Wir haben ausserdem durch Versuche gezeigt, daß diese Werkzeuge, und wenigstens das Herz (p), und sonderlich dessen Ohren (q), nebst dem Gedärme (r), den Reiz durchaus nicht vertragen können, daß sie lange Zeit ihre Bewegungen fortsezzen, und so gar in diesem Stükke die unwillkürliche Muskeln übertreffen. Ob man gleich bisweilen (s) die willkürliche Muskeln sich zusam- menziehen gesehen, wenn das Herz, und das Gedärme ruhig waren, so geschicht doch solches selten, und es hat dagegen das Herz und das Gedärme, wie wir solches so oft gezeigt haben (t), an dem Hühngen im Eie, an dem immer beständigen Exempel der kalten und der meisten warmen Thiere, jederzeit die Oberhand gehabt. Wenn daher diese Werkzeuge sehr reizbar sind, und wenn sie beständig gereizt werden (u), so darf man sich überhaupt gar nicht wundern, daß sie sich beständig bewegen. Man nehme dem Gedärme und dem ausgeleerten Herzen den Reiz (y), so wird man sehen, daß auch diese Muskeln ohne Bewegung bleiben.
Dahingegen geraten die Muskeln, welche dem Willen unterworfen sind, da sie weniger reizbar sind (z), und von den Gegenkräften der Antagonisten (a) in Schranken erhalten werden, von freien Stükken nicht in deutliche Bewegungen. Allein, wenn man sie durch Gift, Eisen, elektrische Funken, oder irgend andre Schärfe, reizt, so machen sie ebenfalls ihre unwillkürliche Bewegungen, indem sie sich zusammenziehen (b).
Es hat aber das Anfehn, daß die Natur selbigen, bei Gelegenheit des Willens (c), anstatt des Reizmittels,
eine
[Spaltenumbruch]
dreimonatlich Hammern wider Willen, Tulp. I. obs. 13.
(p)pag. 463.
(q)ibid.
(r)ibid.
(s)ibid.
(t)ibid.
(u)L. IV. p. 505.
(y)[Spaltenumbruch]L. IV. p. 490. seqq.
(z)pag. 463.
(a)pag. 506. 507.
(b)pag. 448.
(c) Der Wille wirket wie ein Reiz, SIMSON on moscul, mot. p. 93.
III. Abſchnitt. Urſachen.
Wir haben auſſerdem durch Verſuche gezeigt, daß dieſe Werkzeuge, und wenigſtens das Herz (p), und ſonderlich deſſen Ohren (q), nebſt dem Gedaͤrme (r), den Reiz durchaus nicht vertragen koͤnnen, daß ſie lange Zeit ihre Bewegungen fortſezzen, und ſo gar in dieſem Stuͤkke die unwillkuͤrliche Muſkeln uͤbertreffen. Ob man gleich bisweilen (s) die willkuͤrliche Muſkeln ſich zuſam- menziehen geſehen, wenn das Herz, und das Gedaͤrme ruhig waren, ſo geſchicht doch ſolches ſelten, und es hat dagegen das Herz und das Gedaͤrme, wie wir ſolches ſo oft gezeigt haben (t), an dem Huͤhngen im Eie, an dem immer beſtaͤndigen Exempel der kalten und der meiſten warmen Thiere, jederzeit die Oberhand gehabt. Wenn daher dieſe Werkzeuge ſehr reizbar ſind, und wenn ſie beſtaͤndig gereizt werden (u), ſo darf man ſich uͤberhaupt gar nicht wundern, daß ſie ſich beſtaͤndig bewegen. Man nehme dem Gedaͤrme und dem ausgeleerten Herzen den Reiz (y), ſo wird man ſehen, daß auch dieſe Muſkeln ohne Bewegung bleiben.
Dahingegen geraten die Muſkeln, welche dem Willen unterworfen ſind, da ſie weniger reizbar ſind (z), und von den Gegenkraͤften der Antagoniſten (a) in Schranken erhalten werden, von freien Stuͤkken nicht in deutliche Bewegungen. Allein, wenn man ſie durch Gift, Eiſen, elektriſche Funken, oder irgend andre Schaͤrfe, reizt, ſo machen ſie ebenfalls ihre unwillkuͤrliche Bewegungen, indem ſie ſich zuſammenziehen (b).
Es hat aber das Anfehn, daß die Natur ſelbigen, bei Gelegenheit des Willens (c), anſtatt des Reizmittels,
eine
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dreimonatlich Hammern wider Willen, Tulp. I. obſ. 13.
(p)pag. 463.
(q)ibid.
(r)ibid.
(s)ibid.
(t)ibid.
(u)L. IV. p. 505.
(y)[Spaltenumbruch]L. IV. p. 490. ſeqq.
(z)pag. 463.
(a)pag. 506. 507.
(b)pag. 448.
(c) Der Wille wirket wie ein Reiz, SIMSON on moſcul, mot. p. 93.
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III. Abſchnitt. Urſachen.
Wir haben auſſerdem durch Verſuche gezeigt, daß
dieſe Werkzeuge, und wenigſtens das Herz (p), und
ſonderlich deſſen Ohren (q), nebſt dem Gedaͤrme (r),
den Reiz durchaus nicht vertragen koͤnnen, daß ſie lange
Zeit ihre Bewegungen fortſezzen, und ſo gar in dieſem
Stuͤkke die unwillkuͤrliche Muſkeln uͤbertreffen. Ob man
gleich bisweilen (s) die willkuͤrliche Muſkeln ſich zuſam-
menziehen geſehen, wenn das Herz, und das Gedaͤrme
ruhig waren, ſo geſchicht doch ſolches ſelten, und es hat
dagegen das Herz und das Gedaͤrme, wie wir ſolches ſo
oft gezeigt haben (t), an dem Huͤhngen im Eie, an dem
immer beſtaͤndigen Exempel der kalten und der meiſten
warmen Thiere, jederzeit die Oberhand gehabt. Wenn
daher dieſe Werkzeuge ſehr reizbar ſind, und wenn ſie
beſtaͤndig gereizt werden (u), ſo darf man ſich uͤberhaupt
gar nicht wundern, daß ſie ſich beſtaͤndig bewegen. Man
nehme dem Gedaͤrme und dem ausgeleerten Herzen den
Reiz (y), ſo wird man ſehen, daß auch dieſe Muſkeln
ohne Bewegung bleiben.
Dahingegen geraten die Muſkeln, welche dem Willen
unterworfen ſind, da ſie weniger reizbar ſind (z), und von
den Gegenkraͤften der Antagoniſten (a) in Schranken
erhalten werden, von freien Stuͤkken nicht in deutliche
Bewegungen. Allein, wenn man ſie durch Gift, Eiſen,
elektriſche Funken, oder irgend andre Schaͤrfe, reizt, ſo
machen ſie ebenfalls ihre unwillkuͤrliche Bewegungen,
indem ſie ſich zuſammenziehen (b).
Es hat aber das Anfehn, daß die Natur ſelbigen, bei
Gelegenheit des Willens (c), anſtatt des Reizmittels,
eine
(o)
(p) pag. 463.
(q) ibid.
(r) ibid.
(s) ibid.
(t) ibid.
(u) L. IV. p. 505.
(y)
L. IV. p. 490. ſeqq.
(z) pag. 463.
(a) pag. 506. 507.
(b) pag. 448.
(c) Der Wille wirket wie ein
Reiz, SIMSON on moſcul,
mot. p. 93.
(o)
dreimonatlich Hammern wider
Willen, Tulp. I. obſ. 13.
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Haller, Albrecht von: Anfangsgründe der Phisiologie des menschlichen Körpers. Bd. 5. Berlin, 1772, S. 155. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/haller_anfangsgruende05_1772/173>, abgerufen am 21.11.2024.
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