nerven, welche in das breiartige Wesen der Finger lau- fen, auch zugleich die Muskeln der Finger in Bewegung setzen. So geht der fünfte Nerve in die Geschmack- wärzchen, allein er vertheilt sich auch in eine ziemliche Menge Muskeln.
Was die Erscheinungen betrift, so scheinet die Aus- legung derselben keine Sache von der grösten Schwie- rigkeit zu sein. Es hört die Bewegung der Muskeln zu allererst auf, indem hierzu eine viel grössere Lebhaf- tigkeit erfordert wird, und man selbige mit viel grösserer Gewalt verrichten muß [Spaltenumbruch]p+, als die sanfte und gelinde Empfindung erfordert. So zernichtet der Frost die Em- pfindung an dem Finger, und wenn er stärker wird, so hemmt der Frost auch die Bewegung desselben. Folg- lich verlieren die gelähmte Personen gemeiniglich die Be- wegung, und behalten dennoch die Empfindung übrig. Wäre aber auch ein fühllos gewordenes Glied, ohne Ge- fühl, so wäre das Uebel noch grösser, und die Vollkom- menheit der Nerven in so weit zerstört, daß solche nicht einmal, die Empfindung zu unterhalten, hinreichten. Wenn ia wirklich Gliedmassen unempfindlich gewesen, und doch die Beweglichkeit übrig behalten haben, so glaube ich, daß der Fehler in der Haut gesteckt, und es kann also die zu sehr verhärtete, oder narbige Oberhaut Schuld daran gewesen sein; oder es haben sich auch die äussersten Nervenzweige, welche in das breiige Wesen der Finger laufen, verhärten können, indessen daß der Nervenstamm in seinem vollkommen Zustande geblieben, und also die Bewegung hervorgebracht hat. An den Gliedmaßen, die vom kalten Brande angegriffen worden, hat man entweder das Gefühl r, nicht an der verdorb- nen Stelle, sondern an dem Nerven, der über solcher
Stelle
q) Auch in den Wechselfiebern. Auch ein Clistir hemmt die Ope- [Spaltenumbruch]
ration, Senac. de febr. interm. p. 31.
p+p. 299.
rPare L. XI. c. 17.
Das Gehirn und die Nerven. X. Buch.
nerven, welche in das breiartige Weſen der Finger lau- fen, auch zugleich die Muskeln der Finger in Bewegung ſetzen. So geht der fuͤnfte Nerve in die Geſchmack- waͤrzchen, allein er vertheilt ſich auch in eine ziemliche Menge Muskeln.
Was die Erſcheinungen betrift, ſo ſcheinet die Aus- legung derſelben keine Sache von der groͤſten Schwie- rigkeit zu ſein. Es hoͤrt die Bewegung der Muskeln zu allererſt auf, indem hierzu eine viel groͤſſere Lebhaf- tigkeit erfordert wird, und man ſelbige mit viel groͤſſerer Gewalt verrichten muß [Spaltenumbruch]p†, als die ſanfte und gelinde Empfindung erfordert. So zernichtet der Froſt die Em- pfindung an dem Finger, und wenn er ſtaͤrker wird, ſo hemmt der Froſt auch die Bewegung deſſelben. Folg- lich verlieren die gelaͤhmte Perſonen gemeiniglich die Be- wegung, und behalten dennoch die Empfindung uͤbrig. Waͤre aber auch ein fuͤhllos gewordenes Glied, ohne Ge- fuͤhl, ſo waͤre das Uebel noch groͤſſer, und die Vollkom- menheit der Nerven in ſo weit zerſtoͤrt, daß ſolche nicht einmal, die Empfindung zu unterhalten, hinreichten. Wenn ia wirklich Gliedmaſſen unempfindlich geweſen, und doch die Beweglichkeit uͤbrig behalten haben, ſo glaube ich, daß der Fehler in der Haut geſteckt, und es kann alſo die zu ſehr verhaͤrtete, oder narbige Oberhaut Schuld daran geweſen ſein; oder es haben ſich auch die aͤuſſerſten Nervenzweige, welche in das breiige Weſen der Finger laufen, verhaͤrten koͤnnen, indeſſen daß der Nervenſtamm in ſeinem vollkommen Zuſtande geblieben, und alſo die Bewegung hervorgebracht hat. An den Gliedmaßen, die vom kalten Brande angegriffen worden, hat man entweder das Gefuͤhl r, nicht an der verdorb- nen Stelle, ſondern an dem Nerven, der uͤber ſolcher
Stelle
q) Auch in den Wechſelfiebern. Auch ein Cliſtir hemmt die Ope- [Spaltenumbruch]
ration, Senac. de febr. interm. p. 31.
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rPare L. XI. c. 17.
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Das Gehirn und die Nerven. X. Buch.
nerven, welche in das breiartige Weſen der Finger lau-
fen, auch zugleich die Muskeln der Finger in Bewegung
ſetzen. So geht der fuͤnfte Nerve in die Geſchmack-
waͤrzchen, allein er vertheilt ſich auch in eine ziemliche
Menge Muskeln.
Was die Erſcheinungen betrift, ſo ſcheinet die Aus-
legung derſelben keine Sache von der groͤſten Schwie-
rigkeit zu ſein. Es hoͤrt die Bewegung der Muskeln
zu allererſt auf, indem hierzu eine viel groͤſſere Lebhaf-
tigkeit erfordert wird, und man ſelbige mit viel groͤſſerer
Gewalt verrichten muß
p†, als die ſanfte und gelinde
Empfindung erfordert. So zernichtet der Froſt die Em-
pfindung an dem Finger, und wenn er ſtaͤrker wird, ſo
hemmt der Froſt auch die Bewegung deſſelben. Folg-
lich verlieren die gelaͤhmte Perſonen gemeiniglich die Be-
wegung, und behalten dennoch die Empfindung uͤbrig.
Waͤre aber auch ein fuͤhllos gewordenes Glied, ohne Ge-
fuͤhl, ſo waͤre das Uebel noch groͤſſer, und die Vollkom-
menheit der Nerven in ſo weit zerſtoͤrt, daß ſolche nicht
einmal, die Empfindung zu unterhalten, hinreichten.
Wenn ia wirklich Gliedmaſſen unempfindlich geweſen,
und doch die Beweglichkeit uͤbrig behalten haben, ſo
glaube ich, daß der Fehler in der Haut geſteckt, und es
kann alſo die zu ſehr verhaͤrtete, oder narbige Oberhaut
Schuld daran geweſen ſein; oder es haben ſich auch die
aͤuſſerſten Nervenzweige, welche in das breiige Weſen
der Finger laufen, verhaͤrten koͤnnen, indeſſen daß der
Nervenſtamm in ſeinem vollkommen Zuſtande geblieben,
und alſo die Bewegung hervorgebracht hat. An den
Gliedmaßen, die vom kalten Brande angegriffen worden,
hat man entweder das Gefuͤhl r, nicht an der verdorb-
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ration, Senac. de febr. interm.
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Haller, Albrecht von: Anfangsgründe der Phisiologie des menschlichen Körpers. Bd. 4. Berlin, 1768, S. 616. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/haller_anfangsgruende04_1768/652>, abgerufen am 21.11.2024.
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