weil sie dergleichen Eier speisen, und der Käse riechet denjenigen vortreflich, welche diese Speise gerne essen. Die Afrikaner genissen das faule Fleisch von Elephanten. Die Römer rechneten die Salzbrühen von Fischrogen, oder diese Tunke von faulen Fischlebern, so widerlich sie auch rochen, unter die Lekkerbissen.
Aber dennoch kann man nicht zweifeln, daß auch eine gewisse angeborne, und dem ganzen Menschengeschlechte eigne Neigung in der Natur statt habe, kraft welcher man Violen, Rosen und Zimmet gerne riecht, und den Gestank von menschlichen Leichnamen, von Koth, und vom Amerikanischen Stinkthiere verabscheut.
Es scheinet diese Annemlichkeit auf eine mittelmäßige Temperirung des Geruches anzukommen. Gar zu schwa- che Gerüche rühren uns kaum, und die zu heftigen fallen uns beschwerlich. Wir haben bereits erwähnt (f), daß frischer Mosch unangenehm riecht, und wenn eben dieser in etwas geschwächt worden, und einen Theil seiner Kräfte eingebüßt, so fängt er an zu gefallen. Eben so ist es mit einem faulen und eben gekochten frischen Eie beschaf- fen; der erstere Geruch ist uns widerlich, und der andre beliebt, und gefällig. Jm Moselerweine stekkt ein zarter Geruch von Kazzenurin, der aber in den Muskateller- trauben, weil er schwach ist, angenem riecht. Der Ge- ruch der Tuberose, und Hiacinthe, so wie des sirischen Apocinum (Wolfsmilch) fällt uns mit seiner Heftigkeit beschwerlich. Dahingegen fehlet es den gar zu schwachen Gerüchen an der Wirksamkeit, um uns zu gefallen. So riechet das Holz von der Buche, welches sonst keinen Geruch von sich giebt, wie wir eben gesagt haben, unter dem Dreheisen der Drechsler angenemer (g). Und da- her kömmt es, daß Fleisch welches sonst ohne allen Ge- ruch ist, gebraten sehr angenem riecht.
Hier-
(f)[Spaltenumbruch]p. 163.
(g)[Spaltenumbruch]p. 169.
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II. Abſchnitt. Werkzeug.
weil ſie dergleichen Eier ſpeiſen, und der Kaͤſe riechet denjenigen vortreflich, welche dieſe Speiſe gerne eſſen. Die Afrikaner geniſſen das faule Fleiſch von Elephanten. Die Roͤmer rechneten die Salzbruͤhen von Fiſchrogen, oder dieſe Tunke von faulen Fiſchlebern, ſo widerlich ſie auch rochen, unter die Lekkerbiſſen.
Aber dennoch kann man nicht zweifeln, daß auch eine gewiſſe angeborne, und dem ganzen Menſchengeſchlechte eigne Neigung in der Natur ſtatt habe, kraft welcher man Violen, Roſen und Zimmet gerne riecht, und den Geſtank von menſchlichen Leichnamen, von Koth, und vom Amerikaniſchen Stinkthiere verabſcheut.
Es ſcheinet dieſe Annemlichkeit auf eine mittelmaͤßige Temperirung des Geruches anzukommen. Gar zu ſchwa- che Geruͤche ruͤhren uns kaum, und die zu heftigen fallen uns beſchwerlich. Wir haben bereits erwaͤhnt (f), daß friſcher Moſch unangenehm riecht, und wenn eben dieſer in etwas geſchwaͤcht worden, und einen Theil ſeiner Kraͤfte eingebuͤßt, ſo faͤngt er an zu gefallen. Eben ſo iſt es mit einem faulen und eben gekochten friſchen Eie beſchaf- fen; der erſtere Geruch iſt uns widerlich, und der andre beliebt, und gefaͤllig. Jm Moſelerweine ſtekkt ein zarter Geruch von Kazzenurin, der aber in den Muſkateller- trauben, weil er ſchwach iſt, angenem riecht. Der Ge- ruch der Tuberoſe, und Hiacinthe, ſo wie des ſiriſchen Apocinum (Wolfsmilch) faͤllt uns mit ſeiner Heftigkeit beſchwerlich. Dahingegen fehlet es den gar zu ſchwachen Geruͤchen an der Wirkſamkeit, um uns zu gefallen. So riechet das Holz von der Buche, welches ſonſt keinen Geruch von ſich giebt, wie wir eben geſagt haben, unter dem Dreheiſen der Drechsler angenemer (g). Und da- her koͤmmt es, daß Fleiſch welches ſonſt ohne allen Ge- ruch iſt, gebraten ſehr angenem riecht.
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II. Abſchnitt. Werkzeug.
weil ſie dergleichen Eier ſpeiſen, und der Kaͤſe riechet
denjenigen vortreflich, welche dieſe Speiſe gerne eſſen.
Die Afrikaner geniſſen das faule Fleiſch von Elephanten.
Die Roͤmer rechneten die Salzbruͤhen von Fiſchrogen,
oder dieſe Tunke von faulen Fiſchlebern, ſo widerlich ſie
auch rochen, unter die Lekkerbiſſen.
Aber dennoch kann man nicht zweifeln, daß auch eine
gewiſſe angeborne, und dem ganzen Menſchengeſchlechte
eigne Neigung in der Natur ſtatt habe, kraft welcher
man Violen, Roſen und Zimmet gerne riecht, und den
Geſtank von menſchlichen Leichnamen, von Koth, und
vom Amerikaniſchen Stinkthiere verabſcheut.
Es ſcheinet dieſe Annemlichkeit auf eine mittelmaͤßige
Temperirung des Geruches anzukommen. Gar zu ſchwa-
che Geruͤche ruͤhren uns kaum, und die zu heftigen fallen
uns beſchwerlich. Wir haben bereits erwaͤhnt (f), daß
friſcher Moſch unangenehm riecht, und wenn eben dieſer
in etwas geſchwaͤcht worden, und einen Theil ſeiner Kraͤfte
eingebuͤßt, ſo faͤngt er an zu gefallen. Eben ſo iſt es
mit einem faulen und eben gekochten friſchen Eie beſchaf-
fen; der erſtere Geruch iſt uns widerlich, und der andre
beliebt, und gefaͤllig. Jm Moſelerweine ſtekkt ein zarter
Geruch von Kazzenurin, der aber in den Muſkateller-
trauben, weil er ſchwach iſt, angenem riecht. Der Ge-
ruch der Tuberoſe, und Hiacinthe, ſo wie des ſiriſchen
Apocinum (Wolfsmilch) faͤllt uns mit ſeiner Heftigkeit
beſchwerlich. Dahingegen fehlet es den gar zu ſchwachen
Geruͤchen an der Wirkſamkeit, um uns zu gefallen. So
riechet das Holz von der Buche, welches ſonſt keinen
Geruch von ſich giebt, wie wir eben geſagt haben, unter
dem Dreheiſen der Drechsler angenemer (g). Und da-
her koͤmmt es, daß Fleiſch welches ſonſt ohne allen Ge-
ruch iſt, gebraten ſehr angenem riecht.
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Haller, Albrecht von: Anfangsgründe der Phisiologie des menschlichen Körpers. Bd. 5. Berlin, 1772, S. 499. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/haller_anfangsgruende05_1772/517>, abgerufen am 22.11.2024.
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