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Haller, Albrecht von: Anfangsgründe der Phisiologie des menschlichen Körpers. Bd. 5. Berlin, 1772.

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Der Geruch. XIV. Buch.

Hieraus erhellet nun, daß ein Geruch Jemanden an-
genem sein könne, wenn er gleich einer andern Person
misfällig ist. Derjenige, welcher einen scharfen Geruch
besizzet, pflegt die heftigen Gerüche nicht so gut vertra-
gen zu können. Aus dieser Ursache kann ich, da ich ei-
nen scharfen Geruch besizze, Käse, noch so wenig gefaul-
tes Fleisch, und keine etwas starke Gerüche vertragen,
dahingegen die, welche sich des Schnupftabaks, des Wein-
trinkens bedienen und dadurch die Werkzeuge der Nase
angreifen, dergleichen Gerüche leicht ertragen.

§. 10.
Ob die Materie die Geruch machet, auch zugleich
den Geschmakk verursacht.

Es stekkt in der That in beiden Sinnen eine grosse
Analogie, welche bereits den Alten (h) so wie den Neuern
bekannt war (i). Aristoteles sagte, daß alles, was
zugleich feuchte, und zugleich schmakkhaft ist, getrokknet
einen Geruch von sich gebe, und es hat berümte Män-
ner gegeben, welche für beide Sinnen einen gemeinschaft-
lichen Grundsinn, oder einen herrschenden Lebensgeist an-
nehmen (l). Wenigstens giebt es Körper, deren Ge-
rüche ihren Geschmakk in der Nase vorstellig machen,
dergleichen einige bittre Sachen, der Wein, der Eßig,
und der saure Saft aus dem Franzosenholze (guajacum),
oder gebratenes Fleisch sind (l*).

Sobald diese flüchtige Theile zerstört werden, welche
den Geruch verursachen, so hört zugleich der Geschmakk
auf. So verliert Zimmet, von welchem man sein Oel
überdestillirt hat, nebst den Geruche auch den Geschmakk,
und es pflegen überhaupt wohlriechende Kräuter, von
denen man den geistigen und den wässrigen Extrakt ge-
(k)

nom-
(h) [Spaltenumbruch] THEOPHRASTUS caus. pl.
t. L. VI. c.
12.
(i) Le GAT p. 230.
(l) [Spaltenumbruch] BOERHAAVE praelect. T.
IV. n. 507. p.
72.
(l*) Idem, morb. nerv. p. 735.
(k) De sensu n. 5.
Der Geruch. XIV. Buch.

Hieraus erhellet nun, daß ein Geruch Jemanden an-
genem ſein koͤnne, wenn er gleich einer andern Perſon
misfaͤllig iſt. Derjenige, welcher einen ſcharfen Geruch
beſizzet, pflegt die heftigen Geruͤche nicht ſo gut vertra-
gen zu koͤnnen. Aus dieſer Urſache kann ich, da ich ei-
nen ſcharfen Geruch beſizze, Kaͤſe, noch ſo wenig gefaul-
tes Fleiſch, und keine etwas ſtarke Geruͤche vertragen,
dahingegen die, welche ſich des Schnupftabaks, des Wein-
trinkens bedienen und dadurch die Werkzeuge der Naſe
angreifen, dergleichen Geruͤche leicht ertragen.

§. 10.
Ob die Materie die Geruch machet, auch zugleich
den Geſchmakk verurſacht.

Es ſtekkt in der That in beiden Sinnen eine groſſe
Analogie, welche bereits den Alten (h) ſo wie den Neuern
bekannt war (i). Ariſtoteles ſagte, daß alles, was
zugleich feuchte, und zugleich ſchmakkhaft iſt, getrokknet
einen Geruch von ſich gebe, und es hat beruͤmte Maͤn-
ner gegeben, welche fuͤr beide Sinnen einen gemeinſchaft-
lichen Grundſinn, oder einen herrſchenden Lebensgeiſt an-
nehmen (l). Wenigſtens giebt es Koͤrper, deren Ge-
ruͤche ihren Geſchmakk in der Naſe vorſtellig machen,
dergleichen einige bittre Sachen, der Wein, der Eßig,
und der ſaure Saft aus dem Franzoſenholze (guajacum),
oder gebratenes Fleiſch ſind (l*).

Sobald dieſe fluͤchtige Theile zerſtoͤrt werden, welche
den Geruch verurſachen, ſo hoͤrt zugleich der Geſchmakk
auf. So verliert Zimmet, von welchem man ſein Oel
uͤberdeſtillirt hat, nebſt den Geruche auch den Geſchmakk,
und es pflegen uͤberhaupt wohlriechende Kraͤuter, von
denen man den geiſtigen und den waͤſſrigen Extrakt ge-
(k)

nom-
(h) [Spaltenumbruch] THEOPHRASTUS cauſ. pl.
t. L. VI. c.
12.
(i) Le GAT p. 230.
(l) [Spaltenumbruch] BOERHAAVE prælect. T.
IV. n. 507. p.
72.
(l*) Idem, morb. nerv. p. 735.
(k) De ſenſu n. 5.
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[500/0518] Der Geruch. XIV. Buch. Hieraus erhellet nun, daß ein Geruch Jemanden an- genem ſein koͤnne, wenn er gleich einer andern Perſon misfaͤllig iſt. Derjenige, welcher einen ſcharfen Geruch beſizzet, pflegt die heftigen Geruͤche nicht ſo gut vertra- gen zu koͤnnen. Aus dieſer Urſache kann ich, da ich ei- nen ſcharfen Geruch beſizze, Kaͤſe, noch ſo wenig gefaul- tes Fleiſch, und keine etwas ſtarke Geruͤche vertragen, dahingegen die, welche ſich des Schnupftabaks, des Wein- trinkens bedienen und dadurch die Werkzeuge der Naſe angreifen, dergleichen Geruͤche leicht ertragen. §. 10. Ob die Materie die Geruch machet, auch zugleich den Geſchmakk verurſacht. Es ſtekkt in der That in beiden Sinnen eine groſſe Analogie, welche bereits den Alten (h) ſo wie den Neuern bekannt war (i). Ariſtoteles ſagte, daß alles, was zugleich feuchte, und zugleich ſchmakkhaft iſt, getrokknet einen Geruch von ſich gebe, und es hat beruͤmte Maͤn- ner gegeben, welche fuͤr beide Sinnen einen gemeinſchaft- lichen Grundſinn, oder einen herrſchenden Lebensgeiſt an- nehmen (l). Wenigſtens giebt es Koͤrper, deren Ge- ruͤche ihren Geſchmakk in der Naſe vorſtellig machen, dergleichen einige bittre Sachen, der Wein, der Eßig, und der ſaure Saft aus dem Franzoſenholze (guajacum), oder gebratenes Fleiſch ſind (l*). Sobald dieſe fluͤchtige Theile zerſtoͤrt werden, welche den Geruch verurſachen, ſo hoͤrt zugleich der Geſchmakk auf. So verliert Zimmet, von welchem man ſein Oel uͤberdeſtillirt hat, nebſt den Geruche auch den Geſchmakk, und es pflegen uͤberhaupt wohlriechende Kraͤuter, von denen man den geiſtigen und den waͤſſrigen Extrakt ge- nom- (k) (h) THEOPHRASTUS cauſ. pl. t. L. VI. c. 12. (i) Le GAT p. 230. (l) BOERHAAVE prælect. T. IV. n. 507. p. 72. (l*) Idem, morb. nerv. p. 735. (k) De ſenſu n. 5.

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Zitationshilfe: Haller, Albrecht von: Anfangsgründe der Phisiologie des menschlichen Körpers. Bd. 5. Berlin, 1772, S. 500. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/haller_anfangsgruende05_1772/518>, abgerufen am 22.11.2024.