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Haller, Albrecht von: Anfangsgründe der Phisiologie des menschlichen Körpers. Bd. 5. Berlin, 1772.

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Thierische Bewegung. XI. Buch.
Es haben andere gezeigt, wie verkert (h) die meresten
Bewegungen in Krankheiten geschehen, die man, aus
Liebe zu seiner Partei, der Seele zugeschrieben. Die
Aerzte sehen sich gezwungen, die heftige Wallungen des
Herzens, so viel an ihnen ist, durch ein Aderlassen, und
durch Laxirmittel, so wie die Krämpfe, welches allemal
vergebliche Reize sind, mit eben diesen Mitteln, und mit
Opium zu stillen.

Es entstehen einige mitleidende Bewegungen von der
Gegenwart des Reizes in dem Werkzeuge, und andre
hingegen von dem Dasein des Reizes im Gehirne. Von
dieser Art hat man ein Exempel an der Nierenkolik, wenn
bei Gelegenheit, da ein Reiz im Harngange feste stekkt,
ein Erbrechen erfolgt. Hier geschicht eben das, welches
sonst bei den grössern Nervenreizen vorkömmt, nämlich
ein Krampf (i), welcher sich von dem besondern Nerven
in die benachbarte und damit verbundene, ja endlich in
alle übrige Nerven fortpflanzt, wenn der Krampf recht
heftig wird. Hierzu kann der Wille gar nichts beitragen,
sondern es verrichtet solches blos der notwendige Zusam-
menhang der Nerven mit dem gereizten Nerven.

Jn andern Exempeln, als im Erbrechen, welches
von einer ekelhaften Sache herrührt, oder wenn man bei
widrigen Arzneimitteln genötigt wird, zu Stule zu gehen,
gehorcht der menschliche Körper dem Gesezze der Einbil-
dungskraft (k), und er verhält sich hier nicht anders,
als wenn uns bei der Erneurung eines Schmerzens die
Trähnen in die Augen treten. Hierinnen treffen wir keine

ein-
(h) [Spaltenumbruch] BERGER de natur. morb.
medic. pag. 47. BARKER loc.
cit.
dieses gestehen aber die STAH-
LIANI,
und einige derselben schrei-
ben es der Seele zu, die durch den
Fall Adams verderbt worden. Man
vergleiche PERRAULT du tou-
cher pag. 114. etc. STAHL de
[Spaltenumbruch] anim. errore med. MADAI
von
dem Wechselfieber pag. 90. SAU-
VAGES
de anim. imper. n.
20.
(i) L. X. p. 334. Conf. BER-
TIER
334.
(k) davon soll gehandelt werden
in Lib. XVII.

Thieriſche Bewegung. XI. Buch.
Es haben andere gezeigt, wie verkert (h) die mereſten
Bewegungen in Krankheiten geſchehen, die man, aus
Liebe zu ſeiner Partei, der Seele zugeſchrieben. Die
Aerzte ſehen ſich gezwungen, die heftige Wallungen des
Herzens, ſo viel an ihnen iſt, durch ein Aderlaſſen, und
durch Laxirmittel, ſo wie die Kraͤmpfe, welches allemal
vergebliche Reize ſind, mit eben dieſen Mitteln, und mit
Opium zu ſtillen.

Es entſtehen einige mitleidende Bewegungen von der
Gegenwart des Reizes in dem Werkzeuge, und andre
hingegen von dem Daſein des Reizes im Gehirne. Von
dieſer Art hat man ein Exempel an der Nierenkolik, wenn
bei Gelegenheit, da ein Reiz im Harngange feſte ſtekkt,
ein Erbrechen erfolgt. Hier geſchicht eben das, welches
ſonſt bei den groͤſſern Nervenreizen vorkoͤmmt, naͤmlich
ein Krampf (i), welcher ſich von dem beſondern Nerven
in die benachbarte und damit verbundene, ja endlich in
alle uͤbrige Nerven fortpflanzt, wenn der Krampf recht
heftig wird. Hierzu kann der Wille gar nichts beitragen,
ſondern es verrichtet ſolches blos der notwendige Zuſam-
menhang der Nerven mit dem gereizten Nerven.

Jn andern Exempeln, als im Erbrechen, welches
von einer ekelhaften Sache herruͤhrt, oder wenn man bei
widrigen Arzneimitteln genoͤtigt wird, zu Stule zu gehen,
gehorcht der menſchliche Koͤrper dem Geſezze der Einbil-
dungskraft (k), und er verhaͤlt ſich hier nicht anders,
als wenn uns bei der Erneurung eines Schmerzens die
Traͤhnen in die Augen treten. Hierinnen treffen wir keine

ein-
(h) [Spaltenumbruch] BERGER de natur. morb.
medic. pag. 47. BARKER loc.
cit.
dieſes geſtehen aber die STAH-
LIANI,
und einige derſelben ſchrei-
ben es der Seele zu, die durch den
Fall Adams verderbt worden. Man
vergleiche PERRAULT du tou-
cher pag. 114. etc. STAHL de
[Spaltenumbruch] anim. errore med. MADAI
von
dem Wechſelfieber pag. 90. SAU-
VAGES
de anim. imper. n.
20.
(i) L. X. p. 334. Conf. BER-
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334.
(k) davon ſoll gehandelt werden
in Lib. XVII.
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[146/0164] Thieriſche Bewegung. XI. Buch. Es haben andere gezeigt, wie verkert (h) die mereſten Bewegungen in Krankheiten geſchehen, die man, aus Liebe zu ſeiner Partei, der Seele zugeſchrieben. Die Aerzte ſehen ſich gezwungen, die heftige Wallungen des Herzens, ſo viel an ihnen iſt, durch ein Aderlaſſen, und durch Laxirmittel, ſo wie die Kraͤmpfe, welches allemal vergebliche Reize ſind, mit eben dieſen Mitteln, und mit Opium zu ſtillen. Es entſtehen einige mitleidende Bewegungen von der Gegenwart des Reizes in dem Werkzeuge, und andre hingegen von dem Daſein des Reizes im Gehirne. Von dieſer Art hat man ein Exempel an der Nierenkolik, wenn bei Gelegenheit, da ein Reiz im Harngange feſte ſtekkt, ein Erbrechen erfolgt. Hier geſchicht eben das, welches ſonſt bei den groͤſſern Nervenreizen vorkoͤmmt, naͤmlich ein Krampf (i), welcher ſich von dem beſondern Nerven in die benachbarte und damit verbundene, ja endlich in alle uͤbrige Nerven fortpflanzt, wenn der Krampf recht heftig wird. Hierzu kann der Wille gar nichts beitragen, ſondern es verrichtet ſolches blos der notwendige Zuſam- menhang der Nerven mit dem gereizten Nerven. Jn andern Exempeln, als im Erbrechen, welches von einer ekelhaften Sache herruͤhrt, oder wenn man bei widrigen Arzneimitteln genoͤtigt wird, zu Stule zu gehen, gehorcht der menſchliche Koͤrper dem Geſezze der Einbil- dungskraft (k), und er verhaͤlt ſich hier nicht anders, als wenn uns bei der Erneurung eines Schmerzens die Traͤhnen in die Augen treten. Hierinnen treffen wir keine ein- (h) BERGER de natur. morb. medic. pag. 47. BARKER loc. cit. dieſes geſtehen aber die STAH- LIANI, und einige derſelben ſchrei- ben es der Seele zu, die durch den Fall Adams verderbt worden. Man vergleiche PERRAULT du tou- cher pag. 114. etc. STAHL de anim. errore med. MADAI von dem Wechſelfieber pag. 90. SAU- VAGES de anim. imper. n. 20. (i) L. X. p. 334. Conf. BER- TIER 334. (k) davon ſoll gehandelt werden in Lib. XVII.

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Zitationshilfe: Haller, Albrecht von: Anfangsgründe der Phisiologie des menschlichen Körpers. Bd. 5. Berlin, 1772, S. 146. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/haller_anfangsgruende05_1772/164>, abgerufen am 21.11.2024.