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Haller, Albrecht von: Anfangsgründe der Phisiologie des menschlichen Körpers. Bd. 2. Berlin, 1762.

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der Verschiedenheit der Säfte.
ten Orte, noch Kraft eines notwendigen Triebes, noch
in solcher Menge anlangen würde, als zum Dienste des
Lebens hinlänglich ist. So war es nötig, daß der
Saame in Bläschen, oder in Gänge, die den Bläschen
änlich sind, gesammelt wurde, damit sich selbiger in eine
kleine Masse von einiger Grösse und Schwere verwan-
deln möchte, um von dem Befele des austreibenden
Muskels einen solchen Nachdrukk annehmen zu können,
als zur Vollfürung der vorgeschriebnen Reise erforder-
lich ist. Er muste nämlich diesen Nachdruk erhalten,
um längst der Mutterscheide, die oft lang ist, und durch
die sehr lange Gebärmutter in den Vierfüßigen, bis zu
den Eierstökken gelangen zu können, um daselbst die
Grundstoffe der Menschheit, was es auch vor welche
seyn mögen, entwikkeln zu helfen. Denn wäre wohl
zu diesem Geschäfte jemals ein Tröpfchen Saamen hin-
länglich gewesen, dergleichen aus dem Gefäschen der
Oberhode tröpfeln kann?

Es ist solchergestalt warscheinlich, daß in der That
die Gallenblase einigen Vorrat an Galle sammeln müsse,
um selbige besonders zu der Zeit in den Zwölffingerdarm
auszugissen, wenn die Verdauung im Kochen begriffen
ist und die Natur viel Galle nötig hat (i). Es sam-
meln sich aber auch in den Klappen des Luftröhrenkop-
fes, in den Bläschen der Speiseröhre, und im ganzen
langen Bläschen des kleinen wurmförmigen Gedärm-
chen, und in den Fächerchen des äussersten Mastdarms
ein Schleim, welcher die Sprache, das Hinabschlingen
und den Auswurf des Kotes, besonders gegen die rechte
Zeit, viel emsiger bedient.

Ein andrer, aber verwanter Nuzzen der Bläschen
ist, einige stinkende und den Sinnen unangeneme Säfte
anzuhalten, damit sie nicht, wieder Willen und ohne

Unter-
(i) Prim. lin. Physiol. n. 691. 692.
A a a 4

der Verſchiedenheit der Saͤfte.
ten Orte, noch Kraft eines notwendigen Triebes, noch
in ſolcher Menge anlangen wuͤrde, als zum Dienſte des
Lebens hinlaͤnglich iſt. So war es noͤtig, daß der
Saame in Blaͤschen, oder in Gaͤnge, die den Blaͤschen
aͤnlich ſind, geſammelt wurde, damit ſich ſelbiger in eine
kleine Maſſe von einiger Groͤſſe und Schwere verwan-
deln moͤchte, um von dem Befele des austreibenden
Muskels einen ſolchen Nachdrukk annehmen zu koͤnnen,
als zur Vollfuͤrung der vorgeſchriebnen Reiſe erforder-
lich iſt. Er muſte naͤmlich dieſen Nachdruk erhalten,
um laͤngſt der Mutterſcheide, die oft lang iſt, und durch
die ſehr lange Gebaͤrmutter in den Vierfuͤßigen, bis zu
den Eierſtoͤkken gelangen zu koͤnnen, um daſelbſt die
Grundſtoffe der Menſchheit, was es auch vor welche
ſeyn moͤgen, entwikkeln zu helfen. Denn waͤre wohl
zu dieſem Geſchaͤfte jemals ein Troͤpfchen Saamen hin-
laͤnglich geweſen, dergleichen aus dem Gefaͤschen der
Oberhode troͤpfeln kann?

Es iſt ſolchergeſtalt warſcheinlich, daß in der That
die Gallenblaſe einigen Vorrat an Galle ſammeln muͤſſe,
um ſelbige beſonders zu der Zeit in den Zwoͤlffingerdarm
auszugiſſen, wenn die Verdauung im Kochen begriffen
iſt und die Natur viel Galle noͤtig hat (i). Es ſam-
meln ſich aber auch in den Klappen des Luftroͤhrenkop-
fes, in den Blaͤschen der Speiſeroͤhre, und im ganzen
langen Blaͤschen des kleinen wurmfoͤrmigen Gedaͤrm-
chen, und in den Faͤcherchen des aͤuſſerſten Maſtdarms
ein Schleim, welcher die Sprache, das Hinabſchlingen
und den Auswurf des Kotes, beſonders gegen die rechte
Zeit, viel emſiger bedient.

Ein andrer, aber verwanter Nuzzen der Blaͤschen
iſt, einige ſtinkende und den Sinnen unangeneme Saͤfte
anzuhalten, damit ſie nicht, wieder Willen und ohne

Unter-
(i) Prim. lin. Phyſiol. n. 691. 692.
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[743/0763] der Verſchiedenheit der Saͤfte. ten Orte, noch Kraft eines notwendigen Triebes, noch in ſolcher Menge anlangen wuͤrde, als zum Dienſte des Lebens hinlaͤnglich iſt. So war es noͤtig, daß der Saame in Blaͤschen, oder in Gaͤnge, die den Blaͤschen aͤnlich ſind, geſammelt wurde, damit ſich ſelbiger in eine kleine Maſſe von einiger Groͤſſe und Schwere verwan- deln moͤchte, um von dem Befele des austreibenden Muskels einen ſolchen Nachdrukk annehmen zu koͤnnen, als zur Vollfuͤrung der vorgeſchriebnen Reiſe erforder- lich iſt. Er muſte naͤmlich dieſen Nachdruk erhalten, um laͤngſt der Mutterſcheide, die oft lang iſt, und durch die ſehr lange Gebaͤrmutter in den Vierfuͤßigen, bis zu den Eierſtoͤkken gelangen zu koͤnnen, um daſelbſt die Grundſtoffe der Menſchheit, was es auch vor welche ſeyn moͤgen, entwikkeln zu helfen. Denn waͤre wohl zu dieſem Geſchaͤfte jemals ein Troͤpfchen Saamen hin- laͤnglich geweſen, dergleichen aus dem Gefaͤschen der Oberhode troͤpfeln kann? Es iſt ſolchergeſtalt warſcheinlich, daß in der That die Gallenblaſe einigen Vorrat an Galle ſammeln muͤſſe, um ſelbige beſonders zu der Zeit in den Zwoͤlffingerdarm auszugiſſen, wenn die Verdauung im Kochen begriffen iſt und die Natur viel Galle noͤtig hat (i). Es ſam- meln ſich aber auch in den Klappen des Luftroͤhrenkop- fes, in den Blaͤschen der Speiſeroͤhre, und im ganzen langen Blaͤschen des kleinen wurmfoͤrmigen Gedaͤrm- chen, und in den Faͤcherchen des aͤuſſerſten Maſtdarms ein Schleim, welcher die Sprache, das Hinabſchlingen und den Auswurf des Kotes, beſonders gegen die rechte Zeit, viel emſiger bedient. Ein andrer, aber verwanter Nuzzen der Blaͤschen iſt, einige ſtinkende und den Sinnen unangeneme Saͤfte anzuhalten, damit ſie nicht, wieder Willen und ohne Unter- (i) Prim. lin. Phyſiol. n. 691. 692. A a a 4

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Zitationshilfe: Haller, Albrecht von: Anfangsgründe der Phisiologie des menschlichen Körpers. Bd. 2. Berlin, 1762, S. 743. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/haller_anfangsgruende02_1762/763>, abgerufen am 21.11.2024.