Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Haller, Albrecht von: Anfangsgründe der Phisiologie des menschlichen Körpers. Bd. 2. Berlin, 1762.

Bild:
<< vorherige Seite

Siebendes Buch. Die Ursachen
Schlagäderchen die Frage ist, aus denen die Gefäschen,
die den neuen Saft herbeiführen, ihr Entstehn bekom-
men. Was die grössern Nezze betrift, welche aus
Stämmen von mehrern Kugelkalibern, erwachsen, so
sind sich solche noch nicht unänlich genung, noch nach
Proportion ihrer verschiednen Säfte, die an jedem Orte
erzeugt werden, deutlich genung von einander unterschie-
den. Warum sind also ebenfalls beinahe gerade ge-
strekkte Gefässe der Milz, und den so zarten Flüßigkei-
ten im Auge von der Natur mitgeteilt worden? Warum
hat die graue Gehirnsubstanz, die Milz, und der Mut-
terkuchen, bei einer höchst unänlichen Absicht, Nuzzen,
ungleichen Säften, doch einen änlichen Bau? Da doch
auf der einen Seite die zärteste Flüßigkeit unter allen
Flüßigkeiten, auf der andern Seite hingegen entweder
nichts, oder doch nur eine träge Galle abgeschieden wird.

Endlich so zernichtet der Bau der Blutadern fast
alle meine noch übrige Hofnung. Denn ich finde weder
die Blutadernezze loser (a), noch ihre Winkel recht, son-
dern sie zerästeln sich am öftersten eben auf die Weise,
als die Schlagadern. Neben den Schlagaderbäumchen
laufen an den Gedärmen ganz änliche Blutaderbäum-
chen. Es sind die grössern Ringe am Gekröse ebenfalls
aus Blutadern, die sich einander begegnen, zusammen-
gesezzt, so gut wie sie aus Schlagadern bestehen (b): im
Eie aber sind diese Aderkreise überhaupt Blutäderchen,
und man kann sich keine schönere Zeichnungen, als diese
vorstellen (c). Und doch lässet sich von Blutadern keine
Absonderung erwarten. Aber auch da, wo kein Abson-
dern, sondern nur ein durchgehens änlicher Dunst statt
findet, wie an Membranen geschicht, findet man bald hie,
bald da die Nezzwerke höchst verschiedentlich angebracht.
Folglich scheinen diese verschiedne Bildungen der Schlag-

adern
(a) [Spaltenumbruch] Hales angef. Ort. S. 137.
2. Buch.
(b) [Spaltenumbruch] Tab. art. mes. Fascic. IV.
(c) Vorhergehender Paragraph.

Siebendes Buch. Die Urſachen
Schlagaͤderchen die Frage iſt, aus denen die Gefaͤschen,
die den neuen Saft herbeifuͤhren, ihr Entſtehn bekom-
men. Was die groͤſſern Nezze betrift, welche aus
Staͤmmen von mehrern Kugelkalibern, erwachſen, ſo
ſind ſich ſolche noch nicht unaͤnlich genung, noch nach
Proportion ihrer verſchiednen Saͤfte, die an jedem Orte
erzeugt werden, deutlich genung von einander unterſchie-
den. Warum ſind alſo ebenfalls beinahe gerade ge-
ſtrekkte Gefaͤſſe der Milz, und den ſo zarten Fluͤßigkei-
ten im Auge von der Natur mitgeteilt worden? Warum
hat die graue Gehirnſubſtanz, die Milz, und der Mut-
terkuchen, bei einer hoͤchſt unaͤnlichen Abſicht, Nuzzen,
ungleichen Saͤften, doch einen aͤnlichen Bau? Da doch
auf der einen Seite die zaͤrteſte Fluͤßigkeit unter allen
Fluͤßigkeiten, auf der andern Seite hingegen entweder
nichts, oder doch nur eine traͤge Galle abgeſchieden wird.

Endlich ſo zernichtet der Bau der Blutadern faſt
alle meine noch uͤbrige Hofnung. Denn ich finde weder
die Blutadernezze loſer (a), noch ihre Winkel recht, ſon-
dern ſie zeraͤſteln ſich am oͤfterſten eben auf die Weiſe,
als die Schlagadern. Neben den Schlagaderbaͤumchen
laufen an den Gedaͤrmen ganz aͤnliche Blutaderbaͤum-
chen. Es ſind die groͤſſern Ringe am Gekroͤſe ebenfalls
aus Blutadern, die ſich einander begegnen, zuſammen-
geſezzt, ſo gut wie ſie aus Schlagadern beſtehen (b): im
Eie aber ſind dieſe Aderkreiſe uͤberhaupt Blutaͤderchen,
und man kann ſich keine ſchoͤnere Zeichnungen, als dieſe
vorſtellen (c). Und doch laͤſſet ſich von Blutadern keine
Abſonderung erwarten. Aber auch da, wo kein Abſon-
dern, ſondern nur ein durchgehens aͤnlicher Dunſt ſtatt
findet, wie an Membranen geſchicht, findet man bald hie,
bald da die Nezzwerke hoͤchſt verſchiedentlich angebracht.
Folglich ſcheinen dieſe verſchiedne Bildungen der Schlag-

adern
(a) [Spaltenumbruch] Hales angef. Ort. S. 137.
2. Buch.
(b) [Spaltenumbruch] Tab. art. meſ. Faſcic. IV.
(c) Vorhergehender Paragraph.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0714" n="694"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">Siebendes Buch. Die Ur&#x017F;achen</hi></fw><lb/>
Schlaga&#x0364;derchen die Frage i&#x017F;t, aus denen die Gefa&#x0364;schen,<lb/>
die den neuen Saft herbeifu&#x0364;hren, ihr Ent&#x017F;tehn bekom-<lb/>
men. Was die gro&#x0364;&#x017F;&#x017F;ern Nezze betrift, welche aus<lb/>
Sta&#x0364;mmen von mehrern Kugelkalibern, erwach&#x017F;en, &#x017F;o<lb/>
&#x017F;ind &#x017F;ich &#x017F;olche noch nicht una&#x0364;nlich genung, noch nach<lb/>
Proportion ihrer ver&#x017F;chiednen Sa&#x0364;fte, die an jedem Orte<lb/>
erzeugt werden, deutlich genung von einander unter&#x017F;chie-<lb/>
den. Warum &#x017F;ind al&#x017F;o ebenfalls beinahe gerade ge-<lb/>
&#x017F;trekkte Gefa&#x0364;&#x017F;&#x017F;e der Milz, und den &#x017F;o zarten Flu&#x0364;ßigkei-<lb/>
ten im Auge von der Natur mitgeteilt worden? Warum<lb/>
hat die graue Gehirn&#x017F;ub&#x017F;tanz, die Milz, und der Mut-<lb/>
terkuchen, bei einer ho&#x0364;ch&#x017F;t una&#x0364;nlichen Ab&#x017F;icht, Nuzzen,<lb/>
ungleichen Sa&#x0364;ften, doch einen a&#x0364;nlichen Bau? Da doch<lb/>
auf der einen Seite die za&#x0364;rte&#x017F;te Flu&#x0364;ßigkeit unter allen<lb/>
Flu&#x0364;ßigkeiten, auf der andern Seite hingegen entweder<lb/>
nichts, oder doch nur eine tra&#x0364;ge Galle abge&#x017F;chieden wird.</p><lb/>
            <p>Endlich &#x017F;o zernichtet der Bau der Blutadern fa&#x017F;t<lb/>
alle meine noch u&#x0364;brige Hofnung. Denn ich finde weder<lb/>
die Blutadernezze lo&#x017F;er <note place="foot" n="(a)"><cb/><hi rendition="#fr">Hales</hi> angef. Ort. S. 137.<lb/>
2. Buch.</note>, noch ihre Winkel recht, &#x017F;on-<lb/>
dern &#x017F;ie zera&#x0364;&#x017F;teln &#x017F;ich am o&#x0364;fter&#x017F;ten eben auf die Wei&#x017F;e,<lb/>
als die Schlagadern. Neben den Schlagaderba&#x0364;umchen<lb/>
laufen an den Geda&#x0364;rmen ganz a&#x0364;nliche Blutaderba&#x0364;um-<lb/>
chen. Es &#x017F;ind die gro&#x0364;&#x017F;&#x017F;ern Ringe am Gekro&#x0364;&#x017F;e ebenfalls<lb/>
aus Blutadern, die &#x017F;ich einander begegnen, zu&#x017F;ammen-<lb/>
ge&#x017F;ezzt, &#x017F;o gut wie &#x017F;ie aus Schlagadern be&#x017F;tehen <note place="foot" n="(b)"><cb/><hi rendition="#aq">Tab. art. me&#x017F;. Fa&#x017F;cic. IV.</hi></note>: im<lb/>
Eie aber &#x017F;ind die&#x017F;e Aderkrei&#x017F;e u&#x0364;berhaupt Bluta&#x0364;derchen,<lb/>
und man kann &#x017F;ich keine &#x017F;cho&#x0364;nere Zeichnungen, als die&#x017F;e<lb/>
vor&#x017F;tellen <note place="foot" n="(c)">Vorhergehender Paragraph.</note>. Und doch la&#x0364;&#x017F;&#x017F;et &#x017F;ich von Blutadern keine<lb/>
Ab&#x017F;onderung erwarten. Aber auch da, wo kein Ab&#x017F;on-<lb/>
dern, &#x017F;ondern nur ein durchgehens a&#x0364;nlicher Dun&#x017F;t &#x017F;tatt<lb/>
findet, wie an Membranen ge&#x017F;chicht, findet man bald hie,<lb/>
bald da die Nezzwerke ho&#x0364;ch&#x017F;t ver&#x017F;chiedentlich angebracht.<lb/>
Folglich &#x017F;cheinen die&#x017F;e ver&#x017F;chiedne Bildungen der Schlag-<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">adern</fw><lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[694/0714] Siebendes Buch. Die Urſachen Schlagaͤderchen die Frage iſt, aus denen die Gefaͤschen, die den neuen Saft herbeifuͤhren, ihr Entſtehn bekom- men. Was die groͤſſern Nezze betrift, welche aus Staͤmmen von mehrern Kugelkalibern, erwachſen, ſo ſind ſich ſolche noch nicht unaͤnlich genung, noch nach Proportion ihrer verſchiednen Saͤfte, die an jedem Orte erzeugt werden, deutlich genung von einander unterſchie- den. Warum ſind alſo ebenfalls beinahe gerade ge- ſtrekkte Gefaͤſſe der Milz, und den ſo zarten Fluͤßigkei- ten im Auge von der Natur mitgeteilt worden? Warum hat die graue Gehirnſubſtanz, die Milz, und der Mut- terkuchen, bei einer hoͤchſt unaͤnlichen Abſicht, Nuzzen, ungleichen Saͤften, doch einen aͤnlichen Bau? Da doch auf der einen Seite die zaͤrteſte Fluͤßigkeit unter allen Fluͤßigkeiten, auf der andern Seite hingegen entweder nichts, oder doch nur eine traͤge Galle abgeſchieden wird. Endlich ſo zernichtet der Bau der Blutadern faſt alle meine noch uͤbrige Hofnung. Denn ich finde weder die Blutadernezze loſer (a), noch ihre Winkel recht, ſon- dern ſie zeraͤſteln ſich am oͤfterſten eben auf die Weiſe, als die Schlagadern. Neben den Schlagaderbaͤumchen laufen an den Gedaͤrmen ganz aͤnliche Blutaderbaͤum- chen. Es ſind die groͤſſern Ringe am Gekroͤſe ebenfalls aus Blutadern, die ſich einander begegnen, zuſammen- geſezzt, ſo gut wie ſie aus Schlagadern beſtehen (b): im Eie aber ſind dieſe Aderkreiſe uͤberhaupt Blutaͤderchen, und man kann ſich keine ſchoͤnere Zeichnungen, als dieſe vorſtellen (c). Und doch laͤſſet ſich von Blutadern keine Abſonderung erwarten. Aber auch da, wo kein Abſon- dern, ſondern nur ein durchgehens aͤnlicher Dunſt ſtatt findet, wie an Membranen geſchicht, findet man bald hie, bald da die Nezzwerke hoͤchſt verſchiedentlich angebracht. Folglich ſcheinen dieſe verſchiedne Bildungen der Schlag- adern (a) Hales angef. Ort. S. 137. 2. Buch. (b) Tab. art. meſ. Faſcic. IV. (c) Vorhergehender Paragraph.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/haller_anfangsgruende02_1762
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/haller_anfangsgruende02_1762/714
Zitationshilfe: Haller, Albrecht von: Anfangsgründe der Phisiologie des menschlichen Körpers. Bd. 2. Berlin, 1762, S. 694. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/haller_anfangsgruende02_1762/714>, abgerufen am 17.06.2024.