Eindrucke mehrmal hin und her beben, und ihre Schläge vervielfachen könnten.
Wir wissen aber, was elastische Körper eigentlich sind, und wir erkennen mit Zuverläßigkeit, daß das breiige Wesen des Gehirns, und der Nerven, dahin nicht gezogen werden kann. Man konnte in der That zu einer Schwingekraft kein ungereimteres Mittel, als einen Brei, erdenken, der den Eindruck vom Finger in sich neh- men, und die eingedruckte Strasse unverrückt behalten soll, die vom Eindrucke zerfließt, und nimmermehr ihre angeborne Figur wieder erlangen kann [Spaltenumbruch]g.
Es scheinen überhaupt die berümten Gegner, die Freiheit zu Empfinden, auf Misbrauch zu ziehen, wenn sie einem Nerven Kräfte beilegen, denen doch dessen gan- zes zuwider ist h. Es ist nämlich der ganze Nerve, ausser seinen Membranen und Gefässen, welche doch ge- wiß weder Empfindungen, noch Bewegungen machen kön- nen, weich i. Er ist auch eben so wenig gespannt [Spaltenumbruch]k, so erträglich man auch immer dieses Wort erklären mag, indem dasienige gespannt ist, welches, wenn es losge- lassen wird, kürzer wird. Wir haben aber gezeigt l, daß sich ein zerschnittener Nerve, vermöge einer Feder- kraft, so wenig zurücke zieht, daß vielmehr sein marki- ger Brei über der Wunde hervorragt. Ja es hat kein Nerve eine Reitzbarkeit m, und es läßt sich diese Schwingung durch keine Kunst bewerkstelligen, oder zum Vorschein bringen n.
Wenn die Nerven ferner, nach der Meinung unsrer Gegner, nicht nur empfinden, sondern auch thierische
Be-
g Keine Bebungen im Gehirne lehret, Lieutaud physiol. p. 252.
hp. 193 seq.
i Nerven sind weich, Vieussens tr. des liq. p. 214. Langrisch musc. mot. p. 62. I. Steph. Guettard. Ergo nervi canales, Paris. 1743.
kSchaarschmidt physiol. T. I. p. 869. Parsons of musc. mot. T. II. p. 49. Monroo on nerv. p. 351. et Cheseld. anat. p. 228.
lp. 193.
mp. 195.
nibid. Pagani et Bonioli p. 186.
N n 4
VIII. Abſchnitt. Die Muthmaſſungen.
Eindrucke mehrmal hin und her beben, und ihre Schlaͤge vervielfachen koͤnnten.
Wir wiſſen aber, was elaſtiſche Koͤrper eigentlich ſind, und wir erkennen mit Zuverlaͤßigkeit, daß das breiige Weſen des Gehirns, und der Nerven, dahin nicht gezogen werden kann. Man konnte in der That zu einer Schwingekraft kein ungereimteres Mittel, als einen Brei, erdenken, der den Eindruck vom Finger in ſich neh- men, und die eingedruckte Straſſe unverruͤckt behalten ſoll, die vom Eindrucke zerfließt, und nimmermehr ihre angeborne Figur wieder erlangen kann [Spaltenumbruch]g.
Es ſcheinen uͤberhaupt die beruͤmten Gegner, die Freiheit zu Empfinden, auf Misbrauch zu ziehen, wenn ſie einem Nerven Kraͤfte beilegen, denen doch deſſen gan- zes zuwider iſt h. Es iſt naͤmlich der ganze Nerve, auſſer ſeinen Membranen und Gefaͤſſen, welche doch ge- wiß weder Empfindungen, noch Bewegungen machen koͤn- nen, weich i. Er iſt auch eben ſo wenig geſpannt [Spaltenumbruch]k, ſo ertraͤglich man auch immer dieſes Wort erklaͤren mag, indem dasienige geſpannt iſt, welches, wenn es losge- laſſen wird, kuͤrzer wird. Wir haben aber gezeigt l, daß ſich ein zerſchnittener Nerve, vermoͤge einer Feder- kraft, ſo wenig zuruͤcke zieht, daß vielmehr ſein marki- ger Brei uͤber der Wunde hervorragt. Ja es hat kein Nerve eine Reitzbarkeit m, und es laͤßt ſich dieſe Schwingung durch keine Kunſt bewerkſtelligen, oder zum Vorſchein bringen n.
Wenn die Nerven ferner, nach der Meinung unſrer Gegner, nicht nur empfinden, ſondern auch thieriſche
Be-
g Keine Bebungen im Gehirne lehret, Lieutaud phyſiol. p. 252.
hp. 193 ſeq.
i Nerven ſind weich, Vieuſſens tr. des liq. p. 214. Langriſch muſc. mot. p. 62. I. Steph. Guettard. Ergo nervi canales, Pariſ. 1743.
kSchaarſchmidt phyſiol. T. I. p. 869. Parſons of muſc. mot. T. II. p. 49. Monroo on nerv. p. 351. et Cheſeld. anat. p. 228.
lp. 193.
mp. 195.
nibid. Pagani et Bonioli p. 186.
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VIII. Abſchnitt. Die Muthmaſſungen.
Eindrucke mehrmal hin und her beben, und ihre Schlaͤge
vervielfachen koͤnnten.
Wir wiſſen aber, was elaſtiſche Koͤrper eigentlich
ſind, und wir erkennen mit Zuverlaͤßigkeit, daß das
breiige Weſen des Gehirns, und der Nerven, dahin nicht
gezogen werden kann. Man konnte in der That zu einer
Schwingekraft kein ungereimteres Mittel, als einen
Brei, erdenken, der den Eindruck vom Finger in ſich neh-
men, und die eingedruckte Straſſe unverruͤckt behalten
ſoll, die vom Eindrucke zerfließt, und nimmermehr ihre
angeborne Figur wieder erlangen kann
g.
Es ſcheinen uͤberhaupt die beruͤmten Gegner, die
Freiheit zu Empfinden, auf Misbrauch zu ziehen, wenn
ſie einem Nerven Kraͤfte beilegen, denen doch deſſen gan-
zes zuwider iſt h. Es iſt naͤmlich der ganze Nerve,
auſſer ſeinen Membranen und Gefaͤſſen, welche doch ge-
wiß weder Empfindungen, noch Bewegungen machen koͤn-
nen, weich i. Er iſt auch eben ſo wenig geſpannt
k,
ſo ertraͤglich man auch immer dieſes Wort erklaͤren mag,
indem dasienige geſpannt iſt, welches, wenn es losge-
laſſen wird, kuͤrzer wird. Wir haben aber gezeigt l,
daß ſich ein zerſchnittener Nerve, vermoͤge einer Feder-
kraft, ſo wenig zuruͤcke zieht, daß vielmehr ſein marki-
ger Brei uͤber der Wunde hervorragt. Ja es hat kein
Nerve eine Reitzbarkeit m, und es laͤßt ſich dieſe
Schwingung durch keine Kunſt bewerkſtelligen, oder zum
Vorſchein bringen n.
Wenn die Nerven ferner, nach der Meinung unſrer
Gegner, nicht nur empfinden, ſondern auch thieriſche
Be-
g Keine Bebungen im Gehirne
lehret, Lieutaud phyſiol. p. 252.
h p. 193 ſeq.
i Nerven ſind weich, Vieuſſens
tr. des liq. p. 214. Langriſch muſc.
mot. p. 62. I. Steph. Guettard. Ergo
nervi canales, Pariſ. 1743.
k Schaarſchmidt phyſiol. T. I.
p. 869. Parſons of muſc. mot. T. II.
p. 49. Monroo on nerv. p. 351. et
Cheſeld. anat. p. 228.
l p. 193.
m p. 195.
n ibid. Pagani et Bonioli p. 186.
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Haller, Albrecht von: Anfangsgründe der Phisiologie des menschlichen Körpers. Bd. 4. Berlin, 1768, S. 567. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/haller_anfangsgruende04_1768/603>, abgerufen am 22.11.2024.
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