vermöge meines Amtes auf dem Lehrstuhle eine lange Zeit reden muste, so erinnere ich mich, bei der Mittagstafel einen unglaublichen Schmerz wärend des Essens ausge- standen zu haben, wofern ich nicht die sanfteste Speisen aussuchte.
Ferner mus unser Speichel seine natürliche Beschaf- fenheit an sich haben. Wäre er bitter, so würden wir seinen Geschmak für den Geschmak der Speisen halten: ist er süsse (c), so verfälscht er die Speisen durch seine süsliche Beimischung, und dieses Uebel ist sehr gemein, und nach hizzigen Krankheiten, so wie bei den Hipochon- dristen gewönlich, ob es gleich nicht eben sehr gefärlich ist (d). Sauer scheinet der Speichel gewesen zu sein, wenn er Ursache war, daß auch Süßholz sauer schmekte (d*). Endlich kann er schleimig sein, wenn uns alles ungeschmakt vorkömmt.
Vielleicht ist es notwendig, daß sich die Wärzchen hervorstrekken und aufrichten (e)? sie schwellen ein wenig auf, wenn man dem Munde eine angenehme Speise an- bietet, und dieses weis ein Freund an der Zunge eines Freundes zu unterscheiden. Folglich schmekket man das- jenige weniger, welches man ohne Acht zu geben herunter- schlingt, indem diejenigen, welche wärend dem Essen eine Sache mit Aufmerksamkeit überlesen, kaum wissen, wie die Speisen geschmekket haben.
Endlich mus der Körper selbst, den wir durch den Geschmak unterscheiden sollen, nothwendig in einen flüs- sigen Zustand gebracht werden. Auf einer troknen Zunge
bringt
(c)[Spaltenumbruch]
Jn Skorbutischen Act. Hafn. T. IV. n. 72. Jm Hipochondri- schen HOFFMANN de saliv. in- spiss. p. 26. An Histerischen VI- RIDET du bon chyle pag. 288.
(d)BENNETUS theatr. tabid. p. 67.
(d*)LANZON de saliv. p. 532.
(e)[Spaltenumbruch]KUSTNER de lingua p. 12. Daß sich die Wärzchen aufrichten, könnte das Exempel der Darm- wärzchen wahrscheinlich machen, welche sich allerdings bei Berüh- rung eines geschmakhaften Kör- pers in die Höhe richten, wie man beim LEIDENFROST voloul. nachlesen kann.
II. Abſchnitt. Werkzeug.
vermoͤge meines Amtes auf dem Lehrſtuhle eine lange Zeit reden muſte, ſo erinnere ich mich, bei der Mittagstafel einen unglaublichen Schmerz waͤrend des Eſſens ausge- ſtanden zu haben, wofern ich nicht die ſanfteſte Speiſen ausſuchte.
Ferner mus unſer Speichel ſeine natuͤrliche Beſchaf- fenheit an ſich haben. Waͤre er bitter, ſo wuͤrden wir ſeinen Geſchmak fuͤr den Geſchmak der Speiſen halten: iſt er ſuͤſſe (c), ſo verfaͤlſcht er die Speiſen durch ſeine ſuͤsliche Beimiſchung, und dieſes Uebel iſt ſehr gemein, und nach hizzigen Krankheiten, ſo wie bei den Hipochon- driſten gewoͤnlich, ob es gleich nicht eben ſehr gefaͤrlich iſt (d). Sauer ſcheinet der Speichel geweſen zu ſein, wenn er Urſache war, daß auch Suͤßholz ſauer ſchmekte (d*). Endlich kann er ſchleimig ſein, wenn uns alles ungeſchmakt vorkoͤmmt.
Vielleicht iſt es notwendig, daß ſich die Waͤrzchen hervorſtrekken und aufrichten (e)? ſie ſchwellen ein wenig auf, wenn man dem Munde eine angenehme Speiſe an- bietet, und dieſes weis ein Freund an der Zunge eines Freundes zu unterſcheiden. Folglich ſchmekket man das- jenige weniger, welches man ohne Acht zu geben herunter- ſchlingt, indem diejenigen, welche waͤrend dem Eſſen eine Sache mit Aufmerkſamkeit uͤberleſen, kaum wiſſen, wie die Speiſen geſchmekket haben.
Endlich mus der Koͤrper ſelbſt, den wir durch den Geſchmak unterſcheiden ſollen, nothwendig in einen fluͤſ- ſigen Zuſtand gebracht werden. Auf einer troknen Zunge
bringt
(c)[Spaltenumbruch]
Jn Skorbutiſchen Act. Hafn. T. IV. n. 72. Jm Hipochondri- ſchen HOFFMANN de ſaliv. in- ſpiſſ. p. 26. An Hiſteriſchen VI- RIDET du bon chyle pag. 288.
(d)BENNETUS theatr. tabid. p. 67.
(d*)LANZON de ſaliv. p. 532.
(e)[Spaltenumbruch]KUSTNER de lingua p. 12. Daß ſich die Waͤrzchen aufrichten, koͤnnte das Exempel der Darm- waͤrzchen wahrſcheinlich machen, welche ſich allerdings bei Beruͤh- rung eines geſchmakhaften Koͤr- pers in die Hoͤhe richten, wie man beim LEIDENFROST voloul. nachleſen kann.
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II. Abſchnitt. Werkzeug.
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reden muſte, ſo erinnere ich mich, bei der Mittagstafel
einen unglaublichen Schmerz waͤrend des Eſſens ausge-
ſtanden zu haben, wofern ich nicht die ſanfteſte Speiſen
ausſuchte.
Ferner mus unſer Speichel ſeine natuͤrliche Beſchaf-
fenheit an ſich haben. Waͤre er bitter, ſo wuͤrden wir
ſeinen Geſchmak fuͤr den Geſchmak der Speiſen halten:
iſt er ſuͤſſe (c), ſo verfaͤlſcht er die Speiſen durch ſeine
ſuͤsliche Beimiſchung, und dieſes Uebel iſt ſehr gemein,
und nach hizzigen Krankheiten, ſo wie bei den Hipochon-
driſten gewoͤnlich, ob es gleich nicht eben ſehr gefaͤrlich
iſt (d). Sauer ſcheinet der Speichel geweſen zu ſein,
wenn er Urſache war, daß auch Suͤßholz ſauer ſchmekte
(d*). Endlich kann er ſchleimig ſein, wenn uns alles
ungeſchmakt vorkoͤmmt.
Vielleicht iſt es notwendig, daß ſich die Waͤrzchen
hervorſtrekken und aufrichten (e)? ſie ſchwellen ein wenig
auf, wenn man dem Munde eine angenehme Speiſe an-
bietet, und dieſes weis ein Freund an der Zunge eines
Freundes zu unterſcheiden. Folglich ſchmekket man das-
jenige weniger, welches man ohne Acht zu geben herunter-
ſchlingt, indem diejenigen, welche waͤrend dem Eſſen eine
Sache mit Aufmerkſamkeit uͤberleſen, kaum wiſſen, wie
die Speiſen geſchmekket haben.
Endlich mus der Koͤrper ſelbſt, den wir durch den
Geſchmak unterſcheiden ſollen, nothwendig in einen fluͤſ-
ſigen Zuſtand gebracht werden. Auf einer troknen Zunge
bringt
(c)
Jn Skorbutiſchen Act. Hafn.
T. IV. n. 72. Jm Hipochondri-
ſchen HOFFMANN de ſaliv. in-
ſpiſſ. p. 26. An Hiſteriſchen VI-
RIDET du bon chyle pag. 288.
(d) BENNETUS theatr. tabid.
p. 67.
(d*) LANZON de ſaliv. p. 532.
(e)
KUSTNER de lingua p. 12.
Daß ſich die Waͤrzchen aufrichten,
koͤnnte das Exempel der Darm-
waͤrzchen wahrſcheinlich machen,
welche ſich allerdings bei Beruͤh-
rung eines geſchmakhaften Koͤr-
pers in die Hoͤhe richten, wie man
beim LEIDENFROST voloul.
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Haller, Albrecht von: Anfangsgründe der Phisiologie des menschlichen Körpers. Bd. 5. Berlin, 1772, S. 413. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/haller_anfangsgruende05_1772/431>, abgerufen am 22.11.2024.
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