indem ich gar zu wohl weiß, daß Gefäße, welche einen unsichtbaren Saft enthalten, unsichtbar sind, und daß dergleichen unzählige kleine Gefässe in dem Fleische der Eingeweide, der Gebärmutter und andern iedermann bekannten Theilen des Körpers angetroffen werden, wel- che weder von einem Safte angefüllt sind, noch durch Vergrösserungsgläser sichtbar gemacht werden.
Hier gestehe ich, fehlet es freilich an einem völligen Beweise, und es verstattet uns nicht, die Nervenröhr- gen mit derienigen Zuverläßigkeit zu behaupten, mit welcher wir die rothen Schlagädergen erweisen können. Allein man hat darum noch nicht gezeigt, daß es keine geben könne.
§. 7. Ob ein gebundner Nerve nicht aufschwelle.
Es ist dieser Grund mit dem vorhergehenden ver- bunden. Es sagen berümte Männer, daß Nerven, nach der Meinung der Geisterfreunde, hohle Röhren sind, durch welche eine iede Feuchtigkeit vom Gehirne bis zu den letzten Theilen hinfließt. Wenn man also diese Strasse durch Zwirn sperret, und zwar an einem lebendigen Thiere, so müsse nach der Hipotese geschehen, daß der Nerve über dem Bande, und näher gegen das Ge- hirn zu, aufschwelle [Spaltenumbruch]z. Nun erfolge dieses nicht in ihren Versuchen, folglich bestünden die Nerven nicht aus Röhren, welche einige Feuchtigkeit vom Gehirne führen könnten.
Jch werde mich hier wieder nicht des gegenseitigen Beweises bedienen, indem ich die Freiheit hätte, die Geg- ner zu erinnern, daß sie in der That geirrt hätten, und daß ein gebundener Nerve, nach dem Zeugnisse der vor-
treflich-
zWalaeus apud Barthol. p. 781. Glisson de hepate p. 419. Cheyne [Spaltenumbruch]
of the gout. p. 91. Bertier p. 70. Brinius n. 39. seqq.
Das Gehirn und die Nerven. X. Buch.
indem ich gar zu wohl weiß, daß Gefaͤße, welche einen unſichtbaren Saft enthalten, unſichtbar ſind, und daß dergleichen unzaͤhlige kleine Gefaͤſſe in dem Fleiſche der Eingeweide, der Gebaͤrmutter und andern iedermann bekannten Theilen des Koͤrpers angetroffen werden, wel- che weder von einem Safte angefuͤllt ſind, noch durch Vergroͤſſerungsglaͤſer ſichtbar gemacht werden.
Hier geſtehe ich, fehlet es freilich an einem voͤlligen Beweiſe, und es verſtattet uns nicht, die Nervenroͤhr- gen mit derienigen Zuverlaͤßigkeit zu behaupten, mit welcher wir die rothen Schlagaͤdergen erweiſen koͤnnen. Allein man hat darum noch nicht gezeigt, daß es keine geben koͤnne.
§. 7. Ob ein gebundner Nerve nicht aufſchwelle.
Es iſt dieſer Grund mit dem vorhergehenden ver- bunden. Es ſagen beruͤmte Maͤnner, daß Nerven, nach der Meinung der Geiſterfreunde, hohle Roͤhren ſind, durch welche eine iede Feuchtigkeit vom Gehirne bis zu den letzten Theilen hinfließt. Wenn man alſo dieſe Straſſe durch Zwirn ſperret, und zwar an einem lebendigen Thiere, ſo muͤſſe nach der Hipoteſe geſchehen, daß der Nerve uͤber dem Bande, und naͤher gegen das Ge- hirn zu, aufſchwelle [Spaltenumbruch]z. Nun erfolge dieſes nicht in ihren Verſuchen, folglich beſtuͤnden die Nerven nicht aus Roͤhren, welche einige Feuchtigkeit vom Gehirne fuͤhren koͤnnten.
Jch werde mich hier wieder nicht des gegenſeitigen Beweiſes bedienen, indem ich die Freiheit haͤtte, die Geg- ner zu erinnern, daß ſie in der That geirrt haͤtten, und daß ein gebundener Nerve, nach dem Zeugniſſe der vor-
treflich-
zWalaeus apud Barthol. p. 781. Gliſſon de hepate p. 419. Cheyne [Spaltenumbruch]
of the gout. p. 91. Bertier p. 70. Brinius n. 39. ſeqq.
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Das Gehirn und die Nerven. X. Buch.
indem ich gar zu wohl weiß, daß Gefaͤße, welche einen
unſichtbaren Saft enthalten, unſichtbar ſind, und daß
dergleichen unzaͤhlige kleine Gefaͤſſe in dem Fleiſche der
Eingeweide, der Gebaͤrmutter und andern iedermann
bekannten Theilen des Koͤrpers angetroffen werden, wel-
che weder von einem Safte angefuͤllt ſind, noch durch
Vergroͤſſerungsglaͤſer ſichtbar gemacht werden.
Hier geſtehe ich, fehlet es freilich an einem voͤlligen
Beweiſe, und es verſtattet uns nicht, die Nervenroͤhr-
gen mit derienigen Zuverlaͤßigkeit zu behaupten, mit
welcher wir die rothen Schlagaͤdergen erweiſen koͤnnen.
Allein man hat darum noch nicht gezeigt, daß es keine
geben koͤnne.
§. 7.
Ob ein gebundner Nerve nicht aufſchwelle.
Es iſt dieſer Grund mit dem vorhergehenden ver-
bunden. Es ſagen beruͤmte Maͤnner, daß Nerven,
nach der Meinung der Geiſterfreunde, hohle Roͤhren
ſind, durch welche eine iede Feuchtigkeit vom Gehirne
bis zu den letzten Theilen hinfließt. Wenn man alſo
dieſe Straſſe durch Zwirn ſperret, und zwar an einem
lebendigen Thiere, ſo muͤſſe nach der Hipoteſe geſchehen,
daß der Nerve uͤber dem Bande, und naͤher gegen das Ge-
hirn zu, aufſchwelle
z. Nun erfolge dieſes nicht in
ihren Verſuchen, folglich beſtuͤnden die Nerven nicht aus
Roͤhren, welche einige Feuchtigkeit vom Gehirne fuͤhren
koͤnnten.
Jch werde mich hier wieder nicht des gegenſeitigen
Beweiſes bedienen, indem ich die Freiheit haͤtte, die Geg-
ner zu erinnern, daß ſie in der That geirrt haͤtten, und
daß ein gebundener Nerve, nach dem Zeugniſſe der vor-
treflich-
z Walaeus apud Barthol. p. 781.
Gliſſon de hepate p. 419. Cheyne
of the gout. p. 91. Bertier p. 70.
Brinius n. 39. ſeqq.
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Haller, Albrecht von: Anfangsgründe der Phisiologie des menschlichen Körpers. Bd. 4. Berlin, 1768, S. 576. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/haller_anfangsgruende04_1768/612>, abgerufen am 22.11.2024.
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