Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Haller, Albrecht von: Anfangsgründe der Phisiologie des menschlichen Körpers. Bd. 5. Berlin, 1772.

Bild:
<< vorherige Seite

III. Abschnitt. Ursachen.
tet (d). Denn sie sind davon ihrem ganzen Wesen nach
unterschieden, und jene besizzen eine Reizbarkeit, hingegen
diese ganz und gar nicht.

Es lässet sich der bläsige Bau der Fasern durch kein
richtiges Experiment bestätigen (e), und es würde ein
einziges Bläsgen nur eine ganz kleine Erhebung hervor-
bringen.

Man erspart oder gewinnt an Kräften bei den aufge-
blasenen Blasen, einzig und allein aus dem Grunde, weil
das Gewichte wenig erhoben wird, indessen daß sich diese
Blasen sehr erweitern; oder, weil der Durchmesser der
Faser, queer über genommen, sehr anwächst, indem der
senkrechte Durchmesser abnimmt. Folglich geschiehet hier
eben das, was man an einem Bache wahrnimmt, welcher
sich in einen See ergiest, und der desto langsamer laufen
wird, je breiter der See, gegen den Bach ist (f).

Man verliert nämlich an der Zeit, was man an dem
Vortheile gewinnt, oder, es geschicht die Bewegung in
den Blasen um desto langsamer (g), um desto kleiner die
einblasende Kraft gegen das aufzuhebende Gewichte ist,
und es hat überhaupt ein jeder Seitendrukk nur eine träge
Wirkung, welche allmälich stärker wird. Doch es findet
diese Minderung der Geschwindigkeit überhaupt bei
menschlichen Dingen nicht statt, indem man bei densel-
ben nicht auf den Vortheil an Kräften, sondern auf Er-
sparung der Zeit, sehen mus, indem sich die Muskeln mit
unglaublich schneller Geschwindigkeit bewegen.

Es verschwenden ferner die Blasenketten unermeslich
viel Kräfte, und es ist der Aufwand viel zu gros. Denn
da ein Bläsgen, von der Kraft des Einblasens, um so
viel auf beiden Seiten aus einander gezerrt werden mus,

als
(d) [Spaltenumbruch] pag. 425.
(e) p. 427.
(f) L. VI. p. 176.
(g) SAUVAGES de la fievre
p. 303. 304. BERTIER disp.
[Spaltenumbruch] p. 35. 37. WINSLOW Mem.
de 1720. p. 90. MOLIERES
Mem. de l'Acad. loc. cit. pag. 41.
FRACASSINI febr. p.
59.
L 3

III. Abſchnitt. Urſachen.
tet (d). Denn ſie ſind davon ihrem ganzen Weſen nach
unterſchieden, und jene beſizzen eine Reizbarkeit, hingegen
dieſe ganz und gar nicht.

Es laͤſſet ſich der blaͤſige Bau der Faſern durch kein
richtiges Experiment beſtaͤtigen (e), und es wuͤrde ein
einziges Blaͤsgen nur eine ganz kleine Erhebung hervor-
bringen.

Man erſpart oder gewinnt an Kraͤften bei den aufge-
blaſenen Blaſen, einzig und allein aus dem Grunde, weil
das Gewichte wenig erhoben wird, indeſſen daß ſich dieſe
Blaſen ſehr erweitern; oder, weil der Durchmeſſer der
Faſer, queer uͤber genommen, ſehr anwaͤchſt, indem der
ſenkrechte Durchmeſſer abnimmt. Folglich geſchiehet hier
eben das, was man an einem Bache wahrnimmt, welcher
ſich in einen See ergieſt, und der deſto langſamer laufen
wird, je breiter der See, gegen den Bach iſt (f).

Man verliert naͤmlich an der Zeit, was man an dem
Vortheile gewinnt, oder, es geſchicht die Bewegung in
den Blaſen um deſto langſamer (g), um deſto kleiner die
einblaſende Kraft gegen das aufzuhebende Gewichte iſt,
und es hat uͤberhaupt ein jeder Seitendrukk nur eine traͤge
Wirkung, welche allmaͤlich ſtaͤrker wird. Doch es findet
dieſe Minderung der Geſchwindigkeit uͤberhaupt bei
menſchlichen Dingen nicht ſtatt, indem man bei denſel-
ben nicht auf den Vortheil an Kraͤften, ſondern auf Er-
ſparung der Zeit, ſehen mus, indem ſich die Muſkeln mit
unglaublich ſchneller Geſchwindigkeit bewegen.

Es verſchwenden ferner die Blaſenketten unermeslich
viel Kraͤfte, und es iſt der Aufwand viel zu gros. Denn
da ein Blaͤsgen, von der Kraft des Einblaſens, um ſo
viel auf beiden Seiten aus einander gezerrt werden mus,

als
(d) [Spaltenumbruch] pag. 425.
(e) p. 427.
(f) L. VI. p. 176.
(g) SAUVAGES de la fievre
p. 303. 304. BERTIER diſp.
[Spaltenumbruch] p. 35. 37. WINSLOW Mem.
de 1720. p. 90. MOLIERES
Mem. de l’Acad. loc. cit. pag. 41.
FRACASSINI febr. p.
59.
L 3
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0183" n="165"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b"><hi rendition="#aq">III.</hi> Ab&#x017F;chnitt. Ur&#x017F;achen.</hi></fw><lb/>
tet <note place="foot" n="(d)"><cb/><hi rendition="#aq">pag.</hi> 425.</note>. Denn &#x017F;ie &#x017F;ind davon ihrem ganzen We&#x017F;en nach<lb/>
unter&#x017F;chieden, und jene be&#x017F;izzen eine Reizbarkeit, hingegen<lb/>
die&#x017F;e ganz und gar nicht.</p><lb/>
          <p>Es la&#x0364;&#x017F;&#x017F;et &#x017F;ich der bla&#x0364;&#x017F;ige Bau der Fa&#x017F;ern durch kein<lb/>
richtiges Experiment be&#x017F;ta&#x0364;tigen <note place="foot" n="(e)"><hi rendition="#aq">p.</hi> 427.</note>, und es wu&#x0364;rde ein<lb/>
einziges Bla&#x0364;sgen nur eine ganz kleine Erhebung hervor-<lb/>
bringen.</p><lb/>
          <p>Man er&#x017F;part oder gewinnt an Kra&#x0364;ften bei den aufge-<lb/>
bla&#x017F;enen Bla&#x017F;en, einzig und allein aus dem Grunde, weil<lb/>
das Gewichte wenig erhoben wird, inde&#x017F;&#x017F;en daß &#x017F;ich die&#x017F;e<lb/>
Bla&#x017F;en &#x017F;ehr erweitern; oder, weil der Durchme&#x017F;&#x017F;er der<lb/>
Fa&#x017F;er, queer u&#x0364;ber genommen, &#x017F;ehr anwa&#x0364;ch&#x017F;t, indem der<lb/>
&#x017F;enkrechte Durchme&#x017F;&#x017F;er abnimmt. Folglich ge&#x017F;chiehet hier<lb/>
eben das, was man an einem Bache wahrnimmt, welcher<lb/>
&#x017F;ich in einen See ergie&#x017F;t, und der de&#x017F;to lang&#x017F;amer laufen<lb/>
wird, je breiter der See, gegen den Bach i&#x017F;t <note place="foot" n="(f)"><hi rendition="#aq">L. VI. p.</hi> 176.</note>.</p><lb/>
          <p>Man verliert na&#x0364;mlich an der Zeit, was man an dem<lb/>
Vortheile gewinnt, oder, es ge&#x017F;chicht die Bewegung in<lb/>
den Bla&#x017F;en um de&#x017F;to lang&#x017F;amer <note place="foot" n="(g)"><hi rendition="#aq"><hi rendition="#g">SAUVAGES</hi> de la fievre<lb/>
p. 303. 304. <hi rendition="#g">BERTIER</hi> di&#x017F;p.<lb/><cb/>
p. 35. 37. <hi rendition="#g">WINSLOW</hi> Mem.<lb/>
de 1720. p. 90. <hi rendition="#g">MOLIERES</hi><lb/>
Mem. de l&#x2019;Acad. loc. cit. pag. 41.<lb/><hi rendition="#g">FRACASSINI</hi> febr. p.</hi> 59.</note>, um de&#x017F;to kleiner die<lb/>
einbla&#x017F;ende Kraft gegen das aufzuhebende Gewichte i&#x017F;t,<lb/>
und es hat u&#x0364;berhaupt ein jeder Seitendrukk nur eine tra&#x0364;ge<lb/>
Wirkung, welche allma&#x0364;lich &#x017F;ta&#x0364;rker wird. Doch es findet<lb/>
die&#x017F;e Minderung der Ge&#x017F;chwindigkeit u&#x0364;berhaupt bei<lb/>
men&#x017F;chlichen Dingen nicht &#x017F;tatt, indem man bei den&#x017F;el-<lb/>
ben nicht auf den Vortheil an Kra&#x0364;ften, &#x017F;ondern auf Er-<lb/>
&#x017F;parung der Zeit, &#x017F;ehen mus, indem &#x017F;ich die Mu&#x017F;keln mit<lb/>
unglaublich &#x017F;chneller Ge&#x017F;chwindigkeit bewegen.</p><lb/>
          <p>Es ver&#x017F;chwenden ferner die Bla&#x017F;enketten unermeslich<lb/>
viel Kra&#x0364;fte, und es i&#x017F;t der Aufwand viel zu gros. Denn<lb/>
da ein Bla&#x0364;sgen, von der Kraft des Einbla&#x017F;ens, um &#x017F;o<lb/>
viel auf beiden Seiten aus einander gezerrt werden mus,<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">L 3</fw><fw place="bottom" type="catch">als</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[165/0183] III. Abſchnitt. Urſachen. tet (d). Denn ſie ſind davon ihrem ganzen Weſen nach unterſchieden, und jene beſizzen eine Reizbarkeit, hingegen dieſe ganz und gar nicht. Es laͤſſet ſich der blaͤſige Bau der Faſern durch kein richtiges Experiment beſtaͤtigen (e), und es wuͤrde ein einziges Blaͤsgen nur eine ganz kleine Erhebung hervor- bringen. Man erſpart oder gewinnt an Kraͤften bei den aufge- blaſenen Blaſen, einzig und allein aus dem Grunde, weil das Gewichte wenig erhoben wird, indeſſen daß ſich dieſe Blaſen ſehr erweitern; oder, weil der Durchmeſſer der Faſer, queer uͤber genommen, ſehr anwaͤchſt, indem der ſenkrechte Durchmeſſer abnimmt. Folglich geſchiehet hier eben das, was man an einem Bache wahrnimmt, welcher ſich in einen See ergieſt, und der deſto langſamer laufen wird, je breiter der See, gegen den Bach iſt (f). Man verliert naͤmlich an der Zeit, was man an dem Vortheile gewinnt, oder, es geſchicht die Bewegung in den Blaſen um deſto langſamer (g), um deſto kleiner die einblaſende Kraft gegen das aufzuhebende Gewichte iſt, und es hat uͤberhaupt ein jeder Seitendrukk nur eine traͤge Wirkung, welche allmaͤlich ſtaͤrker wird. Doch es findet dieſe Minderung der Geſchwindigkeit uͤberhaupt bei menſchlichen Dingen nicht ſtatt, indem man bei denſel- ben nicht auf den Vortheil an Kraͤften, ſondern auf Er- ſparung der Zeit, ſehen mus, indem ſich die Muſkeln mit unglaublich ſchneller Geſchwindigkeit bewegen. Es verſchwenden ferner die Blaſenketten unermeslich viel Kraͤfte, und es iſt der Aufwand viel zu gros. Denn da ein Blaͤsgen, von der Kraft des Einblaſens, um ſo viel auf beiden Seiten aus einander gezerrt werden mus, als (d) pag. 425. (e) p. 427. (f) L. VI. p. 176. (g) SAUVAGES de la fievre p. 303. 304. BERTIER diſp. p. 35. 37. WINSLOW Mem. de 1720. p. 90. MOLIERES Mem. de l’Acad. loc. cit. pag. 41. FRACASSINI febr. p. 59. L 3

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/haller_anfangsgruende05_1772
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/haller_anfangsgruende05_1772/183
Zitationshilfe: Haller, Albrecht von: Anfangsgründe der Phisiologie des menschlichen Körpers. Bd. 5. Berlin, 1772, S. 165. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/haller_anfangsgruende05_1772/183>, abgerufen am 21.11.2024.