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Haller, Albrecht von: Anfangsgründe der Phisiologie des menschlichen Körpers. Bd. 5. Berlin, 1772.

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II. Abschnitt. Der Wille.
suchen (a); es würde aber daraus eine andre Unruhe, als
die Neugierde erfolgen. Denn man siehet häufig unru-
hige Menschen, die aber deswegen von keiner wirklichen
Neugierde angetrieben werden.

Die dritte ist der Trieb zur Ehre, und dieser ist dem
Menschen wiederum eigen, und findet in der körperlichen
Wollust keine Nahrung. Sich also unter seines gleichen
hervorzuthun, unter den Europäern, und unter den
Nachkommen, ist eine Begierde, wodurch Gott selbst die
Menschen ermuntert, die schwere Aemter des bürgerlichen
Lebens zu verwalten. Und da die Talente überhaupt ver-
schieden sind, wodurch sich Menschen hervorthun, so be-
geistert eben dieser Jnstinkt Leute, sich auf gelehrte Wis-
senschaften zu legen, das Vaterland im Kriege zu verthei-
digen, alle Arten von Künsten zu treiben, und überhaupt
alle Tugenden eines bürgerlichen Lebens auszuüben.

Alle diese Reizze vereinigen sich endlich in dem einzigen,
nämlich in dem Verlangen nach unsrer Wohlfahrt, oder
in der Eigenliebe, welches der Endzwekk aller unsrer Em-
pfindungen, und der Quell aller unsrer Handlungen
ist (b).

§. 4
Die Affekten.

Gut sind demnach, die körperliche Wollust (c) im
Körper. Denn man empfindet das Gute der Gesundheit
nicht ehe, als bis man Krankheiten ausgestanden, und
was die Seele betrift, die Hoffnung eines künftigen Gu-
ten, die Ehre, und die Erlangung neuer Jdeen; so wie
das Gegentheil davon Uebel heist, nämlich Verzweiflung
an den begehrten Gütern, Schaam über böse Thaten,
und das gröste unter allen Uebeln, welches nur die Deut-
schen mit Recht lange Weile nennen, und dieses ist eine

Ab-
(a) [Spaltenumbruch] Conf. BONNET p. 107.
(b) BONNET p. 253.
(c) [Spaltenumbruch] IDEM p. 301.

II. Abſchnitt. Der Wille.
ſuchen (a); es wuͤrde aber daraus eine andre Unruhe, als
die Neugierde erfolgen. Denn man ſiehet haͤufig unru-
hige Menſchen, die aber deswegen von keiner wirklichen
Neugierde angetrieben werden.

Die dritte iſt der Trieb zur Ehre, und dieſer iſt dem
Menſchen wiederum eigen, und findet in der koͤrperlichen
Wolluſt keine Nahrung. Sich alſo unter ſeines gleichen
hervorzuthun, unter den Europaͤern, und unter den
Nachkommen, iſt eine Begierde, wodurch Gott ſelbſt die
Menſchen ermuntert, die ſchwere Aemter des buͤrgerlichen
Lebens zu verwalten. Und da die Talente uͤberhaupt ver-
ſchieden ſind, wodurch ſich Menſchen hervorthun, ſo be-
geiſtert eben dieſer Jnſtinkt Leute, ſich auf gelehrte Wiſ-
ſenſchaften zu legen, das Vaterland im Kriege zu verthei-
digen, alle Arten von Kuͤnſten zu treiben, und uͤberhaupt
alle Tugenden eines buͤrgerlichen Lebens auszuuͤben.

Alle dieſe Reizze vereinigen ſich endlich in dem einzigen,
naͤmlich in dem Verlangen nach unſrer Wohlfahrt, oder
in der Eigenliebe, welches der Endzwekk aller unſrer Em-
pfindungen, und der Quell aller unſrer Handlungen
iſt (b).

§. 4
Die Affekten.

Gut ſind demnach, die koͤrperliche Wolluſt (c) im
Koͤrper. Denn man empfindet das Gute der Geſundheit
nicht ehe, als bis man Krankheiten ausgeſtanden, und
was die Seele betrift, die Hoffnung eines kuͤnftigen Gu-
ten, die Ehre, und die Erlangung neuer Jdeen; ſo wie
das Gegentheil davon Uebel heiſt, naͤmlich Verzweiflung
an den begehrten Guͤtern, Schaam uͤber boͤſe Thaten,
und das groͤſte unter allen Uebeln, welches nur die Deut-
ſchen mit Recht lange Weile nennen, und dieſes iſt eine

Ab-
(a) [Spaltenumbruch] Conf. BONNET p. 107.
(b) BONNET p. 253.
(c) [Spaltenumbruch] IDEM p. 301.
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[1117/1135] II. Abſchnitt. Der Wille. ſuchen (a); es wuͤrde aber daraus eine andre Unruhe, als die Neugierde erfolgen. Denn man ſiehet haͤufig unru- hige Menſchen, die aber deswegen von keiner wirklichen Neugierde angetrieben werden. Die dritte iſt der Trieb zur Ehre, und dieſer iſt dem Menſchen wiederum eigen, und findet in der koͤrperlichen Wolluſt keine Nahrung. Sich alſo unter ſeines gleichen hervorzuthun, unter den Europaͤern, und unter den Nachkommen, iſt eine Begierde, wodurch Gott ſelbſt die Menſchen ermuntert, die ſchwere Aemter des buͤrgerlichen Lebens zu verwalten. Und da die Talente uͤberhaupt ver- ſchieden ſind, wodurch ſich Menſchen hervorthun, ſo be- geiſtert eben dieſer Jnſtinkt Leute, ſich auf gelehrte Wiſ- ſenſchaften zu legen, das Vaterland im Kriege zu verthei- digen, alle Arten von Kuͤnſten zu treiben, und uͤberhaupt alle Tugenden eines buͤrgerlichen Lebens auszuuͤben. Alle dieſe Reizze vereinigen ſich endlich in dem einzigen, naͤmlich in dem Verlangen nach unſrer Wohlfahrt, oder in der Eigenliebe, welches der Endzwekk aller unſrer Em- pfindungen, und der Quell aller unſrer Handlungen iſt (b). §. 4 Die Affekten. Gut ſind demnach, die koͤrperliche Wolluſt (c) im Koͤrper. Denn man empfindet das Gute der Geſundheit nicht ehe, als bis man Krankheiten ausgeſtanden, und was die Seele betrift, die Hoffnung eines kuͤnftigen Gu- ten, die Ehre, und die Erlangung neuer Jdeen; ſo wie das Gegentheil davon Uebel heiſt, naͤmlich Verzweiflung an den begehrten Guͤtern, Schaam uͤber boͤſe Thaten, und das groͤſte unter allen Uebeln, welches nur die Deut- ſchen mit Recht lange Weile nennen, und dieſes iſt eine Ab- (a) Conf. BONNET p. 107. (b) BONNET p. 253. (c) IDEM p. 301.

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Zitationshilfe: Haller, Albrecht von: Anfangsgründe der Phisiologie des menschlichen Körpers. Bd. 5. Berlin, 1772, S. 1117. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/haller_anfangsgruende05_1772/1135>, abgerufen am 23.11.2024.