Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Haller, Albrecht von: Anfangsgründe der Phisiologie des menschlichen Körpers. Bd. 3. Berlin, 1766.

Bild:
<< vorherige Seite

I. Abschnitt. Die Brust.
lich alle Ribben gleich frei und gleich feste sind, so kann
man nicht läugnen, daß die Meinung dieses berühmten
Mannes wahr sey, wie ich längstens, und überhaupt
so ost zugegeben habe (a). Und diesen Fehler hatte eben
die kleine Maschine, der sich dieser vortrefliche Mann
bediente, und da ihre beide Ribben gleich feste waren,
so musten die nach dem Zuge der innern Zwischenribben-
muskel wirkende Fäden, die obere Ribbe herabziehen (b).

Doch dergleichen Ribben gibt es nicht am menschli-
chen Körper. Es ist ihr erstes Paar unter allen am
meisten befestiget (c), und nach diesem läst sich eine jede
Ribbe, je niedriger sie liegt, desto leichter bewegen (d),
bis die unterste ganz und gar und am meisten beweg-
lich ist.

Wenn nun Fäden, nach welcher Richtung man
will, zwischen der obern unbeweglichen Ribbe, und zwi-
schen der nächsten beweglichen, gezogen werden, so ist
nicht zu zweifeln, daß sich nicht die bewegliche Ribbe zu
der unbewegten hinbegeben werde. Wenn ihre Richtung
von der Art ist, daß ein Muskel unten und näher an
dem Mittelpunkte der Bewegung fester anschließt, so
wird seine Wirksamkeit aus diesem Grunde geschwächt,
doch aber nicht umgekehrt werden, und sie wird ge-
schwächt nach Proportion, daß der Mittelpunkt der Be-
wegung vom untern Ende des Muskels weniger ent-
fernt ist.

Wenn die obere Ribbe nicht ganz und gar unbeweg-
lich ist, doch aber viel fester, als eine untere, in ihrem
Lager sizzt, so wird man bei Bestimmung der Bewegung
des Muskels, die Frage aufwerfen müssen, welche Kraft
grösser sey, die Kraft der nähern Weite vom Ruhe-
punkte des Hebels, oder gegentheils die Kraft der grös-

sern
(a) [Spaltenumbruch] Praef. ad P. IV. de respirat.
(b) De respirat. P. I. n. 22.
(c) [Spaltenumbruch] Vorhergeh. §. 4.
(d) Vorhergeh. §. 4.

I. Abſchnitt. Die Bruſt.
lich alle Ribben gleich frei und gleich feſte ſind, ſo kann
man nicht laͤugnen, daß die Meinung dieſes beruͤhmten
Mannes wahr ſey, wie ich laͤngſtens, und uͤberhaupt
ſo oſt zugegeben habe (a). Und dieſen Fehler hatte eben
die kleine Maſchine, der ſich dieſer vortrefliche Mann
bediente, und da ihre beide Ribben gleich feſte waren,
ſo muſten die nach dem Zuge der innern Zwiſchenribben-
muskel wirkende Faͤden, die obere Ribbe herabziehen (b).

Doch dergleichen Ribben gibt es nicht am menſchli-
chen Koͤrper. Es iſt ihr erſtes Paar unter allen am
meiſten befeſtiget (c), und nach dieſem laͤſt ſich eine jede
Ribbe, je niedriger ſie liegt, deſto leichter bewegen (d),
bis die unterſte ganz und gar und am meiſten beweg-
lich iſt.

Wenn nun Faͤden, nach welcher Richtung man
will, zwiſchen der obern unbeweglichen Ribbe, und zwi-
ſchen der naͤchſten beweglichen, gezogen werden, ſo iſt
nicht zu zweifeln, daß ſich nicht die bewegliche Ribbe zu
der unbewegten hinbegeben werde. Wenn ihre Richtung
von der Art iſt, daß ein Muskel unten und naͤher an
dem Mittelpunkte der Bewegung feſter anſchließt, ſo
wird ſeine Wirkſamkeit aus dieſem Grunde geſchwaͤcht,
doch aber nicht umgekehrt werden, und ſie wird ge-
ſchwaͤcht nach Proportion, daß der Mittelpunkt der Be-
wegung vom untern Ende des Muskels weniger ent-
fernt iſt.

Wenn die obere Ribbe nicht ganz und gar unbeweg-
lich iſt, doch aber viel feſter, als eine untere, in ihrem
Lager ſizzt, ſo wird man bei Beſtimmung der Bewegung
des Muskels, die Frage aufwerfen muͤſſen, welche Kraft
groͤſſer ſey, die Kraft der naͤhern Weite vom Ruhe-
punkte des Hebels, oder gegentheils die Kraft der groͤſ-

ſern
(a) [Spaltenumbruch] Praef. ad P. IV. de reſpirat.
(b) De reſpirat. P. I. n. 22.
(c) [Spaltenumbruch] Vorhergeh. §. 4.
(d) Vorhergeh. §. 4.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0069" n="63"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b"><hi rendition="#aq">I.</hi> Ab&#x017F;chnitt. Die Bru&#x017F;t.</hi></fw><lb/>
lich alle Ribben gleich frei und gleich fe&#x017F;te &#x017F;ind, &#x017F;o kann<lb/>
man nicht la&#x0364;ugnen, daß die Meinung die&#x017F;es beru&#x0364;hmten<lb/>
Mannes wahr &#x017F;ey, wie ich la&#x0364;ng&#x017F;tens, und u&#x0364;berhaupt<lb/>
&#x017F;o o&#x017F;t zugegeben habe <note place="foot" n="(a)"><cb/><hi rendition="#aq">Praef. ad P. IV. de re&#x017F;pirat.</hi></note>. Und die&#x017F;en Fehler hatte eben<lb/>
die kleine Ma&#x017F;chine, der &#x017F;ich die&#x017F;er vortrefliche Mann<lb/>
bediente, und da ihre beide Ribben gleich fe&#x017F;te waren,<lb/>
&#x017F;o mu&#x017F;ten die nach dem Zuge der innern Zwi&#x017F;chenribben-<lb/>
muskel wirkende Fa&#x0364;den, die obere Ribbe herabziehen <note place="foot" n="(b)"><hi rendition="#aq">De re&#x017F;pirat. P. I. n.</hi> 22.</note>.</p><lb/>
            <p>Doch dergleichen Ribben gibt es nicht am men&#x017F;chli-<lb/>
chen Ko&#x0364;rper. Es i&#x017F;t ihr er&#x017F;tes Paar unter allen am<lb/>
mei&#x017F;ten befe&#x017F;tiget <note place="foot" n="(c)"><cb/>
Vorhergeh. §. 4.</note>, und nach die&#x017F;em la&#x0364;&#x017F;t &#x017F;ich eine jede<lb/>
Ribbe, je niedriger &#x017F;ie liegt, de&#x017F;to leichter bewegen <note place="foot" n="(d)">Vorhergeh. §. 4.</note>,<lb/>
bis die unter&#x017F;te ganz und gar und am mei&#x017F;ten beweg-<lb/>
lich i&#x017F;t.</p><lb/>
            <p>Wenn nun Fa&#x0364;den, nach welcher Richtung man<lb/>
will, zwi&#x017F;chen der obern unbeweglichen Ribbe, und zwi-<lb/>
&#x017F;chen der na&#x0364;ch&#x017F;ten beweglichen, gezogen werden, &#x017F;o i&#x017F;t<lb/>
nicht zu zweifeln, daß &#x017F;ich nicht die bewegliche Ribbe zu<lb/>
der unbewegten hinbegeben werde. Wenn ihre Richtung<lb/>
von der Art i&#x017F;t, daß ein Muskel unten und na&#x0364;her an<lb/>
dem Mittelpunkte der Bewegung fe&#x017F;ter an&#x017F;chließt, &#x017F;o<lb/>
wird &#x017F;eine Wirk&#x017F;amkeit aus die&#x017F;em Grunde ge&#x017F;chwa&#x0364;cht,<lb/>
doch aber nicht umgekehrt werden, und &#x017F;ie wird ge-<lb/>
&#x017F;chwa&#x0364;cht nach Proportion, daß der Mittelpunkt der Be-<lb/>
wegung vom untern Ende des Muskels weniger ent-<lb/>
fernt i&#x017F;t.</p><lb/>
            <p>Wenn die obere Ribbe nicht ganz und gar unbeweg-<lb/>
lich i&#x017F;t, doch aber viel fe&#x017F;ter, als eine untere, in ihrem<lb/>
Lager &#x017F;izzt, &#x017F;o wird man bei Be&#x017F;timmung der Bewegung<lb/>
des Muskels, die Frage aufwerfen mu&#x0364;&#x017F;&#x017F;en, welche Kraft<lb/>
gro&#x0364;&#x017F;&#x017F;er &#x017F;ey, die Kraft der na&#x0364;hern Weite vom Ruhe-<lb/>
punkte des Hebels, oder gegentheils die Kraft der gro&#x0364;&#x017F;-<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">&#x017F;ern</fw><lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[63/0069] I. Abſchnitt. Die Bruſt. lich alle Ribben gleich frei und gleich feſte ſind, ſo kann man nicht laͤugnen, daß die Meinung dieſes beruͤhmten Mannes wahr ſey, wie ich laͤngſtens, und uͤberhaupt ſo oſt zugegeben habe (a). Und dieſen Fehler hatte eben die kleine Maſchine, der ſich dieſer vortrefliche Mann bediente, und da ihre beide Ribben gleich feſte waren, ſo muſten die nach dem Zuge der innern Zwiſchenribben- muskel wirkende Faͤden, die obere Ribbe herabziehen (b). Doch dergleichen Ribben gibt es nicht am menſchli- chen Koͤrper. Es iſt ihr erſtes Paar unter allen am meiſten befeſtiget (c), und nach dieſem laͤſt ſich eine jede Ribbe, je niedriger ſie liegt, deſto leichter bewegen (d), bis die unterſte ganz und gar und am meiſten beweg- lich iſt. Wenn nun Faͤden, nach welcher Richtung man will, zwiſchen der obern unbeweglichen Ribbe, und zwi- ſchen der naͤchſten beweglichen, gezogen werden, ſo iſt nicht zu zweifeln, daß ſich nicht die bewegliche Ribbe zu der unbewegten hinbegeben werde. Wenn ihre Richtung von der Art iſt, daß ein Muskel unten und naͤher an dem Mittelpunkte der Bewegung feſter anſchließt, ſo wird ſeine Wirkſamkeit aus dieſem Grunde geſchwaͤcht, doch aber nicht umgekehrt werden, und ſie wird ge- ſchwaͤcht nach Proportion, daß der Mittelpunkt der Be- wegung vom untern Ende des Muskels weniger ent- fernt iſt. Wenn die obere Ribbe nicht ganz und gar unbeweg- lich iſt, doch aber viel feſter, als eine untere, in ihrem Lager ſizzt, ſo wird man bei Beſtimmung der Bewegung des Muskels, die Frage aufwerfen muͤſſen, welche Kraft groͤſſer ſey, die Kraft der naͤhern Weite vom Ruhe- punkte des Hebels, oder gegentheils die Kraft der groͤſ- ſern (a) Praef. ad P. IV. de reſpirat. (b) De reſpirat. P. I. n. 22. (c) Vorhergeh. §. 4. (d) Vorhergeh. §. 4.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/haller_anfangsgruende03_1766
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/haller_anfangsgruende03_1766/69
Zitationshilfe: Haller, Albrecht von: Anfangsgründe der Phisiologie des menschlichen Körpers. Bd. 3. Berlin, 1766, S. 63. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/haller_anfangsgruende03_1766/69>, abgerufen am 04.12.2024.