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Haller, Albrecht von: Anfangsgründe der Phisiologie des menschlichen Körpers. Bd. 5. Berlin, 1772.

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Der Geruch. XIV. Buch.

Es ist diesen Schlagadern besonders eigen, daß sie
sich unter allen Schlagäderchen des menschlichen Körpers
am leichtesten öffnen, Blut von sich lassen, und bald dar-
auf, ohne eine Spur von einem Uebel zurükke zu lassen,
wieder zuheilen. Jch kann nicht mit Gewisheit sagen,
aus welchem Schlagaderstamme dasjenige Blut herkom-
me, welches die blutende Nase verliert, warscheinlich
ist es, daß solches von den öbersten, und gemeiniglich aus
den vordern herab komme, folglich daß es von den Aesten
der Augenschlagader, und sonderlich von der vordern
Siebschlagader herrühre. Da nun diese ein Sprösling
der innern Carotis ist, so erhellet daraus, daß durch der-
gleichen Abfluß das Blut vom Gehirne mit Nachdrukk
weggeleitet werde, und es läßt sich nicht undeutlich dar-
aus abnehmen, warum man in den schlimmsten Krank-
heiten des Hauptes von einem starken Nasenbluten eine
so offenbare Erleichterung bekömmt, wie ich selbst in einer
heftigen Rose am Kopfe, wobei ich innerhalb zween Ta-
gen durch die Nase beinahe vier Pfunde wegblutete, em-
pfunden, und dessen ich mich als einer besondern Wohl-
that der Natur noch erinnere. Keine andre Schlagadern
im menschlichen Körper lassen ihr Blut so leicht von sich:
denn es müssen die Schlagadern der Gebärmutter etliche
Wochen Zeit haben, das Monatsgeblüte zum Durch-
bruche vorzubereiten.

So leicht aber diese Schlagadern dazu zu bringen
sind, so groß ist die Menge Blut, welches sie einbüssen,
wie wir an einem andern Orte gezeigt haben (h). Ein
Barbier zu Venedig (i) erwekkte, als er die Haare in
der Nase beschneiden wolte, durch seine ungeschikkte Hand
eine so starke Verblutung, daß der arme Mensch dar-
über das Leben einbüste. Jch habe öfters dergleichen
grossen Blutverlust in den Frieselkrankheiten, und den
Blattern sehr heilsam gefunden, ob er gleich bei alten Leu-
ten leicht zur Wassersucht Anlaß giebt.

§. 17.
(h) [Spaltenumbruch] L. II. L. V.
(i) [Spaltenumbruch] COLLADO Advers. II. 36.
Der Geruch. XIV. Buch.

Es iſt dieſen Schlagadern beſonders eigen, daß ſie
ſich unter allen Schlagaͤderchen des menſchlichen Koͤrpers
am leichteſten oͤffnen, Blut von ſich laſſen, und bald dar-
auf, ohne eine Spur von einem Uebel zuruͤkke zu laſſen,
wieder zuheilen. Jch kann nicht mit Gewisheit ſagen,
aus welchem Schlagaderſtamme dasjenige Blut herkom-
me, welches die blutende Naſe verliert, warſcheinlich
iſt es, daß ſolches von den oͤberſten, und gemeiniglich aus
den vordern herab komme, folglich daß es von den Aeſten
der Augenſchlagader, und ſonderlich von der vordern
Siebſchlagader herruͤhre. Da nun dieſe ein Sproͤsling
der innern Carotis iſt, ſo erhellet daraus, daß durch der-
gleichen Abfluß das Blut vom Gehirne mit Nachdrukk
weggeleitet werde, und es laͤßt ſich nicht undeutlich dar-
aus abnehmen, warum man in den ſchlimmſten Krank-
heiten des Hauptes von einem ſtarken Naſenbluten eine
ſo offenbare Erleichterung bekoͤmmt, wie ich ſelbſt in einer
heftigen Roſe am Kopfe, wobei ich innerhalb zween Ta-
gen durch die Naſe beinahe vier Pfunde wegblutete, em-
pfunden, und deſſen ich mich als einer beſondern Wohl-
that der Natur noch erinnere. Keine andre Schlagadern
im menſchlichen Koͤrper laſſen ihr Blut ſo leicht von ſich:
denn es muͤſſen die Schlagadern der Gebaͤrmutter etliche
Wochen Zeit haben, das Monatsgebluͤte zum Durch-
bruche vorzubereiten.

So leicht aber dieſe Schlagadern dazu zu bringen
ſind, ſo groß iſt die Menge Blut, welches ſie einbuͤſſen,
wie wir an einem andern Orte gezeigt haben (h). Ein
Barbier zu Venedig (i) erwekkte, als er die Haare in
der Naſe beſchneiden wolte, durch ſeine ungeſchikkte Hand
eine ſo ſtarke Verblutung, daß der arme Menſch dar-
uͤber das Leben einbuͤſte. Jch habe oͤfters dergleichen
groſſen Blutverluſt in den Frieſelkrankheiten, und den
Blattern ſehr heilſam gefunden, ob er gleich bei alten Leu-
ten leicht zur Waſſerſucht Anlaß giebt.

§. 17.
(h) [Spaltenumbruch] L. II. L. V.
(i) [Spaltenumbruch] COLLADO Adverſ. II. 36.
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[466/0484] Der Geruch. XIV. Buch. Es iſt dieſen Schlagadern beſonders eigen, daß ſie ſich unter allen Schlagaͤderchen des menſchlichen Koͤrpers am leichteſten oͤffnen, Blut von ſich laſſen, und bald dar- auf, ohne eine Spur von einem Uebel zuruͤkke zu laſſen, wieder zuheilen. Jch kann nicht mit Gewisheit ſagen, aus welchem Schlagaderſtamme dasjenige Blut herkom- me, welches die blutende Naſe verliert, warſcheinlich iſt es, daß ſolches von den oͤberſten, und gemeiniglich aus den vordern herab komme, folglich daß es von den Aeſten der Augenſchlagader, und ſonderlich von der vordern Siebſchlagader herruͤhre. Da nun dieſe ein Sproͤsling der innern Carotis iſt, ſo erhellet daraus, daß durch der- gleichen Abfluß das Blut vom Gehirne mit Nachdrukk weggeleitet werde, und es laͤßt ſich nicht undeutlich dar- aus abnehmen, warum man in den ſchlimmſten Krank- heiten des Hauptes von einem ſtarken Naſenbluten eine ſo offenbare Erleichterung bekoͤmmt, wie ich ſelbſt in einer heftigen Roſe am Kopfe, wobei ich innerhalb zween Ta- gen durch die Naſe beinahe vier Pfunde wegblutete, em- pfunden, und deſſen ich mich als einer beſondern Wohl- that der Natur noch erinnere. Keine andre Schlagadern im menſchlichen Koͤrper laſſen ihr Blut ſo leicht von ſich: denn es muͤſſen die Schlagadern der Gebaͤrmutter etliche Wochen Zeit haben, das Monatsgebluͤte zum Durch- bruche vorzubereiten. So leicht aber dieſe Schlagadern dazu zu bringen ſind, ſo groß iſt die Menge Blut, welches ſie einbuͤſſen, wie wir an einem andern Orte gezeigt haben (h). Ein Barbier zu Venedig (i) erwekkte, als er die Haare in der Naſe beſchneiden wolte, durch ſeine ungeſchikkte Hand eine ſo ſtarke Verblutung, daß der arme Menſch dar- uͤber das Leben einbuͤſte. Jch habe oͤfters dergleichen groſſen Blutverluſt in den Frieſelkrankheiten, und den Blattern ſehr heilſam gefunden, ob er gleich bei alten Leu- ten leicht zur Waſſerſucht Anlaß giebt. §. 17. (h) L. II. L. V. (i) COLLADO Adverſ. II. 36.

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Zitationshilfe: Haller, Albrecht von: Anfangsgründe der Phisiologie des menschlichen Körpers. Bd. 5. Berlin, 1772, S. 466. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/haller_anfangsgruende05_1772/484>, abgerufen am 29.06.2024.