Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Haller, Albrecht von: Anfangsgründe der Phisiologie des menschlichen Körpers. Bd. 3. Berlin, 1766.

Bild:
<< vorherige Seite

Das Atemholen. VIII. Buch.
gen ihrer Süßigkeit, und besonders wegen ihrer eppig-
förmigen Blätter (y) auf dieses Gewächse ziehen.

Jn der Seele hat das Lachen einen ganz andern Ur-
sprung, oder im Körper ist die Wirkung eben dieselbe.
Es entsteht dieses Lachen gemeiniglich aus einer unerwar-
teten Begegnung zwoer Jdeen, von denen wir nimmer-
mehr gehoft hätten, daß sie sich zusammen gatten wür-
den; es hat ferner eine von diesen Vorstellungen, oder
beide, oder auch nur der Zusammentrit beider zugleich,
was ungereimtes bei sich (y*), welches unsre Verachtung
rege macht, indessen empfinden wir doch eine Frölich-
keit dabei. Es erwekkt also ein Lachen, wenn ein Mann
von Würden, die niedrige Person eines Aufwärters nach-
ahmt, und eben das geschicht, wenn eben dieser Aufwär-
ter majestätische Minen annimmt. An dem Chrysipp
soll das Lachen den Tod gewirkt haben (z), als er die
Jdee von einem Esel, mit der, von diesem Thiere so
weit entfernten Einladung zum lustigen Trinken zusammen
nahm. Ein Pabst lachte, und starb, als er einen Affen
dieses so geringe geschäzzte Thier, in der dreifachen Müzze
des öbersten Priesters erblikkte (a). Warum nun die
Muskeln des Gesichtes, des Zwerchsells, und Unterlei-
bes, übereinstimmig werden, eine Verknüpfung von un-
gereimten Jdeen auszudrükken, wird gewis keiner sagen
können; da in dem dadurch erregten Lachen, weder die
Verbindung der Jdee mit dem Atemholen, noch einiger
Zwekk verborgen liegt, dadurch eine Beschwerlichkeit
weggeschaft würde, so wie in den vorhergehenden Dingen
gewis die Absicht der Seele deutlich zu sehen war.

Jch
(y) [Spaltenumbruch] SVIDAS kvstfr. T.
III.
S. 288.
(y*) Wolfs psycholog. empir.
S. 56.
(z) DIOGENES LAER-
[Spaltenumbruch] TIVS
erzählt dergleichen von
philemon, val. maximvs
L. IX. c.
12.
(a) SCHELHAMMER ad-
fect. anim.
S. 230.

Das Atemholen. VIII. Buch.
gen ihrer Suͤßigkeit, und beſonders wegen ihrer eppig-
foͤrmigen Blaͤtter (y) auf dieſes Gewaͤchſe ziehen.

Jn der Seele hat das Lachen einen ganz andern Ur-
ſprung, oder im Koͤrper iſt die Wirkung eben dieſelbe.
Es entſteht dieſes Lachen gemeiniglich aus einer unerwar-
teten Begegnung zwoer Jdeen, von denen wir nimmer-
mehr gehoft haͤtten, daß ſie ſich zuſammen gatten wuͤr-
den; es hat ferner eine von dieſen Vorſtellungen, oder
beide, oder auch nur der Zuſammentrit beider zugleich,
was ungereimtes bei ſich (y*), welches unſre Verachtung
rege macht, indeſſen empfinden wir doch eine Froͤlich-
keit dabei. Es erwekkt alſo ein Lachen, wenn ein Mann
von Wuͤrden, die niedrige Perſon eines Aufwaͤrters nach-
ahmt, und eben das geſchicht, wenn eben dieſer Aufwaͤr-
ter majeſtaͤtiſche Minen annimmt. An dem Chryſipp
ſoll das Lachen den Tod gewirkt haben (z), als er die
Jdee von einem Eſel, mit der, von dieſem Thiere ſo
weit entfernten Einladung zum luſtigen Trinken zuſammen
nahm. Ein Pabſt lachte, und ſtarb, als er einen Affen
dieſes ſo geringe geſchaͤzzte Thier, in der dreifachen Muͤzze
des oͤberſten Prieſters erblikkte (a). Warum nun die
Muskeln des Geſichtes, des Zwerchſells, und Unterlei-
bes, uͤbereinſtimmig werden, eine Verknuͤpfung von un-
gereimten Jdeen auszudruͤkken, wird gewis keiner ſagen
koͤnnen; da in dem dadurch erregten Lachen, weder die
Verbindung der Jdee mit dem Atemholen, noch einiger
Zwekk verborgen liegt, dadurch eine Beſchwerlichkeit
weggeſchaft wuͤrde, ſo wie in den vorhergehenden Dingen
gewis die Abſicht der Seele deutlich zu ſehen war.

Jch
(y) [Spaltenumbruch] SVIDAS kvſtfr. T.
III.
S. 288.
(y*) Wolfs pſycholog. empir.
S. 56.
(z) DIOGENES LAER-
[Spaltenumbruch] TIVS
erzaͤhlt dergleichen von
philemon, val. maximvſ
L. IX. c.
12.
(a) SCHELHAMMER ad-
fect. anim.
S. 230.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0486" n="480"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">Das Atemholen. <hi rendition="#aq">VIII.</hi> Buch.</hi></fw><lb/>
gen ihrer Su&#x0364;ßigkeit, und be&#x017F;onders wegen ihrer eppig-<lb/>
fo&#x0364;rmigen Bla&#x0364;tter <note place="foot" n="(y)"><cb/><hi rendition="#aq"><hi rendition="#g">SVIDAS <hi rendition="#k">kv&#x017F;tfr.</hi></hi> T.<lb/>
III.</hi> S. 288.</note> auf die&#x017F;es Gewa&#x0364;ch&#x017F;e ziehen.</p><lb/>
            <p>Jn der Seele hat das Lachen einen ganz andern Ur-<lb/>
&#x017F;prung, oder im Ko&#x0364;rper i&#x017F;t die Wirkung eben die&#x017F;elbe.<lb/>
Es ent&#x017F;teht die&#x017F;es Lachen gemeiniglich aus einer unerwar-<lb/>
teten Begegnung zwoer Jdeen, von denen wir nimmer-<lb/>
mehr gehoft ha&#x0364;tten, daß &#x017F;ie &#x017F;ich zu&#x017F;ammen gatten wu&#x0364;r-<lb/>
den; es hat ferner eine von die&#x017F;en Vor&#x017F;tellungen, oder<lb/>
beide, oder auch nur der Zu&#x017F;ammentrit beider zugleich,<lb/>
was ungereimtes bei &#x017F;ich <note place="foot" n="(y*)"><hi rendition="#fr">Wolfs</hi><hi rendition="#aq">p&#x017F;ycholog. empir.</hi><lb/>
S. 56.</note>, welches un&#x017F;re Verachtung<lb/>
rege macht, inde&#x017F;&#x017F;en empfinden wir doch eine Fro&#x0364;lich-<lb/>
keit dabei. Es erwekkt al&#x017F;o ein Lachen, wenn ein Mann<lb/>
von Wu&#x0364;rden, die niedrige Per&#x017F;on eines Aufwa&#x0364;rters nach-<lb/>
ahmt, und eben das ge&#x017F;chicht, wenn eben die&#x017F;er Aufwa&#x0364;r-<lb/>
ter maje&#x017F;ta&#x0364;ti&#x017F;che Minen annimmt. An dem <hi rendition="#fr">Chry&#x017F;ipp</hi><lb/>
&#x017F;oll das Lachen den Tod gewirkt haben <note place="foot" n="(z)"><hi rendition="#aq"><hi rendition="#g">DIOGENES LAER-<lb/><cb/>
TIVS</hi></hi> erza&#x0364;hlt dergleichen von<lb/><hi rendition="#aq"><hi rendition="#g"><hi rendition="#k">philemon, val. maximv&#x017F;</hi></hi><lb/>
L. IX. c.</hi> 12.</note>, als er die<lb/>
Jdee von einem E&#x017F;el, mit der, von die&#x017F;em Thiere &#x017F;o<lb/>
weit entfernten Einladung zum lu&#x017F;tigen Trinken zu&#x017F;ammen<lb/>
nahm. Ein Pab&#x017F;t lachte, und &#x017F;tarb, als er einen Affen<lb/>
die&#x017F;es &#x017F;o geringe ge&#x017F;cha&#x0364;zzte Thier, in der dreifachen Mu&#x0364;zze<lb/>
des o&#x0364;ber&#x017F;ten Prie&#x017F;ters erblikkte <note place="foot" n="(a)"><hi rendition="#aq"><hi rendition="#g">SCHELHAMMER</hi> ad-<lb/>
fect. anim.</hi> S. 230.</note>. Warum nun die<lb/>
Muskeln des Ge&#x017F;ichtes, des Zwerch&#x017F;ells, und Unterlei-<lb/>
bes, u&#x0364;berein&#x017F;timmig werden, eine Verknu&#x0364;pfung von un-<lb/>
gereimten Jdeen auszudru&#x0364;kken, wird gewis keiner &#x017F;agen<lb/>
ko&#x0364;nnen; da in dem dadurch erregten Lachen, weder die<lb/>
Verbindung der Jdee mit dem Atemholen, noch einiger<lb/>
Zwekk verborgen liegt, dadurch eine Be&#x017F;chwerlichkeit<lb/>
wegge&#x017F;chaft wu&#x0364;rde, &#x017F;o wie in den vorhergehenden Dingen<lb/>
gewis die Ab&#x017F;icht der Seele deutlich zu &#x017F;ehen war.</p><lb/>
            <fw place="bottom" type="catch">Jch</fw><lb/>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[480/0486] Das Atemholen. VIII. Buch. gen ihrer Suͤßigkeit, und beſonders wegen ihrer eppig- foͤrmigen Blaͤtter (y) auf dieſes Gewaͤchſe ziehen. Jn der Seele hat das Lachen einen ganz andern Ur- ſprung, oder im Koͤrper iſt die Wirkung eben dieſelbe. Es entſteht dieſes Lachen gemeiniglich aus einer unerwar- teten Begegnung zwoer Jdeen, von denen wir nimmer- mehr gehoft haͤtten, daß ſie ſich zuſammen gatten wuͤr- den; es hat ferner eine von dieſen Vorſtellungen, oder beide, oder auch nur der Zuſammentrit beider zugleich, was ungereimtes bei ſich (y*), welches unſre Verachtung rege macht, indeſſen empfinden wir doch eine Froͤlich- keit dabei. Es erwekkt alſo ein Lachen, wenn ein Mann von Wuͤrden, die niedrige Perſon eines Aufwaͤrters nach- ahmt, und eben das geſchicht, wenn eben dieſer Aufwaͤr- ter majeſtaͤtiſche Minen annimmt. An dem Chryſipp ſoll das Lachen den Tod gewirkt haben (z), als er die Jdee von einem Eſel, mit der, von dieſem Thiere ſo weit entfernten Einladung zum luſtigen Trinken zuſammen nahm. Ein Pabſt lachte, und ſtarb, als er einen Affen dieſes ſo geringe geſchaͤzzte Thier, in der dreifachen Muͤzze des oͤberſten Prieſters erblikkte (a). Warum nun die Muskeln des Geſichtes, des Zwerchſells, und Unterlei- bes, uͤbereinſtimmig werden, eine Verknuͤpfung von un- gereimten Jdeen auszudruͤkken, wird gewis keiner ſagen koͤnnen; da in dem dadurch erregten Lachen, weder die Verbindung der Jdee mit dem Atemholen, noch einiger Zwekk verborgen liegt, dadurch eine Beſchwerlichkeit weggeſchaft wuͤrde, ſo wie in den vorhergehenden Dingen gewis die Abſicht der Seele deutlich zu ſehen war. Jch (y) SVIDAS kvſtfr. T. III. S. 288. (y*) Wolfs pſycholog. empir. S. 56. (z) DIOGENES LAER- TIVS erzaͤhlt dergleichen von philemon, val. maximvſ L. IX. c. 12. (a) SCHELHAMMER ad- fect. anim. S. 230.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/haller_anfangsgruende03_1766
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/haller_anfangsgruende03_1766/486
Zitationshilfe: Haller, Albrecht von: Anfangsgründe der Phisiologie des menschlichen Körpers. Bd. 3. Berlin, 1766, S. 480. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/haller_anfangsgruende03_1766/486>, abgerufen am 22.11.2024.