Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Haller, Albrecht von: Anfangsgründe der Phisiologie des menschlichen Körpers. Bd. 3. Berlin, 1766.

Bild:
<< vorherige Seite
V. Abschn. Der Nuzzen.

Jch glaube zwar nicht, wenn ich die Sache recht er-
wäge, daß mit dem Einatmen Luft in den Magen gezo-
gen werde. Denn es wird nicht nur der Schlund wä-
rend dem Einatmen von den Muskeln des Zwerchfells
geprest (p), sondern auch der Magen zusammen gedrükkt.
Jndessen (q) bleibt doch das Saugen vornämlich eine
Folge des Atemholens, und also ist ein an die Welt ge-
brachtes Thier seine erste Narungsmittel der Wolthat
dieses Werkzeuges schuldig.

Jch bin auch nicht dawieder, daß nicht die Luft die
in dem Magen befindliche Speisen auflöse: doch ich mus
diese Speculation bis zu ihrem Orte verschieben.

Jch leugne auch nicht, daß die Thiere aus dem
Schlangengeschlechte, von ihrer Lunge noch den Nuzzen
haben, daß sie nach der verschiednen Kraft der Luft, wel-
che sie in die Lunge einziehen, oder wieder herauslassen,
entweder schwimmen, oder niedersinken können- Bei
dieser Art von Thieren stimmt die Lunge in so fern mit
der Schwimmblase (r) überein, die sich selbst mit Luft
erfüllt, das Thier über dem Wasser hält, so oft es nö-
thig ist, und es dagegen sinken läst, wenn sie sich leer
macht (s).

An den Jnsekten ist dieses das besondere, daß sich ihre
Theile von der Luft ausdehnen, und daß ihr Wachs-
thum von diesem Elemente abhängt. Es sind in den
Bienenflügeln die Nerven Luftröhren (s*). Von dieser

Luft
(p) [Spaltenumbruch] S. 87. sproegel. S. 26. 28.
schwarz. n. 10.
(q) 8 B. 4 A. 32 N.
(r) DERH. Physico-theol. c. 6.
rai phil. trans. n.
115. und 225.
redi de anim. vivent. S. 105.
Auch die Wasserschnekke sinkt, wenn
die Luft zusammen gedrükkt worden,
ins Wasser. swammerd. bibl.
nat.
S. 165. Der Mytulus dehnt
durch einen eignen Muskel, seine Lun-
ge aus, daß|er schwimmt, und er zieht
[Spaltenumbruch] sich zusammen, um unterzusinken,
MERY Mem. de l' Academ. 1710.
S. 425.
(s) Wenn diese Blase zerreift, sin-
ken Thiere im Wasser unter, rai
angef. Ort. Die keine haben, kriechen
auf dem Boden des Meeres und kön-
nen nicht wieder in die Höhe kom-
men, Ebenders. und Adersohn Be-
schreibung von Grönland. S. 93.
(s*) Swammerd. S. 504.
N n 5
V. Abſchn. Der Nuzzen.

Jch glaube zwar nicht, wenn ich die Sache recht er-
waͤge, daß mit dem Einatmen Luft in den Magen gezo-
gen werde. Denn es wird nicht nur der Schlund waͤ-
rend dem Einatmen von den Muskeln des Zwerchfells
gepreſt (p), ſondern auch der Magen zuſammen gedruͤkkt.
Jndeſſen (q) bleibt doch das Saugen vornaͤmlich eine
Folge des Atemholens, und alſo iſt ein an die Welt ge-
brachtes Thier ſeine erſte Narungsmittel der Wolthat
dieſes Werkzeuges ſchuldig.

Jch bin auch nicht dawieder, daß nicht die Luft die
in dem Magen befindliche Speiſen aufloͤſe: doch ich mus
dieſe Speculation bis zu ihrem Orte verſchieben.

Jch leugne auch nicht, daß die Thiere aus dem
Schlangengeſchlechte, von ihrer Lunge noch den Nuzzen
haben, daß ſie nach der verſchiednen Kraft der Luft, wel-
che ſie in die Lunge einziehen, oder wieder herauslaſſen,
entweder ſchwimmen, oder niederſinken koͤnnen- Bei
dieſer Art von Thieren ſtimmt die Lunge in ſo fern mit
der Schwimmblaſe (r) uͤberein, die ſich ſelbſt mit Luft
erfuͤllt, das Thier uͤber dem Waſſer haͤlt, ſo oft es noͤ-
thig iſt, und es dagegen ſinken laͤſt, wenn ſie ſich leer
macht (s).

An den Jnſekten iſt dieſes das beſondere, daß ſich ihre
Theile von der Luft ausdehnen, und daß ihr Wachs-
thum von dieſem Elemente abhaͤngt. Es ſind in den
Bienenfluͤgeln die Nerven Luftroͤhren (s*). Von dieſer

Luft
(p) [Spaltenumbruch] S. 87. ſproegel. S. 26. 28.
ſchwarz. n. 10.
(q) 8 B. 4 A. 32 N.
(r) DERH. Phyſico-theol. c. 6.
rai phil. tranſ. n.
115. und 225.
redi de anim. vivent. S. 105.
Auch die Waſſerſchnekke ſinkt, wenn
die Luft zuſammen gedruͤkkt worden,
ins Waſſer. ſwammerd. bibl.
nat.
S. 165. Der Mytulus dehnt
durch einen eignen Muskel, ſeine Lun-
ge aus, daß|er ſchwimmt, und er zieht
[Spaltenumbruch] ſich zuſammen, um unterzuſinken,
MERY Mem. de l’ Academ. 1710.
S. 425.
(s) Wenn dieſe Blaſe zerreift, ſin-
ken Thiere im Waſſer unter, rai
angef. Ort. Die keine haben, kriechen
auf dem Boden des Meeres und koͤn-
nen nicht wieder in die Hoͤhe kom-
men, Ebenderſ. und Aderſohn Be-
ſchreibung von Groͤnland. S. 93.
(s*) Swammerd. S. 504.
N n 5
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <pb facs="#f0575" n="567[569]"/>
            <fw place="top" type="header"> <hi rendition="#b"><hi rendition="#aq">V.</hi> Ab&#x017F;chn. Der Nuzzen.</hi> </fw><lb/>
            <p>Jch glaube zwar nicht, wenn ich die Sache recht er-<lb/>
wa&#x0364;ge, daß mit dem Einatmen Luft in den Magen gezo-<lb/>
gen werde. Denn es wird nicht nur der Schlund wa&#x0364;-<lb/>
rend dem Einatmen von den Muskeln des Zwerchfells<lb/>
gepre&#x017F;t <note place="foot" n="(p)"><cb/>
S. 87. <hi rendition="#aq"><hi rendition="#g"><hi rendition="#k">&#x017F;proegel.</hi></hi></hi> S. 26. 28.<lb/><hi rendition="#aq"><hi rendition="#g"><hi rendition="#k">&#x017F;chwarz.</hi></hi> n.</hi> 10.</note>, &#x017F;ondern auch der Magen zu&#x017F;ammen gedru&#x0364;kkt.<lb/>
Jnde&#x017F;&#x017F;en <note place="foot" n="(q)">8 B. 4 A. 32 N.</note> bleibt doch das Saugen vorna&#x0364;mlich eine<lb/>
Folge des Atemholens, und al&#x017F;o i&#x017F;t ein an die Welt ge-<lb/>
brachtes Thier &#x017F;eine er&#x017F;te Narungsmittel der Wolthat<lb/>
die&#x017F;es Werkzeuges &#x017F;chuldig.</p><lb/>
            <p>Jch bin auch nicht dawieder, daß nicht die Luft die<lb/>
in dem Magen befindliche Spei&#x017F;en auflo&#x0364;&#x017F;e: doch ich mus<lb/>
die&#x017F;e Speculation bis zu ihrem Orte ver&#x017F;chieben.</p><lb/>
            <p>Jch leugne auch nicht, daß die Thiere aus dem<lb/>
Schlangenge&#x017F;chlechte, von ihrer Lunge noch den Nuzzen<lb/>
haben, daß &#x017F;ie nach der ver&#x017F;chiednen Kraft der Luft, wel-<lb/>
che &#x017F;ie in die Lunge einziehen, oder wieder herausla&#x017F;&#x017F;en,<lb/>
entweder &#x017F;chwimmen, oder nieder&#x017F;inken ko&#x0364;nnen- Bei<lb/>
die&#x017F;er Art von Thieren &#x017F;timmt die Lunge in &#x017F;o fern mit<lb/>
der Schwimmbla&#x017F;e <note place="foot" n="(r)"><hi rendition="#aq"><hi rendition="#g">DERH.</hi> Phy&#x017F;ico-theol. c. 6.<lb/><hi rendition="#g"><hi rendition="#k">rai</hi></hi> phil. tran&#x017F;. n.</hi> 115. und 225.<lb/><hi rendition="#aq"><hi rendition="#g"><hi rendition="#k">redi</hi></hi> de anim. vivent.</hi> S. 105.<lb/>
Auch die Wa&#x017F;&#x017F;er&#x017F;chnekke &#x017F;inkt, wenn<lb/>
die Luft zu&#x017F;ammen gedru&#x0364;kkt worden,<lb/>
ins Wa&#x017F;&#x017F;er. <hi rendition="#aq"><hi rendition="#g"><hi rendition="#k">&#x017F;wammerd.</hi></hi> bibl.<lb/>
nat.</hi> S. 165. Der <hi rendition="#aq">Mytulus</hi> dehnt<lb/>
durch einen eignen Muskel, &#x017F;eine Lun-<lb/>
ge aus, daß|er &#x017F;chwimmt, und er zieht<lb/><cb/>
&#x017F;ich zu&#x017F;ammen, um unterzu&#x017F;inken,<lb/><hi rendition="#aq"><hi rendition="#g">MERY</hi> Mem. de l&#x2019; Academ.</hi> 1710.<lb/>
S. 425.</note> u&#x0364;berein, die &#x017F;ich &#x017F;elb&#x017F;t mit Luft<lb/>
erfu&#x0364;llt, das Thier u&#x0364;ber dem Wa&#x017F;&#x017F;er ha&#x0364;lt, &#x017F;o oft es no&#x0364;-<lb/>
thig i&#x017F;t, und es dagegen &#x017F;inken la&#x0364;&#x017F;t, wenn &#x017F;ie &#x017F;ich leer<lb/>
macht <note place="foot" n="(s)">Wenn die&#x017F;e Bla&#x017F;e zerreift, &#x017F;in-<lb/>
ken Thiere im Wa&#x017F;&#x017F;er unter, <hi rendition="#aq"><hi rendition="#g"><hi rendition="#k">rai</hi></hi></hi><lb/>
angef. Ort. Die keine haben, kriechen<lb/>
auf dem Boden des Meeres und ko&#x0364;n-<lb/>
nen nicht wieder in die Ho&#x0364;he kom-<lb/>
men, Ebender&#x017F;. und <hi rendition="#fr">Ader&#x017F;ohn</hi> Be-<lb/>
&#x017F;chreibung von Gro&#x0364;nland. S. 93.</note>.</p><lb/>
            <p>An den Jn&#x017F;ekten i&#x017F;t die&#x017F;es das be&#x017F;ondere, daß &#x017F;ich ihre<lb/>
Theile von der Luft ausdehnen, und daß ihr Wachs-<lb/>
thum von die&#x017F;em Elemente abha&#x0364;ngt. Es &#x017F;ind in den<lb/>
Bienenflu&#x0364;geln die Nerven Luftro&#x0364;hren <note place="foot" n="(s*)"><hi rendition="#fr">Swammerd.</hi> S. 504.</note>. Von die&#x017F;er<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">N n 5</fw><fw place="bottom" type="catch">Luft</fw><lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[567[569]/0575] V. Abſchn. Der Nuzzen. Jch glaube zwar nicht, wenn ich die Sache recht er- waͤge, daß mit dem Einatmen Luft in den Magen gezo- gen werde. Denn es wird nicht nur der Schlund waͤ- rend dem Einatmen von den Muskeln des Zwerchfells gepreſt (p), ſondern auch der Magen zuſammen gedruͤkkt. Jndeſſen (q) bleibt doch das Saugen vornaͤmlich eine Folge des Atemholens, und alſo iſt ein an die Welt ge- brachtes Thier ſeine erſte Narungsmittel der Wolthat dieſes Werkzeuges ſchuldig. Jch bin auch nicht dawieder, daß nicht die Luft die in dem Magen befindliche Speiſen aufloͤſe: doch ich mus dieſe Speculation bis zu ihrem Orte verſchieben. Jch leugne auch nicht, daß die Thiere aus dem Schlangengeſchlechte, von ihrer Lunge noch den Nuzzen haben, daß ſie nach der verſchiednen Kraft der Luft, wel- che ſie in die Lunge einziehen, oder wieder herauslaſſen, entweder ſchwimmen, oder niederſinken koͤnnen- Bei dieſer Art von Thieren ſtimmt die Lunge in ſo fern mit der Schwimmblaſe (r) uͤberein, die ſich ſelbſt mit Luft erfuͤllt, das Thier uͤber dem Waſſer haͤlt, ſo oft es noͤ- thig iſt, und es dagegen ſinken laͤſt, wenn ſie ſich leer macht (s). An den Jnſekten iſt dieſes das beſondere, daß ſich ihre Theile von der Luft ausdehnen, und daß ihr Wachs- thum von dieſem Elemente abhaͤngt. Es ſind in den Bienenfluͤgeln die Nerven Luftroͤhren (s*). Von dieſer Luft (p) S. 87. ſproegel. S. 26. 28. ſchwarz. n. 10. (q) 8 B. 4 A. 32 N. (r) DERH. Phyſico-theol. c. 6. rai phil. tranſ. n. 115. und 225. redi de anim. vivent. S. 105. Auch die Waſſerſchnekke ſinkt, wenn die Luft zuſammen gedruͤkkt worden, ins Waſſer. ſwammerd. bibl. nat. S. 165. Der Mytulus dehnt durch einen eignen Muskel, ſeine Lun- ge aus, daß|er ſchwimmt, und er zieht ſich zuſammen, um unterzuſinken, MERY Mem. de l’ Academ. 1710. S. 425. (s) Wenn dieſe Blaſe zerreift, ſin- ken Thiere im Waſſer unter, rai angef. Ort. Die keine haben, kriechen auf dem Boden des Meeres und koͤn- nen nicht wieder in die Hoͤhe kom- men, Ebenderſ. und Aderſohn Be- ſchreibung von Groͤnland. S. 93. (s*) Swammerd. S. 504. N n 5

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/haller_anfangsgruende03_1766
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/haller_anfangsgruende03_1766/575
Zitationshilfe: Haller, Albrecht von: Anfangsgründe der Phisiologie des menschlichen Körpers. Bd. 3. Berlin, 1766, S. 567[569]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/haller_anfangsgruende03_1766/575>, abgerufen am 22.11.2024.