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Haller, Albrecht von: Anfangsgründe der Phisiologie des menschlichen Körpers. Bd. 2. Berlin, 1762.

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Die Lebenssäfte.
tigen und riechenden Theilen einen Ueberflus hat. Jn-
dessen zieht sich doch der Saame, nach Art des Leimes, zu
Fäden, und er wird von sauern Säften aufgelöst (c), und
von laugenhaften Salze vielmehr dikk gemacht (d). Der
Versuch der 30 Jare vor Kristi Geburt vom Sanhe-
drin
gemacht worden, erwies, daß der Saame vom
Eiweisse in so fern unterschieden sey, daß solcher am Feuer
zerflisse, und das Eiweis gerinne (d*). Man kann noch
diejenige Art von schwarzem Farbenanstriche mit zum
Schleime rechnen, womit die weggekehrte Fläche des
Traubenringes in vielen Thieren überzogen ist, weil sie
sich anhängt, und sehr leicht im Wasser zerflisset.

Es hat der Nuzzen des Schleims und der schlüpfri-
gen Säfte die offenbare Absicht, die zarten und sehr
emfindliche Nervchen in seinen Schuzz zu nehmen: denn
es würden diese sonst von der trokknenden Kraft der Luft,
oder von starkem Reiben, oder von dem Durchgange einer
rauhen und salzigen Flüßigkeit, einen sehr unangenemen
Eindrukk leiden, wofern sich nicht die guttätige Kraft
des Schleims ins Mittel schlüge. Diejenigen, welche
den Schleim in der Harnröhre durch das Einsprizzen
scharfer Säfte losmachen, erfaren es mehr, als ihnen
lieb ist, wie unerträglich ohne diesem Schleim das blosse
Urinlassen wird, den doch gesunde Menschen ohne Un-
gemächlichkeit lassen. So wird auch in hizzigen Krank-
heiten, oder in scharfen Flüssen, wenn die Nase ganz trok-
ken geworden, eine sehr unangeneme Emfindung von der
durchfarenden Luft erregt, und das gilt auch von Gedär-
men, die durch Purgirsalz abgespült, und von der Harn-
blase, die vom Schleime entblöst worden, indem alsdenn

der
(c) [Spaltenumbruch] Gorn angef. Ort. n. 26.
monroo de semine et testib.
S. 57.
(d) Gorn. Monroo ebendas.
der Saame ist in den Fischen sehr
zähe. Monroo ebendas. Es ge-
rinnet derselbe nicht vom Wein-
[Spaltenumbruch] geiste, wenigstens der nicht, den
man aus todten Körpern und aus
den Saamenbläschen hernimmt.
(d*) gvntzevrger Med. Tal-
mud.
S. 22.

Die Lebensſaͤfte.
tigen und riechenden Theilen einen Ueberflus hat. Jn-
deſſen zieht ſich doch der Saame, nach Art des Leimes, zu
Faͤden, und er wird von ſauern Saͤften aufgeloͤſt (c), und
von laugenhaften Salze vielmehr dikk gemacht (d). Der
Verſuch der 30 Jare vor Kriſti Geburt vom Sanhe-
drin
gemacht worden, erwies, daß der Saame vom
Eiweiſſe in ſo fern unterſchieden ſey, daß ſolcher am Feuer
zerfliſſe, und das Eiweis gerinne (d*). Man kann noch
diejenige Art von ſchwarzem Farbenanſtriche mit zum
Schleime rechnen, womit die weggekehrte Flaͤche des
Traubenringes in vielen Thieren uͤberzogen iſt, weil ſie
ſich anhaͤngt, und ſehr leicht im Waſſer zerfliſſet.

Es hat der Nuzzen des Schleims und der ſchluͤpfri-
gen Saͤfte die offenbare Abſicht, die zarten und ſehr
emfindliche Nervchen in ſeinen Schuzz zu nehmen: denn
es wuͤrden dieſe ſonſt von der trokknenden Kraft der Luft,
oder von ſtarkem Reiben, oder von dem Durchgange einer
rauhen und ſalzigen Fluͤßigkeit, einen ſehr unangenemen
Eindrukk leiden, wofern ſich nicht die guttaͤtige Kraft
des Schleims ins Mittel ſchluͤge. Diejenigen, welche
den Schleim in der Harnroͤhre durch das Einſprizzen
ſcharfer Saͤfte losmachen, erfaren es mehr, als ihnen
lieb iſt, wie unertraͤglich ohne dieſem Schleim das bloſſe
Urinlaſſen wird, den doch geſunde Menſchen ohne Un-
gemaͤchlichkeit laſſen. So wird auch in hizzigen Krank-
heiten, oder in ſcharfen Fluͤſſen, wenn die Naſe ganz trok-
ken geworden, eine ſehr unangeneme Emfindung von der
durchfarenden Luft erregt, und das gilt auch von Gedaͤr-
men, die durch Purgirſalz abgeſpuͤlt, und von der Harn-
blaſe, die vom Schleime entbloͤſt worden, indem alsdenn

der
(c) [Spaltenumbruch] Gorn angef. Ort. n. 26.
monroo de ſemine et teſtib.
S. 57.
(d) Gorn. Monroo ebendaſ.
der Saame iſt in den Fiſchen ſehr
zaͤhe. Monroo ebendaſ. Es ge-
rinnet derſelbe nicht vom Wein-
[Spaltenumbruch] geiſte, wenigſtens der nicht, den
man aus todten Koͤrpern und aus
den Saamenblaͤschen hernimmt.
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mud.
S. 22.
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[589/0609] Die Lebensſaͤfte. tigen und riechenden Theilen einen Ueberflus hat. Jn- deſſen zieht ſich doch der Saame, nach Art des Leimes, zu Faͤden, und er wird von ſauern Saͤften aufgeloͤſt (c), und von laugenhaften Salze vielmehr dikk gemacht (d). Der Verſuch der 30 Jare vor Kriſti Geburt vom Sanhe- drin gemacht worden, erwies, daß der Saame vom Eiweiſſe in ſo fern unterſchieden ſey, daß ſolcher am Feuer zerfliſſe, und das Eiweis gerinne (d*). Man kann noch diejenige Art von ſchwarzem Farbenanſtriche mit zum Schleime rechnen, womit die weggekehrte Flaͤche des Traubenringes in vielen Thieren uͤberzogen iſt, weil ſie ſich anhaͤngt, und ſehr leicht im Waſſer zerfliſſet. Es hat der Nuzzen des Schleims und der ſchluͤpfri- gen Saͤfte die offenbare Abſicht, die zarten und ſehr emfindliche Nervchen in ſeinen Schuzz zu nehmen: denn es wuͤrden dieſe ſonſt von der trokknenden Kraft der Luft, oder von ſtarkem Reiben, oder von dem Durchgange einer rauhen und ſalzigen Fluͤßigkeit, einen ſehr unangenemen Eindrukk leiden, wofern ſich nicht die guttaͤtige Kraft des Schleims ins Mittel ſchluͤge. Diejenigen, welche den Schleim in der Harnroͤhre durch das Einſprizzen ſcharfer Saͤfte losmachen, erfaren es mehr, als ihnen lieb iſt, wie unertraͤglich ohne dieſem Schleim das bloſſe Urinlaſſen wird, den doch geſunde Menſchen ohne Un- gemaͤchlichkeit laſſen. So wird auch in hizzigen Krank- heiten, oder in ſcharfen Fluͤſſen, wenn die Naſe ganz trok- ken geworden, eine ſehr unangeneme Emfindung von der durchfarenden Luft erregt, und das gilt auch von Gedaͤr- men, die durch Purgirſalz abgeſpuͤlt, und von der Harn- blaſe, die vom Schleime entbloͤſt worden, indem alsdenn der (c) Gorn angef. Ort. n. 26. monroo de ſemine et teſtib. S. 57. (d) Gorn. Monroo ebendaſ. der Saame iſt in den Fiſchen ſehr zaͤhe. Monroo ebendaſ. Es ge- rinnet derſelbe nicht vom Wein- geiſte, wenigſtens der nicht, den man aus todten Koͤrpern und aus den Saamenblaͤschen hernimmt. (d*) gvntzevrger Med. Tal- mud. S. 22.

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Zitationshilfe: Haller, Albrecht von: Anfangsgründe der Phisiologie des menschlichen Körpers. Bd. 2. Berlin, 1762, S. 589. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/haller_anfangsgruende02_1762/609>, abgerufen am 17.07.2024.