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Haller, Albrecht von: Anfangsgründe der Phisiologie des menschlichen Körpers. Bd. 5. Berlin, 1772.

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Der Geschmak. XIII. Buch.
nichts weis, entweder angenehme oder unangenehme Vor-
stellungen, und dieser Sinn kann von keinem andern
Theile nachgeahmt werden. Durch diesen Geschmak
werden wir gereizt, gewisse Speisen oder Getränke zu
uns zu nehmen, oder er verekelt sie uns.

Wenn wir schmekken sollen, werden gewisse Bedin-
gungen nothwendig erfordert. Es mus die Bekleidung
der Zunge, welche mit der Oberhaut viel Aenlichkeit hat,
weder gar zu dikk, noch trokken, noch zu zart, oder weich
sein.

Jst sie zu dikke, so kostet man die Dinge nicht besser,
als man durch eine callöse Oberhaut Körper fühlt. Man
sollte fast glauben, daß bei solchen Menschen, die fast
alles ohne Unterscheid verschlungen, dergleichen Fehler
zum Grunde gelegen haben müsse.

Eine trokne Zunge, dergleichen in Fiebern nicht un-
gewönlich ist, empfindet entweder gar keinen Geschmak,
oder doch nicht den rechten, sondern vielmehr einen falschen.
Ursache zur Trokkenheit ist der Mangel an Speichel, an
ausdünstender Feuchtigkeit im Schlunde, an der Zunge,
und der Mangel des Schleims selbst. Jn den Fiebern
scheint eine so dikke Materie in diese Gefässe getrieben zu
werden, daß sie durch die Mündungen nicht wieder her-
ausfliessen kann. Wenigstens habe ich die Zunge oft ganz
gelbe, oder braun, und wie es gewönlich ist, weiß gesehen:
ich verstehe hierunter aber nicht den Schleim, womit sich
die Zunge an Kranken überzieht, sondern überhaupt die
Wärzchen.

Wenn eben diese Bekleidung der Zunge losgeht, so
fühlt man, statt des Geschmakkes, einen Schmerzen (b),
oder einen mit Geschmak vermischten Schmerz, nachdem
der Körper, der die Zunge berührt, scharf ist. Wenn ich
mir die Zunge noch so leicht verwundet hatte, und dennoch

ver-
(b) CORBETTA beim MALPIGH. p. 74. vom Pfeffer selbst.

Der Geſchmak. XIII. Buch.
nichts weis, entweder angenehme oder unangenehme Vor-
ſtellungen, und dieſer Sinn kann von keinem andern
Theile nachgeahmt werden. Durch dieſen Geſchmak
werden wir gereizt, gewiſſe Speiſen oder Getraͤnke zu
uns zu nehmen, oder er verekelt ſie uns.

Wenn wir ſchmekken ſollen, werden gewiſſe Bedin-
gungen nothwendig erfordert. Es mus die Bekleidung
der Zunge, welche mit der Oberhaut viel Aenlichkeit hat,
weder gar zu dikk, noch trokken, noch zu zart, oder weich
ſein.

Jſt ſie zu dikke, ſo koſtet man die Dinge nicht beſſer,
als man durch eine calloͤſe Oberhaut Koͤrper fuͤhlt. Man
ſollte faſt glauben, daß bei ſolchen Menſchen, die faſt
alles ohne Unterſcheid verſchlungen, dergleichen Fehler
zum Grunde gelegen haben muͤſſe.

Eine trokne Zunge, dergleichen in Fiebern nicht un-
gewoͤnlich iſt, empfindet entweder gar keinen Geſchmak,
oder doch nicht den rechten, ſondern vielmehr einen falſchen.
Urſache zur Trokkenheit iſt der Mangel an Speichel, an
ausduͤnſtender Feuchtigkeit im Schlunde, an der Zunge,
und der Mangel des Schleims ſelbſt. Jn den Fiebern
ſcheint eine ſo dikke Materie in dieſe Gefaͤſſe getrieben zu
werden, daß ſie durch die Muͤndungen nicht wieder her-
ausflieſſen kann. Wenigſtens habe ich die Zunge oft ganz
gelbe, oder braun, und wie es gewoͤnlich iſt, weiß geſehen:
ich verſtehe hierunter aber nicht den Schleim, womit ſich
die Zunge an Kranken uͤberzieht, ſondern uͤberhaupt die
Waͤrzchen.

Wenn eben dieſe Bekleidung der Zunge losgeht, ſo
fuͤhlt man, ſtatt des Geſchmakkes, einen Schmerzen (b),
oder einen mit Geſchmak vermiſchten Schmerz, nachdem
der Koͤrper, der die Zunge beruͤhrt, ſcharf iſt. Wenn ich
mir die Zunge noch ſo leicht verwundet hatte, und dennoch

ver-
(b) CORBETTA beim MALPIGH. p. 74. vom Pfeffer ſelbſt.
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[412/0430] Der Geſchmak. XIII. Buch. nichts weis, entweder angenehme oder unangenehme Vor- ſtellungen, und dieſer Sinn kann von keinem andern Theile nachgeahmt werden. Durch dieſen Geſchmak werden wir gereizt, gewiſſe Speiſen oder Getraͤnke zu uns zu nehmen, oder er verekelt ſie uns. Wenn wir ſchmekken ſollen, werden gewiſſe Bedin- gungen nothwendig erfordert. Es mus die Bekleidung der Zunge, welche mit der Oberhaut viel Aenlichkeit hat, weder gar zu dikk, noch trokken, noch zu zart, oder weich ſein. Jſt ſie zu dikke, ſo koſtet man die Dinge nicht beſſer, als man durch eine calloͤſe Oberhaut Koͤrper fuͤhlt. Man ſollte faſt glauben, daß bei ſolchen Menſchen, die faſt alles ohne Unterſcheid verſchlungen, dergleichen Fehler zum Grunde gelegen haben muͤſſe. Eine trokne Zunge, dergleichen in Fiebern nicht un- gewoͤnlich iſt, empfindet entweder gar keinen Geſchmak, oder doch nicht den rechten, ſondern vielmehr einen falſchen. Urſache zur Trokkenheit iſt der Mangel an Speichel, an ausduͤnſtender Feuchtigkeit im Schlunde, an der Zunge, und der Mangel des Schleims ſelbſt. Jn den Fiebern ſcheint eine ſo dikke Materie in dieſe Gefaͤſſe getrieben zu werden, daß ſie durch die Muͤndungen nicht wieder her- ausflieſſen kann. Wenigſtens habe ich die Zunge oft ganz gelbe, oder braun, und wie es gewoͤnlich iſt, weiß geſehen: ich verſtehe hierunter aber nicht den Schleim, womit ſich die Zunge an Kranken uͤberzieht, ſondern uͤberhaupt die Waͤrzchen. Wenn eben dieſe Bekleidung der Zunge losgeht, ſo fuͤhlt man, ſtatt des Geſchmakkes, einen Schmerzen (b), oder einen mit Geſchmak vermiſchten Schmerz, nachdem der Koͤrper, der die Zunge beruͤhrt, ſcharf iſt. Wenn ich mir die Zunge noch ſo leicht verwundet hatte, und dennoch ver- (b) CORBETTA beim MALPIGH. p. 74. vom Pfeffer ſelbſt.

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Zitationshilfe: Haller, Albrecht von: Anfangsgründe der Phisiologie des menschlichen Körpers. Bd. 5. Berlin, 1772, S. 412. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/haller_anfangsgruende05_1772/430>, abgerufen am 22.11.2024.