die ausdehnende Kraft, das Bestreben des Gewichtes, und dem Widerstand des Blutes, Wasser des Harns, der Luft und des Kotes überwältigen. Den Ribbenmus- keln widersezzt sich selbst die elastische Kraft der Ribben. Und so widersteht die Schwere des Kopfes und der übri- gen Gliedmaßen den Hebemuskeln und den Ausdehnern.
Dennoch haben die meisten Muskeln andre Muskeln, welche gegenseitig wirken, und mit denen sie ihre Gewalt abwägen. Den Ausstrekkenden stehen andre gegenseitige Beuger, den Aufhebern stehen die niederziehenden; den Schliesmuskeln stehen die erweiternden, den rükkwerts zie- henden die vorwärts ziehende, und so stehen sich die Ge- genmuskeln in verschiednem Verstande einander entgegen. Wir nennen aber überhaupt diejenigen Beugemuskeln, welche machen, daß zween Knochen, an denen sie feste sind, in der Gegend des wirkenden Muskels, einen Winkel machen. Dagegen strekken die Ausdehner zween zusammengefügte Knochen in eine gerade, und in eins fortgehende Linie aus.
Die Natur hat die Kräfte dieser Muskeln dergestalt abgewogen, daß alle Vergliederungen in einem gewissen und merentheils mittelmäßigen Grade ruhen, wenn keine Kraft von den Nerven in sie wirkt, wie man deutlich an schlafenden Thieren gewar wird. Dieses hat die Natur dadurch erhalten, daß sie die Beuger merenteils etwas stärker, als die Ausstrekker gemacht hat (y). So sind am Ellbogen die Beuger stärker, als die Ausstrekker, wel- ches auch an der Hand, den Fingern, am Fusse, und dessen Zeen zu bemerken ist.
Doch gibt es Fälle, wo das Gewicht eines zu tra- genden Theiles, wenn sich solches gegen die Beugetheile zuneigt, stärkere Ausdehner, als am Kopfe, Nakken und Rükken erforderte. So erforderte auch die Stärke des
Ste-
(y)pag. 447.
Thieriſche Bewegung. XI. Buch.
die ausdehnende Kraft, das Beſtreben des Gewichtes, und dem Widerſtand des Blutes, Waſſer des Harns, der Luft und des Kotes uͤberwaͤltigen. Den Ribbenmuſ- keln widerſezzt ſich ſelbſt die elaſtiſche Kraft der Ribben. Und ſo widerſteht die Schwere des Kopfes und der uͤbri- gen Gliedmaßen den Hebemuſkeln und den Ausdehnern.
Dennoch haben die meiſten Muſkeln andre Muſkeln, welche gegenſeitig wirken, und mit denen ſie ihre Gewalt abwaͤgen. Den Ausſtrekkenden ſtehen andre gegenſeitige Beuger, den Aufhebern ſtehen die niederziehenden; den Schliesmuſkeln ſtehen die erweiternden, den ruͤkkwerts zie- henden die vorwaͤrts ziehende, und ſo ſtehen ſich die Ge- genmuſkeln in verſchiednem Verſtande einander entgegen. Wir nennen aber uͤberhaupt diejenigen Beugemuſkeln, welche machen, daß zween Knochen, an denen ſie feſte ſind, in der Gegend des wirkenden Muſkels, einen Winkel machen. Dagegen ſtrekken die Ausdehner zween zuſammengefuͤgte Knochen in eine gerade, und in eins fortgehende Linie aus.
Die Natur hat die Kraͤfte dieſer Muſkeln dergeſtalt abgewogen, daß alle Vergliederungen in einem gewiſſen und merentheils mittelmaͤßigen Grade ruhen, wenn keine Kraft von den Nerven in ſie wirkt, wie man deutlich an ſchlafenden Thieren gewar wird. Dieſes hat die Natur dadurch erhalten, daß ſie die Beuger merenteils etwas ſtaͤrker, als die Ausſtrekker gemacht hat (y). So ſind am Ellbogen die Beuger ſtaͤrker, als die Ausſtrekker, wel- ches auch an der Hand, den Fingern, am Fuſſe, und deſſen Zeen zu bemerken iſt.
Doch gibt es Faͤlle, wo das Gewicht eines zu tra- genden Theiles, wenn ſich ſolches gegen die Beugetheile zuneigt, ſtaͤrkere Ausdehner, als am Kopfe, Nakken und Ruͤkken erforderte. So erforderte auch die Staͤrke des
Ste-
(y)pag. 447.
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Thieriſche Bewegung. XI. Buch.
die ausdehnende Kraft, das Beſtreben des Gewichtes,
und dem Widerſtand des Blutes, Waſſer des Harns,
der Luft und des Kotes uͤberwaͤltigen. Den Ribbenmuſ-
keln widerſezzt ſich ſelbſt die elaſtiſche Kraft der Ribben.
Und ſo widerſteht die Schwere des Kopfes und der uͤbri-
gen Gliedmaßen den Hebemuſkeln und den Ausdehnern.
Dennoch haben die meiſten Muſkeln andre Muſkeln,
welche gegenſeitig wirken, und mit denen ſie ihre Gewalt
abwaͤgen. Den Ausſtrekkenden ſtehen andre gegenſeitige
Beuger, den Aufhebern ſtehen die niederziehenden; den
Schliesmuſkeln ſtehen die erweiternden, den ruͤkkwerts zie-
henden die vorwaͤrts ziehende, und ſo ſtehen ſich die Ge-
genmuſkeln in verſchiednem Verſtande einander entgegen.
Wir nennen aber uͤberhaupt diejenigen Beugemuſkeln,
welche machen, daß zween Knochen, an denen ſie feſte
ſind, in der Gegend des wirkenden Muſkels, einen
Winkel machen. Dagegen ſtrekken die Ausdehner zween
zuſammengefuͤgte Knochen in eine gerade, und in eins
fortgehende Linie aus.
Die Natur hat die Kraͤfte dieſer Muſkeln dergeſtalt
abgewogen, daß alle Vergliederungen in einem gewiſſen
und merentheils mittelmaͤßigen Grade ruhen, wenn keine
Kraft von den Nerven in ſie wirkt, wie man deutlich an
ſchlafenden Thieren gewar wird. Dieſes hat die Natur
dadurch erhalten, daß ſie die Beuger merenteils etwas
ſtaͤrker, als die Ausſtrekker gemacht hat (y). So ſind
am Ellbogen die Beuger ſtaͤrker, als die Ausſtrekker, wel-
ches auch an der Hand, den Fingern, am Fuſſe, und
deſſen Zeen zu bemerken iſt.
Doch gibt es Faͤlle, wo das Gewicht eines zu tra-
genden Theiles, wenn ſich ſolches gegen die Beugetheile
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Haller, Albrecht von: Anfangsgründe der Phisiologie des menschlichen Körpers. Bd. 5. Berlin, 1772, S. 108. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/haller_anfangsgruende05_1772/126>, abgerufen am 21.11.2024.
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