
unleidlicher iſt (p*). Trokkne Hizze iſt allemal heftiger,
als eine Waͤrme, wobei Schweis iſt, vielleicht weil in
dieſem Zuſtande der heiſſeſte Damf in der Haut zuruͤkke-

gehal-
(o) [Spaltenumbruch] Daher laͤſt ſich nicht ſagen,
daß bei 192 Pulsſchlaͤgen die Waͤr-
me im Menſchen, wie die des ſie-
denden Waſſers ſeyn muͤſſe. wai-
newrigth
S. 43. 72.
(p) mvſſchenbroek Eſſays. S.
483. Die Luft iſt um 94, Ouek-
[Spaltenumbruch] ſilber 120, Waſſer um 150 Grade
warm.
(p*) Unausſtehliche Hizze beim
100 Grade, mit einer lederhaften
Blutrinde. de haen T. III. S.
144.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0515" n="495"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">bewegten Blutes, in den Schlagadern.</hi></fw><lb/>
wu&#x0364;rde keine Wa&#x0364;rme erzeugen, wenn es an der Stelle des<lb/>
Blutes in den Gefa&#x0364;&#x017F;&#x017F;en eines Men&#x017F;chen flo&#x0364;&#x017F;&#x017F;e. Denn es<lb/>
erzeugt nie ein Wa&#x017F;&#x017F;erfall ein dergleichen Reiben, als in<lb/>
un&#x017F;ern &#x017F;ehr zalreichen und ungemein kleinen Gefa&#x0364;&#x017F;&#x017F;en &#x017F;tatt<lb/>
findet. Ferner folgt, wofern Wa&#x017F;&#x017F;er vom Reiben nicht<lb/>
erhizzt werden kann, doch darum noch nicht, das Blut<lb/>
ko&#x0364;nne nicht warm werden, und man kann niemals von<lb/>
einem Ko&#x0364;rper mit Zuverla&#x0364;ßigkeit etwas &#x017F;agen, was von<lb/>
einem andern eine Warheit i&#x017F;t. Der gewis &#x017F;ichre Unter-<lb/>
&#x017F;cheid unter den Fi&#x017F;chen und unter den vierfu&#x0364;ßigen Thie-<lb/>
ren, der auf das Verha&#x0364;ltnis des Herzens, der Schlag-<lb/>
adern und des Blutes gegen den u&#x0364;brigen Ko&#x0364;rper beruht,<lb/>
wird durch den gemachten Einwurf noch lange nicht<lb/>
u&#x0364;ber den Haufen geworfen. Man erwei&#x017F;et es, durch<lb/>
die angefu&#x0364;rte Ver&#x017F;uche, daß eine thieri&#x017F;che Wa&#x0364;rme, &#x017F;o<lb/>
lange das Leben noch &#x017F;tatt hat, nicht u&#x0364;ber 108 oder 110<lb/>
Grade von dem Kreislaufe des Blutes getrieben werden<lb/>
ko&#x0364;nne <note place="foot" n="(o)"><cb/>
Daher la&#x0364;&#x017F;t &#x017F;ich nicht &#x017F;agen,<lb/>
daß bei 192 Puls&#x017F;chla&#x0364;gen die Wa&#x0364;r-<lb/>
me im Men&#x017F;chen, wie die des &#x017F;ie-<lb/>
denden Wa&#x017F;&#x017F;ers &#x017F;eyn mu&#x0364;&#x017F;&#x017F;e. <hi rendition="#aq"><hi rendition="#k">wai-<lb/>
newrigth</hi></hi> S. 43. 72.</note>: darum wird aber noch nicht gezeigt, daß Wa&#x0364;rme<lb/>
nicht von der Bewegung des Bluts erzeugt werden &#x017F;ollte.<lb/>
Auch &#x017F;o gar Wa&#x017F;&#x017F;er wird von keinem Feuer u&#x0364;ber 214<lb/>
Grade heis, aber darum i&#x017F;t es nicht andem, daß nicht<lb/>
Wa&#x017F;&#x017F;er von Feuer heis werden &#x017F;ollte; ferner nehmen in<lb/>
einerlei Sonne, Luft, Wa&#x017F;&#x017F;er und Quek&#x017F;ilber dennoch ver-<lb/>
&#x017F;chiedne Grade von Wa&#x0364;rme an, und folglich macht nicht<lb/>
einerlei Ur&#x017F;ache, ver&#x017F;chiedne Sa&#x0364;fte, bis auf einerlei Grade<lb/>
warm <note place="foot" n="(p)"><hi rendition="#aq"><hi rendition="#k">mv&#x017F;&#x017F;chenbroek</hi> E&#x017F;&#x017F;ays.</hi> S.<lb/>
483. Die Luft i&#x017F;t um 94, Ouek-<lb/><cb/>
&#x017F;ilber 120, Wa&#x017F;&#x017F;er um 150 Grade<lb/>
warm.</note>. Jn Fiebern &#x017F;cheinet oft die Hizze gro&#x0364;&#x017F;&#x017F;er zu<lb/>
&#x017F;eyn, ob &#x017F;ie gleich nicht wirklich gro&#x0364;&#x017F;&#x017F;er, &#x017F;ondern nur<lb/>
unleidlicher i&#x017F;t <note place="foot" n="(p*)">Unaus&#x017F;tehliche Hizze beim<lb/>
100 Grade, mit einer lederhaften<lb/>
Blutrinde. <hi rendition="#aq">de <hi rendition="#k">haen</hi> T. III.</hi> S.<lb/>
144.</note>. Trokkne Hizze i&#x017F;t allemal heftiger,<lb/>
als eine Wa&#x0364;rme, wobei Schweis i&#x017F;t, vielleicht weil in<lb/>
die&#x017F;em Zu&#x017F;tande der hei&#x017F;&#x017F;e&#x017F;te Damf in der Haut zuru&#x0364;kke-<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">gehal-</fw><lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[495/0515] bewegten Blutes, in den Schlagadern. wuͤrde keine Waͤrme erzeugen, wenn es an der Stelle des Blutes in den Gefaͤſſen eines Menſchen floͤſſe. Denn es erzeugt nie ein Waſſerfall ein dergleichen Reiben, als in unſern ſehr zalreichen und ungemein kleinen Gefaͤſſen ſtatt findet. Ferner folgt, wofern Waſſer vom Reiben nicht erhizzt werden kann, doch darum noch nicht, das Blut koͤnne nicht warm werden, und man kann niemals von einem Koͤrper mit Zuverlaͤßigkeit etwas ſagen, was von einem andern eine Warheit iſt. Der gewis ſichre Unter- ſcheid unter den Fiſchen und unter den vierfuͤßigen Thie- ren, der auf das Verhaͤltnis des Herzens, der Schlag- adern und des Blutes gegen den uͤbrigen Koͤrper beruht, wird durch den gemachten Einwurf noch lange nicht uͤber den Haufen geworfen. Man erweiſet es, durch die angefuͤrte Verſuche, daß eine thieriſche Waͤrme, ſo lange das Leben noch ſtatt hat, nicht uͤber 108 oder 110 Grade von dem Kreislaufe des Blutes getrieben werden koͤnne (o): darum wird aber noch nicht gezeigt, daß Waͤrme nicht von der Bewegung des Bluts erzeugt werden ſollte. Auch ſo gar Waſſer wird von keinem Feuer uͤber 214 Grade heis, aber darum iſt es nicht andem, daß nicht Waſſer von Feuer heis werden ſollte; ferner nehmen in einerlei Sonne, Luft, Waſſer und Quekſilber dennoch ver- ſchiedne Grade von Waͤrme an, und folglich macht nicht einerlei Urſache, verſchiedne Saͤfte, bis auf einerlei Grade warm (p). Jn Fiebern ſcheinet oft die Hizze groͤſſer zu ſeyn, ob ſie gleich nicht wirklich groͤſſer, ſondern nur unleidlicher iſt (p*). Trokkne Hizze iſt allemal heftiger, als eine Waͤrme, wobei Schweis iſt, vielleicht weil in dieſem Zuſtande der heiſſeſte Damf in der Haut zuruͤkke- gehal- (o) Daher laͤſt ſich nicht ſagen, daß bei 192 Pulsſchlaͤgen die Waͤr- me im Menſchen, wie die des ſie- denden Waſſers ſeyn muͤſſe. wai- newrigth S. 43. 72. (p) mvſſchenbroek Eſſays. S. 483. Die Luft iſt um 94, Ouek- ſilber 120, Waſſer um 150 Grade warm. (p*) Unausſtehliche Hizze beim 100 Grade, mit einer lederhaften Blutrinde. de haen T. III. S. 144.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/haller_anfangsgruende02_1762
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/haller_anfangsgruende02_1762/515
Zitationshilfe: Haller, Albrecht von: Anfangsgründe der Phisiologie des menschlichen Körpers. Bd. 2. Berlin, 1762, S. 495. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/haller_anfangsgruende02_1762/515>, abgerufen am 16.07.2024.