daß in dergleichen Krankheiten eine wunderbare Ausar- tung vorgeht, und daß man die Empfindung derienigen Nerven, welche in dem aufliegenden Zellgewebe liegen, oder das Gefühl derienigen Nerven, welche etwa zum Marke gehen, dem Knochen selbst zugeschrieben habe.
§. 4. Auch die Sehnen sind ohne Empfindung.
Es sind zwar die Sehnen lange so hart nicht, als die Knochen, kommen diesen aber doch an Stärke, wo- mit sie der Verletzung die Spitze zu bieten suchen, am nächsten. Man hat häufige Fragen aufgeworfen, ob verletzte Sehnen Schmerzen, und also ein Gefühl haben, und ich muß daher diese Frage um desto genauer beant- worten. Da Galenus den Ausdruck gebrauchte, daß der Nerve einen Theil von der Sehne ausmache, und da ferner die Nachbarschaft und Aehnlichkeit der Nerven und Sehnen dieienigen Zufälle leicht auf die Sehnen zu bringen vermögend ist, welche sich nach den Nervenwun- den äussern, so kam es daher, daß man die Sehnen durch die gemeinschaftliche Einstimmung aller Aerzte un- ter die scharfempfindenden Theile des belebten Körpers rechnete, und ihre Wunden unter den allergefährlichsten mit aufführte, daher die Wundärzte von verletzten Seh- nen nichts als Schmerzen, Krämpfe und den Tod zu erwarten pflegen [Spaltenumbruch]u.
Doch es hat auch nicht an andern Wundärzten ge- fehlet, welche die Natur mit Fleiß zu Rathe zogen, wenn sich diese den Schulen und ihrem Ausspruche widersetzt. Es hat vor längst Hermann van der Heyde die Erin-
nerung
uBoerhaave morb. nerv. p. 71. 268. 306. Heister instit. chirurg. p. 423. Garengeot oper. de chi- rurg. T. 3. c. 7. G. v. Swieten Comm. T. 1. n. 163. p. 238. de la Sourdiere, [Spaltenumbruch]
weil nämlich die Fasern hier ge- drengter und desto empfindlicher sind, derowegen müsse man nicht die Sehnen heften, und andere.
Das Gehirn und die Nerven. X. Buch.
daß in dergleichen Krankheiten eine wunderbare Ausar- tung vorgeht, und daß man die Empfindung derienigen Nerven, welche in dem aufliegenden Zellgewebe liegen, oder das Gefuͤhl derienigen Nerven, welche etwa zum Marke gehen, dem Knochen ſelbſt zugeſchrieben habe.
§. 4. Auch die Sehnen ſind ohne Empfindung.
Es ſind zwar die Sehnen lange ſo hart nicht, als die Knochen, kommen dieſen aber doch an Staͤrke, wo- mit ſie der Verletzung die Spitze zu bieten ſuchen, am naͤchſten. Man hat haͤufige Fragen aufgeworfen, ob verletzte Sehnen Schmerzen, und alſo ein Gefuͤhl haben, und ich muß daher dieſe Frage um deſto genauer beant- worten. Da Galenus den Ausdruck gebrauchte, daß der Nerve einen Theil von der Sehne ausmache, und da ferner die Nachbarſchaft und Aehnlichkeit der Nerven und Sehnen dieienigen Zufaͤlle leicht auf die Sehnen zu bringen vermoͤgend iſt, welche ſich nach den Nervenwun- den aͤuſſern, ſo kam es daher, daß man die Sehnen durch die gemeinſchaftliche Einſtimmung aller Aerzte un- ter die ſcharfempfindenden Theile des belebten Koͤrpers rechnete, und ihre Wunden unter den allergefaͤhrlichſten mit auffuͤhrte, daher die Wundaͤrzte von verletzten Seh- nen nichts als Schmerzen, Kraͤmpfe und den Tod zu erwarten pflegen [Spaltenumbruch]u.
Doch es hat auch nicht an andern Wundaͤrzten ge- fehlet, welche die Natur mit Fleiß zu Rathe zogen, wenn ſich dieſe den Schulen und ihrem Ausſpruche widerſetzt. Es hat vor laͤngſt Hermann van der Heyde die Erin-
nerung
uBoerhaave morb. nerv. p. 71. 268. 306. Heiſter inſtit. chirurg. p. 423. Garengeot oper. de chi- rurg. T. 3. c. 7. G. v. Swieten Comm. T. 1. n. 163. p. 238. de la Sourdiere, [Spaltenumbruch]
weil naͤmlich die Faſern hier ge- drengter und deſto empfindlicher ſind, derowegen muͤſſe man nicht die Sehnen heften, und andere.
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Das Gehirn und die Nerven. X. Buch.
daß in dergleichen Krankheiten eine wunderbare Ausar-
tung vorgeht, und daß man die Empfindung derienigen
Nerven, welche in dem aufliegenden Zellgewebe liegen,
oder das Gefuͤhl derienigen Nerven, welche etwa zum
Marke gehen, dem Knochen ſelbſt zugeſchrieben habe.
§. 4.
Auch die Sehnen ſind ohne Empfindung.
Es ſind zwar die Sehnen lange ſo hart nicht, als
die Knochen, kommen dieſen aber doch an Staͤrke, wo-
mit ſie der Verletzung die Spitze zu bieten ſuchen, am
naͤchſten. Man hat haͤufige Fragen aufgeworfen, ob
verletzte Sehnen Schmerzen, und alſo ein Gefuͤhl haben,
und ich muß daher dieſe Frage um deſto genauer beant-
worten. Da Galenus den Ausdruck gebrauchte, daß
der Nerve einen Theil von der Sehne ausmache, und
da ferner die Nachbarſchaft und Aehnlichkeit der Nerven
und Sehnen dieienigen Zufaͤlle leicht auf die Sehnen zu
bringen vermoͤgend iſt, welche ſich nach den Nervenwun-
den aͤuſſern, ſo kam es daher, daß man die Sehnen
durch die gemeinſchaftliche Einſtimmung aller Aerzte un-
ter die ſcharfempfindenden Theile des belebten Koͤrpers
rechnete, und ihre Wunden unter den allergefaͤhrlichſten
mit auffuͤhrte, daher die Wundaͤrzte von verletzten Seh-
nen nichts als Schmerzen, Kraͤmpfe und den Tod zu
erwarten pflegen
u.
Doch es hat auch nicht an andern Wundaͤrzten ge-
fehlet, welche die Natur mit Fleiß zu Rathe zogen, wenn
ſich dieſe den Schulen und ihrem Ausſpruche widerſetzt.
Es hat vor laͤngſt Hermann van der Heyde die Erin-
nerung
u Boerhaave morb. nerv. p. 71.
268. 306. Heiſter inſtit. chirurg.
p. 423. Garengeot oper. de chi-
rurg. T. 3. c. 7. G. v. Swieten Comm.
T. 1. n. 163. p. 238. de la Sourdiere,
weil naͤmlich die Faſern hier ge-
drengter und deſto empfindlicher
ſind, derowegen muͤſſe man nicht
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Haller, Albrecht von: Anfangsgründe der Phisiologie des menschlichen Körpers. Bd. 4. Berlin, 1768, S. 428. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/haller_anfangsgruende04_1768/464>, abgerufen am 22.11.2024.
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