Wir gähnen auch, und besonders thun dieses Perso- von schwerfälligem Körper, wenn man geschwinde ge- gangen ist, und sich bis zum Keuchen bewegt hat: in diesem Zustande schlägt das Herz zwar geschwinde, es führt aber der Lunge mehr Blut zu, als daß es leicht durch dieselbe gehen könnte, wo es nicht auf eine neue Weise veranlast würde, durch dieses Eingeweide leichter durch zu fliessen. Wir gähnen auch, wenn wir uns er- müdet haben. Es ist auch das Gähnen bekannt, wel- ches mit Hunger verknüpft ist, und durch starke Bewe- gungen des Körpers in der Kälte entsteht, dergleichen vom Brutus(e) bekannt ist, und in den nördlichen Gegenden (f), und so gar in Holland (g) den jungen Leuten gemein ist, wenn sie auf dem Eise laufen; so gar weis man vom tödtlichen Gähnen, wenn man nämlich diesen Hunger mit derben und harten Speisen nicht stil- let (h). Von dieser Art scheint dasjenige zu seyn, wel- ches von Erniederungen herrührt.
Es gähnen hysterische Frauenspersonen, sowohl vor dem krampfhaften Anfalle, als wenn dieser überstanden ist. So gähnen auch die Kranken im Fieberfroste.
Es scheinen aber auch die Thiere, wenn sie im luft- leeren Raume (i) nach Luft schnappen, zu gähnen, wel- ches auch die lebendig aus der Mutter herausgeschnittnen jungen Thiere, wenn sie sich anschikken, die erste Luft einzuziehen, und sebst die neugebohrne Frucht, thun (k). Hiermit hat das fast neun monatliche Gähnen einer Frau-
ens-
[Spaltenumbruch]
stehen, J. de GORTER de perspi- rat. aphor. 338. 339. 340. 357. Besiehe indessen Comm. ad BOERH. T. IV. n. 599. not. m. und x.
(e)Plutarch, im Leben dieses Mannes.
(f) Von diesem Hunger, BAR- THOL. de nive. S. 187. Und er war nicht unbekannt dem RHAZI ad MANZOREM. L. V. c. 6.
(g)[Spaltenumbruch]BOERH. praelect. T. IV. S. 620. ad n. 433.
(h)BOERH. angef. Ort. rhazes befielt, Wein und Brod zu reichen.
(i)GVIDE obs. anat. 2.
(k)WALTHER de oscitat. S. 35.
Das Atemholen. VIII. Buch.
Wir gaͤhnen auch, und beſonders thun dieſes Perſo- von ſchwerfaͤlligem Koͤrper, wenn man geſchwinde ge- gangen iſt, und ſich bis zum Keuchen bewegt hat: in dieſem Zuſtande ſchlaͤgt das Herz zwar geſchwinde, es fuͤhrt aber der Lunge mehr Blut zu, als daß es leicht durch dieſelbe gehen koͤnnte, wo es nicht auf eine neue Weiſe veranlaſt wuͤrde, durch dieſes Eingeweide leichter durch zu flieſſen. Wir gaͤhnen auch, wenn wir uns er- muͤdet haben. Es iſt auch das Gaͤhnen bekannt, wel- ches mit Hunger verknuͤpft iſt, und durch ſtarke Bewe- gungen des Koͤrpers in der Kaͤlte entſteht, dergleichen vom Brutus(e) bekannt iſt, und in den noͤrdlichen Gegenden (f), und ſo gar in Holland (g) den jungen Leuten gemein iſt, wenn ſie auf dem Eiſe laufen; ſo gar weis man vom toͤdtlichen Gaͤhnen, wenn man naͤmlich dieſen Hunger mit derben und harten Speiſen nicht ſtil- let (h). Von dieſer Art ſcheint dasjenige zu ſeyn, wel- ches von Erniederungen herruͤhrt.
Es gaͤhnen hyſteriſche Frauensperſonen, ſowohl vor dem krampfhaften Anfalle, als wenn dieſer uͤberſtanden iſt. So gaͤhnen auch die Kranken im Fieberfroſte.
Es ſcheinen aber auch die Thiere, wenn ſie im luft- leeren Raume (i) nach Luft ſchnappen, zu gaͤhnen, wel- ches auch die lebendig aus der Mutter herausgeſchnittnen jungen Thiere, wenn ſie ſich anſchikken, die erſte Luft einzuziehen, und ſebſt die neugebohrne Frucht, thun (k). Hiermit hat das faſt neun monatliche Gaͤhnen einer Frau-
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ſtehen, J. de GORTER de perſpi- rat. aphor. 338. 339. 340. 357. Beſiehe indeſſen Comm. ad BOERH. T. IV. n. 599. not. m. und x.
(e)Plutarch, im Leben dieſes Mannes.
(f) Von dieſem Hunger, BAR- THOL. de nive. S. 187. Und er war nicht unbekannt dem RHAZI ad MANZOREM. L. V. c. 6.
(g)[Spaltenumbruch]BOERH. praelect. T. IV. S. 620. ad n. 433.
(h)BOERH. angef. Ort. rhazeſ befielt, Wein und Brod zu reichen.
(i)GVIDE obſ. anat. 2.
(k)WALTHER de oſcitat. S. 35.
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Das Atemholen. VIII. Buch.
Wir gaͤhnen auch, und beſonders thun dieſes Perſo-
von ſchwerfaͤlligem Koͤrper, wenn man geſchwinde ge-
gangen iſt, und ſich bis zum Keuchen bewegt hat: in
dieſem Zuſtande ſchlaͤgt das Herz zwar geſchwinde, es
fuͤhrt aber der Lunge mehr Blut zu, als daß es leicht
durch dieſelbe gehen koͤnnte, wo es nicht auf eine neue
Weiſe veranlaſt wuͤrde, durch dieſes Eingeweide leichter
durch zu flieſſen. Wir gaͤhnen auch, wenn wir uns er-
muͤdet haben. Es iſt auch das Gaͤhnen bekannt, wel-
ches mit Hunger verknuͤpft iſt, und durch ſtarke Bewe-
gungen des Koͤrpers in der Kaͤlte entſteht, dergleichen
vom Brutus (e) bekannt iſt, und in den noͤrdlichen
Gegenden (f), und ſo gar in Holland (g) den jungen
Leuten gemein iſt, wenn ſie auf dem Eiſe laufen; ſo gar
weis man vom toͤdtlichen Gaͤhnen, wenn man naͤmlich
dieſen Hunger mit derben und harten Speiſen nicht ſtil-
let (h). Von dieſer Art ſcheint dasjenige zu ſeyn, wel-
ches von Erniederungen herruͤhrt.
Es gaͤhnen hyſteriſche Frauensperſonen, ſowohl vor
dem krampfhaften Anfalle, als wenn dieſer uͤberſtanden
iſt. So gaͤhnen auch die Kranken im Fieberfroſte.
Es ſcheinen aber auch die Thiere, wenn ſie im luft-
leeren Raume (i) nach Luft ſchnappen, zu gaͤhnen, wel-
ches auch die lebendig aus der Mutter herausgeſchnittnen
jungen Thiere, wenn ſie ſich anſchikken, die erſte Luft
einzuziehen, und ſebſt die neugebohrne Frucht, thun (k).
Hiermit hat das faſt neun monatliche Gaͤhnen einer Frau-
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(e) Plutarch, im Leben dieſes
Mannes.
(f) Von dieſem Hunger, BAR-
THOL. de nive. S. 187. Und er
war nicht unbekannt dem RHAZI
ad MANZOREM. L. V. c. 6.
(g)
BOERH. praelect. T. IV.
S. 620. ad n. 433.
(h) BOERH. angef. Ort.
rhazeſ befielt, Wein und Brod
zu reichen.
(i) GVIDE obſ. anat. 2.
(k) WALTHER de oſcitat.
S. 35.
(d)
ſtehen, J. de GORTER de perſpi-
rat. aphor. 338. 339. 340. 357. Beſiehe
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Haller, Albrecht von: Anfangsgründe der Phisiologie des menschlichen Körpers. Bd. 3. Berlin, 1766, S. 460. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/haller_anfangsgruende03_1766/466>, abgerufen am 22.11.2024.
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