verzögern, und also, kraft dieser Verspätung, denjenigen Seitendrukk verrichten, wodurch das Fäsergen erweitert wird (f).
§. 15. Das Bläsgen, in welches sich eine Faser endigt.
Da der Nervensaft (g), nach den Freunden dieser Meinung, höchst langsam fortfliest, und dessen Menge und Gewicht notwendig sehr geringe ist, so wird man bei der äussersten Zartheit (h) der Fasern in Gefar stehen, daß der Einflus des Nervensaftes, wenn er gleich schnell genung geschicht, zur Erzeugung der ungeheuren Gewalt nicht hinreichend sei, dergleichen die Erfarungen und Berechnungen an einer Muskelfaser wahrnehmen. Da ausserdem, um die ganze Länge des völligen Muskels auf- zublähen, bis derselbe zu einer Kugel wird, eine unglaub- liche Menge Geister erfordert wird, und doch am Muskel nur eine mäßige Verkürzung, laut der Erfarung, nötig ist; und da ferner dieses wargenommen worden, so haben sich berümte Männer des boylischen hidrostatischen Pa- radoxons (i), kraft dessen ein klein Röhrgen in ein wei- tes Wassergefäs die Flüßigkeit, vermöge der Schwere fallen läst, und den Boden dieses Wassergefässes eben so stark drükkt, als solcher gedrükkt werden würde, wenn das Röhrgen eine eben so grosse Mündung, als das Wasser- gefässe an seinem Boden hätte, zu dieser Erklärung bedient. Es stekkt der Grund dieses Paradoxi in der Geschwindig- keit, mit welcher das Wasser durch die Röhre in die Was- serschale fällt, und welche offenbar um desto grösser ist, je weiter das Wassergefässe in Vergleichung gegen das Röhr- gen ist.
(i)BOYLE parad. hydrost. [Spaltenumbruch]
vi. VARINGON mem. avant. 1699. T. X. p. 14. NOLLET lecons de physique T. II. p. 253. 269. f. 17. BOERHAAVE de usu rat. mech. etc.
Thieriſche Bewegung. XI. Buch.
verzoͤgern, und alſo, kraft dieſer Verſpaͤtung, denjenigen Seitendrukk verrichten, wodurch das Faͤſergen erweitert wird (f).
§. 15. Das Blaͤsgen, in welches ſich eine Faſer endigt.
Da der Nervenſaft (g), nach den Freunden dieſer Meinung, hoͤchſt langſam fortflieſt, und deſſen Menge und Gewicht notwendig ſehr geringe iſt, ſo wird man bei der aͤuſſerſten Zartheit (h) der Faſern in Gefar ſtehen, daß der Einflus des Nervenſaftes, wenn er gleich ſchnell genung geſchicht, zur Erzeugung der ungeheuren Gewalt nicht hinreichend ſei, dergleichen die Erfarungen und Berechnungen an einer Muſkelfaſer wahrnehmen. Da auſſerdem, um die ganze Laͤnge des voͤlligen Muſkels auf- zublaͤhen, bis derſelbe zu einer Kugel wird, eine unglaub- liche Menge Geiſter erfordert wird, und doch am Muſkel nur eine maͤßige Verkuͤrzung, laut der Erfarung, noͤtig iſt; und da ferner dieſes wargenommen worden, ſo haben ſich beruͤmte Maͤnner des boyliſchen hidroſtatiſchen Pa- radoxons (i), kraft deſſen ein klein Roͤhrgen in ein wei- tes Waſſergefaͤs die Fluͤßigkeit, vermoͤge der Schwere fallen laͤſt, und den Boden dieſes Waſſergefaͤſſes eben ſo ſtark druͤkkt, als ſolcher gedruͤkkt werden wuͤrde, wenn das Roͤhrgen eine eben ſo groſſe Muͤndung, als das Waſſer- gefaͤſſe an ſeinem Boden haͤtte, zu dieſer Erklaͤrung bedient. Es ſtekkt der Grund dieſes Paradoxi in der Geſchwindig- keit, mit welcher das Waſſer durch die Roͤhre in die Waſ- ſerſchale faͤllt, und welche offenbar um deſto groͤſſer iſt, je weiter das Waſſergefaͤſſe in Vergleichung gegen das Roͤhr- gen iſt.
(i)BOYLE parad. hydroſt. [Spaltenumbruch]
vi. VARINGON mem. avant. 1699. T. X. p. 14. NOLLET leçons de phyſique T. II. p. 253. 269. f. 17. BOERHAAVE de uſu rat. mech. etc.
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0178"n="160"/><fwplace="top"type="header"><hirendition="#b">Thieriſche Bewegung. <hirendition="#aq">XI.</hi> Buch.</hi></fw><lb/>
verzoͤgern, und alſo, kraft dieſer Verſpaͤtung, denjenigen<lb/>
Seitendrukk verrichten, wodurch das Faͤſergen erweitert<lb/>
wird <noteplace="foot"n="(f)"><cb/><hirendition="#aq">Confer. <hirendition="#g">MUSSCHEN-<lb/>
BROECK</hi> eſſays pag.</hi> 381.</note>.</p></div><lb/><divn="2"><head><hirendition="#b">§. 15.<lb/>
Das Blaͤsgen, in welches ſich eine Faſer endigt.</hi></head><lb/><p>Da der Nervenſaft <noteplace="foot"n="(g)"><hirendition="#aq">vide L. X. p.</hi> 384.</note>, nach den Freunden dieſer<lb/>
Meinung, hoͤchſt langſam fortflieſt, und deſſen Menge<lb/>
und Gewicht notwendig ſehr geringe iſt, ſo wird man<lb/>
bei der aͤuſſerſten Zartheit <noteplace="foot"n="(h)"><hirendition="#aq">L. XI. p.</hi> 415.</note> der Faſern in Gefar ſtehen,<lb/>
daß der Einflus des Nervenſaftes, wenn er gleich ſchnell<lb/>
genung geſchicht, zur Erzeugung der ungeheuren Gewalt<lb/>
nicht hinreichend ſei, dergleichen die Erfarungen und<lb/>
Berechnungen an einer Muſkelfaſer wahrnehmen. Da<lb/>
auſſerdem, um die ganze Laͤnge des voͤlligen Muſkels auf-<lb/>
zublaͤhen, bis derſelbe zu einer Kugel wird, eine unglaub-<lb/>
liche Menge Geiſter erfordert wird, und doch am Muſkel<lb/>
nur eine maͤßige Verkuͤrzung, laut der Erfarung, noͤtig<lb/>
iſt; und da ferner dieſes wargenommen worden, ſo haben<lb/>ſich beruͤmte Maͤnner des <hirendition="#fr">boyliſchen</hi> hidroſtatiſchen Pa-<lb/>
radoxons <noteplace="foot"n="(i)"><hirendition="#aq"><hirendition="#g">BOYLE</hi> parad. hydroſt.<lb/><cb/>
vi. <hirendition="#g">VARINGON</hi> mem. avant.<lb/>
1699. T. X. p. 14. <hirendition="#g">NOLLET</hi><lb/>
leçons de phyſique T. II. p. 253.<lb/>
269. f. 17. <hirendition="#g">BOERHAAVE</hi> de<lb/>
uſu rat. mech. etc.</hi></note>, kraft deſſen ein klein Roͤhrgen in ein wei-<lb/>
tes Waſſergefaͤs die Fluͤßigkeit, vermoͤge der Schwere<lb/>
fallen laͤſt, und den Boden dieſes Waſſergefaͤſſes eben ſo<lb/>ſtark druͤkkt, als ſolcher gedruͤkkt werden wuͤrde, wenn das<lb/>
Roͤhrgen eine eben ſo groſſe Muͤndung, als das Waſſer-<lb/>
gefaͤſſe an ſeinem Boden haͤtte, zu dieſer Erklaͤrung bedient.<lb/>
Es ſtekkt der Grund dieſes Paradoxi in der Geſchwindig-<lb/>
keit, mit welcher das Waſſer durch die Roͤhre in die Waſ-<lb/>ſerſchale faͤllt, und welche offenbar um deſto groͤſſer iſt, je<lb/>
weiter das Waſſergefaͤſſe in Vergleichung gegen das Roͤhr-<lb/>
gen iſt.</p><lb/><fwplace="bottom"type="catch">Um</fw><lb/></div></div></body></text></TEI>
[160/0178]
Thieriſche Bewegung. XI. Buch.
verzoͤgern, und alſo, kraft dieſer Verſpaͤtung, denjenigen
Seitendrukk verrichten, wodurch das Faͤſergen erweitert
wird (f).
§. 15.
Das Blaͤsgen, in welches ſich eine Faſer endigt.
Da der Nervenſaft (g), nach den Freunden dieſer
Meinung, hoͤchſt langſam fortflieſt, und deſſen Menge
und Gewicht notwendig ſehr geringe iſt, ſo wird man
bei der aͤuſſerſten Zartheit (h) der Faſern in Gefar ſtehen,
daß der Einflus des Nervenſaftes, wenn er gleich ſchnell
genung geſchicht, zur Erzeugung der ungeheuren Gewalt
nicht hinreichend ſei, dergleichen die Erfarungen und
Berechnungen an einer Muſkelfaſer wahrnehmen. Da
auſſerdem, um die ganze Laͤnge des voͤlligen Muſkels auf-
zublaͤhen, bis derſelbe zu einer Kugel wird, eine unglaub-
liche Menge Geiſter erfordert wird, und doch am Muſkel
nur eine maͤßige Verkuͤrzung, laut der Erfarung, noͤtig
iſt; und da ferner dieſes wargenommen worden, ſo haben
ſich beruͤmte Maͤnner des boyliſchen hidroſtatiſchen Pa-
radoxons (i), kraft deſſen ein klein Roͤhrgen in ein wei-
tes Waſſergefaͤs die Fluͤßigkeit, vermoͤge der Schwere
fallen laͤſt, und den Boden dieſes Waſſergefaͤſſes eben ſo
ſtark druͤkkt, als ſolcher gedruͤkkt werden wuͤrde, wenn das
Roͤhrgen eine eben ſo groſſe Muͤndung, als das Waſſer-
gefaͤſſe an ſeinem Boden haͤtte, zu dieſer Erklaͤrung bedient.
Es ſtekkt der Grund dieſes Paradoxi in der Geſchwindig-
keit, mit welcher das Waſſer durch die Roͤhre in die Waſ-
ſerſchale faͤllt, und welche offenbar um deſto groͤſſer iſt, je
weiter das Waſſergefaͤſſe in Vergleichung gegen das Roͤhr-
gen iſt.
Um
(f)
Confer. MUSSCHEN-
BROECK eſſays pag. 381.
(g) vide L. X. p. 384.
(h) L. XI. p. 415.
(i) BOYLE parad. hydroſt.
vi. VARINGON mem. avant.
1699. T. X. p. 14. NOLLET
leçons de phyſique T. II. p. 253.
269. f. 17. BOERHAAVE de
uſu rat. mech. etc.
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Haller, Albrecht von: Anfangsgründe der Phisiologie des menschlichen Körpers. Bd. 5. Berlin, 1772, S. 160. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/haller_anfangsgruende05_1772/178>, abgerufen am 24.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.