glaubte nicht nur dieses Mährchen selbst, sondern er be- mühte sich auch, dasselbe andern glaublich zu machen. Leute, welche sich in der Aussprizzung der Gefässe sehr geübt haben (i), behaupten, daß sie nie ein Gefäß im Ober- häutchen gesehen, und ich selbst habe niemals dergleichen warnehmen können, da doch ein gefärbter Saft aus den allerkleinsten Gefässen der Haut offenbar ausschwizzt.
Noch zur Zeit rede ich nicht von den ausdünstenden und schweisführenden Gefässen.
Man hat sehr gestritten, wenn es keine Gefässe im Oberhäutchen giebt, wie sich denn das Oberhäutchen an- fänglich erzeuge, wie es sich nach dem Verluste wieder ergänze, und wie sich die langen Lappen, welche sich bis- weilen an der Haut, dem Gaumen, der Zunge, dem gesammten Speisenkanale, und wo es sonst seinen Sizz mehr hat, loslösen, wieder ersezzen lassen (k). Man weis, daß die Natur auch die inwendige Membran der Harnblase, des eitrigen Gedärms, und das Oberhäut- chen des ganzen Mundes und der Luftröhre wiederherstellt. Es geht auch an Thieren nicht nur ganz und gar ab, son- dern es wächst auch alle Jahre von neuem wieder. Man kennt die gewönliche Schlangenbälge (l), woran so gar ein Theil des Oberhäutchen sizzt, welches vor die Horn- haut im Auge vorgespannt ist, und man weis, daß sich die Raupen (m), Spinnen, und andre Jnsekten, nicht einmal, sondern öfters häuten.
Eini-
(i)[Spaltenumbruch]RUYSCH Thes. III. ass. 1. n. 19. adv. III. n. 8.
(k) Einem Kinde ging in der Geburt das ganze Oberhäutchen ab, und da ein neues wuchs, blieb das Kind am Leben. STOCK de partu pag. 55.
(l)SEVERIN viper. pyth. p. 231. 247. VESLING ep. p. 72. PERRAULT. mecan. des anim. [Spaltenumbruch]
FABRICIUS l. c. de tegum. anim. p. 10. Auch die Salamander wech- seln ihre Haut, FAY mem. de l'acad. 1725. p. 142.
(m) Raupen, LYONNET Theol. des Insect. T. II. pag. 16. FABRIG. p. 14. Milben, BA- KER micr. made casy. n. 23. Kefer, SWAMMERDAM p. 309. Heuschrekken, ZINNANI Ca- vallette pag. 49. An der Nimphe
des
I. Abſchnitt. Werkzeug.
glaubte nicht nur dieſes Maͤhrchen ſelbſt, ſondern er be- muͤhte ſich auch, daſſelbe andern glaublich zu machen. Leute, welche ſich in der Ausſprizzung der Gefaͤſſe ſehr geuͤbt haben (i), behaupten, daß ſie nie ein Gefaͤß im Ober- haͤutchen geſehen, und ich ſelbſt habe niemals dergleichen warnehmen koͤnnen, da doch ein gefaͤrbter Saft aus den allerkleinſten Gefaͤſſen der Haut offenbar ausſchwizzt.
Noch zur Zeit rede ich nicht von den ausduͤnſtenden und ſchweisfuͤhrenden Gefaͤſſen.
Man hat ſehr geſtritten, wenn es keine Gefaͤſſe im Oberhaͤutchen giebt, wie ſich denn das Oberhaͤutchen an- faͤnglich erzeuge, wie es ſich nach dem Verluſte wieder ergaͤnze, und wie ſich die langen Lappen, welche ſich bis- weilen an der Haut, dem Gaumen, der Zunge, dem geſammten Speiſenkanale, und wo es ſonſt ſeinen Sizz mehr hat, losloͤſen, wieder erſezzen laſſen (k). Man weis, daß die Natur auch die inwendige Membran der Harnblaſe, des eitrigen Gedaͤrms, und das Oberhaͤut- chen des ganzen Mundes und der Luftroͤhre wiederherſtellt. Es geht auch an Thieren nicht nur ganz und gar ab, ſon- dern es waͤchſt auch alle Jahre von neuem wieder. Man kennt die gewoͤnliche Schlangenbaͤlge (l), woran ſo gar ein Theil des Oberhaͤutchen ſizzt, welches vor die Horn- haut im Auge vorgeſpannt iſt, und man weis, daß ſich die Raupen (m), Spinnen, und andre Jnſekten, nicht einmal, ſondern oͤfters haͤuten.
Eini-
(i)[Spaltenumbruch]RUYSCH Theſ. III. aſſ. 1. n. 19. adv. III. n. 8.
(k) Einem Kinde ging in der Geburt das ganze Oberhaͤutchen ab, und da ein neues wuchs, blieb das Kind am Leben. STOCK de partu pag. 55.
(l)SEVERIN viper. pyth. p. 231. 247. VESLING ep. p. 72. PERRAULT. mecan. des anim. [Spaltenumbruch]
FABRICIUS l. c. de tegum. anim. p. 10. Auch die Salamander wech- ſeln ihre Haut, FAY mem. de l’acad. 1725. p. 142.
(m) Raupen, LYONNET Theol. des Inſect. T. II. pag. 16. FABRIG. p. 14. Milben, BA- KER micr. made caſy. n. 23. Kefer, SWAMMERDAM p. 309. Heuſchrekken, ZINNANI Ca- vallette pag. 49. An der Nimphe
des
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><divn="3"><p><pbfacs="#f0271"n="253"/><fwplace="top"type="header"><hirendition="#b"><hirendition="#aq">I.</hi> Abſchnitt. Werkzeug.</hi></fw><lb/>
glaubte nicht nur dieſes Maͤhrchen ſelbſt, ſondern er be-<lb/>
muͤhte ſich auch, daſſelbe andern glaublich zu machen.<lb/>
Leute, welche ſich in der Ausſprizzung der Gefaͤſſe ſehr<lb/>
geuͤbt haben <noteplace="foot"n="(i)"><cb/><hirendition="#aq"><hirendition="#g">RUYSCH</hi> Theſ. III. aſſ. 1.<lb/>
n. 19. adv. III. n.</hi> 8.</note>, behaupten, daß ſie nie ein Gefaͤß im Ober-<lb/>
haͤutchen geſehen, und ich ſelbſt habe niemals dergleichen<lb/>
warnehmen koͤnnen, da doch ein gefaͤrbter Saft aus<lb/>
den allerkleinſten Gefaͤſſen der Haut offenbar ausſchwizzt.</p><lb/><p>Noch zur Zeit rede ich nicht von den ausduͤnſtenden<lb/>
und ſchweisfuͤhrenden Gefaͤſſen.</p><lb/><p>Man hat ſehr geſtritten, wenn es keine Gefaͤſſe im<lb/>
Oberhaͤutchen giebt, wie ſich denn das Oberhaͤutchen an-<lb/>
faͤnglich erzeuge, wie es ſich nach dem Verluſte wieder<lb/>
ergaͤnze, und wie ſich die langen Lappen, welche ſich bis-<lb/>
weilen an der Haut, dem Gaumen, der Zunge, dem<lb/>
geſammten Speiſenkanale, und wo es ſonſt ſeinen Sizz<lb/>
mehr hat, losloͤſen, wieder erſezzen laſſen <noteplace="foot"n="(k)">Einem Kinde ging in der<lb/>
Geburt das ganze Oberhaͤutchen ab,<lb/>
und da ein neues wuchs, blieb das<lb/>
Kind am Leben. <hirendition="#aq"><hirendition="#g">STOCK</hi> de<lb/>
partu pag.</hi> 55.</note>. Man<lb/>
weis, daß die Natur auch die inwendige Membran der<lb/>
Harnblaſe, des eitrigen Gedaͤrms, und das Oberhaͤut-<lb/>
chen des ganzen Mundes und der Luftroͤhre wiederherſtellt.<lb/>
Es geht auch an Thieren nicht nur ganz und gar ab, ſon-<lb/>
dern es waͤchſt auch alle Jahre von neuem wieder. Man<lb/>
kennt die gewoͤnliche Schlangenbaͤlge <noteplace="foot"n="(l)"><hirendition="#aq"><hirendition="#g">SEVERIN</hi> viper. pyth.<lb/>
p. 231. 247. VESLING ep. p. 72.<lb/><hirendition="#g">PERRAULT.</hi> mecan. des anim.<lb/><cb/>
FABRICIUS l. c. de tegum. anim.<lb/>
p.</hi> 10. Auch die Salamander wech-<lb/>ſeln ihre Haut, <hirendition="#aq"><hirendition="#g">FAY</hi> mem. de<lb/>
l’acad. 1725. p.</hi> 142.</note>, woran ſo gar<lb/>
ein Theil des Oberhaͤutchen ſizzt, welches vor die Horn-<lb/>
haut im Auge vorgeſpannt iſt, und man weis, daß ſich<lb/>
die Raupen <notexml:id="f33"next="#f34"place="foot"n="(m)">Raupen, <hirendition="#aq"><hirendition="#g">LYONNET</hi><lb/>
Theol. des Inſect. T. II. pag. 16.<lb/><hirendition="#g">FABRIG.</hi> p.</hi> 14. Milben, <hirendition="#aq"><hirendition="#g">BA-<lb/>
KER</hi> micr. made caſy. n.</hi> 23.<lb/>
Kefer, <hirendition="#aq">SWAMMERDAM p.</hi> 309.<lb/>
Heuſchrekken, <hirendition="#aq"><hirendition="#g">ZINNANI</hi> Ca-<lb/>
vallette pag.</hi> 49. An der Nimphe<lb/><fwplace="bottom"type="catch">des</fw></note>, Spinnen, und andre Jnſekten, nicht<lb/>
einmal, ſondern oͤfters haͤuten.</p><lb/><fwplace="bottom"type="catch">Eini-</fw><lb/></div></div></div></body></text></TEI>
[253/0271]
I. Abſchnitt. Werkzeug.
glaubte nicht nur dieſes Maͤhrchen ſelbſt, ſondern er be-
muͤhte ſich auch, daſſelbe andern glaublich zu machen.
Leute, welche ſich in der Ausſprizzung der Gefaͤſſe ſehr
geuͤbt haben (i), behaupten, daß ſie nie ein Gefaͤß im Ober-
haͤutchen geſehen, und ich ſelbſt habe niemals dergleichen
warnehmen koͤnnen, da doch ein gefaͤrbter Saft aus
den allerkleinſten Gefaͤſſen der Haut offenbar ausſchwizzt.
Noch zur Zeit rede ich nicht von den ausduͤnſtenden
und ſchweisfuͤhrenden Gefaͤſſen.
Man hat ſehr geſtritten, wenn es keine Gefaͤſſe im
Oberhaͤutchen giebt, wie ſich denn das Oberhaͤutchen an-
faͤnglich erzeuge, wie es ſich nach dem Verluſte wieder
ergaͤnze, und wie ſich die langen Lappen, welche ſich bis-
weilen an der Haut, dem Gaumen, der Zunge, dem
geſammten Speiſenkanale, und wo es ſonſt ſeinen Sizz
mehr hat, losloͤſen, wieder erſezzen laſſen (k). Man
weis, daß die Natur auch die inwendige Membran der
Harnblaſe, des eitrigen Gedaͤrms, und das Oberhaͤut-
chen des ganzen Mundes und der Luftroͤhre wiederherſtellt.
Es geht auch an Thieren nicht nur ganz und gar ab, ſon-
dern es waͤchſt auch alle Jahre von neuem wieder. Man
kennt die gewoͤnliche Schlangenbaͤlge (l), woran ſo gar
ein Theil des Oberhaͤutchen ſizzt, welches vor die Horn-
haut im Auge vorgeſpannt iſt, und man weis, daß ſich
die Raupen (m), Spinnen, und andre Jnſekten, nicht
einmal, ſondern oͤfters haͤuten.
Eini-
(i)
RUYSCH Theſ. III. aſſ. 1.
n. 19. adv. III. n. 8.
(k) Einem Kinde ging in der
Geburt das ganze Oberhaͤutchen ab,
und da ein neues wuchs, blieb das
Kind am Leben. STOCK de
partu pag. 55.
(l) SEVERIN viper. pyth.
p. 231. 247. VESLING ep. p. 72.
PERRAULT. mecan. des anim.
FABRICIUS l. c. de tegum. anim.
p. 10. Auch die Salamander wech-
ſeln ihre Haut, FAY mem. de
l’acad. 1725. p. 142.
(m) Raupen, LYONNET
Theol. des Inſect. T. II. pag. 16.
FABRIG. p. 14. Milben, BA-
KER micr. made caſy. n. 23.
Kefer, SWAMMERDAM p. 309.
Heuſchrekken, ZINNANI Ca-
vallette pag. 49. An der Nimphe
des
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Haller, Albrecht von: Anfangsgründe der Phisiologie des menschlichen Körpers. Bd. 5. Berlin, 1772, S. 253. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/haller_anfangsgruende05_1772/271>, abgerufen am 22.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.