so einbilden, daß man von der Seele die Ursache zur Be- wegung hernehmen müsse, weil der Körper keine andre, als eine von ihr erborgte Bewegung hervor zu bringen vermögend sei (z). Allein diese Ordnung steht den leich- testen Erfahrungen (a) im Wege, aus denen man lernt, wie von dem Schlage einer Lanzette, dessen Gewicht man leicht berechnen könnte, ein Kramf in unzälbaren Mus- keln auch so gar an todten Thieren, und eine Gewalt her- vorgebracht werde, welche tausend Pfunde über den Hau- fen werfen könnte.
Jch machte auch den Anfang, an dieser Gewalt einige Grade feste zu sezzen, und zu zeigen, daß unter den Muskeln das Herz (b) mit den Herzohren die allerstärkste Reizbarkeit besizze, daß auf dieses die Gedärme zu folgen scheinen (c), und daß gemeiniglich die übrigen Muskeln viel ehe einschlafen, als das Herz oder das Gedärme. Jch mutmaße, daß das Zwerchfell über alle andre Mus- keln einige Vorzüge besizze (d). Und daraus glaube ich, begreiflich machen zu können, warum die Lebenstheile, das Herz und das Gedärme (e), auch sogar im Schlafe, seine
Be-
(z)[Spaltenumbruch]
Davon soll an einem andern Orte weitläuftiger gehandelt wer- den, siehe SAUVAGES disp. cit.
(a)FONTANA p. 239.
(b)L. IV. p. 466. prem. mem. p. 69. 78. du poulet. Exp. 268. 269. 270. T. IV. Exp. 1. second. mem p 385. ZIMMERMAN. p. 38. Exp. 43. Ob dieses gleich nach unsren Erfarungen nicht sehr ungewönlich oder seltsam ist; wie auch nach den Versuchen des AN- DREAE p. 25. daß manche Mus- keln eine längere Bewegung als das Herz selbst gehabt haben; in- dessen hat doch hierinnen das Herz und in kalten Thieren fast allezeit den Vorzug. Da bei einem allge- meinen Kramfe, tetanus genannt, alles steif und unbeweglich war, [Spaltenumbruch]
konnte der Kranke doch noch schlin- gen und Atemholen. Med. Muf. T. II. n. 1. Einer, der vom Stein- kolendampfe ohne Gefül war, und an dem keine Muskeln ihr Amt verrichteten, konnte noch Atem holen, Phil. trans. Vol. L. II. P. 2. Alle Gelenke waren zusammen- gewachsen, und nur die Ribben, wegen beständiger Bewegung, srei. COLUMBUS de re anat. p. 264.
(c)prem. mem. p. 387. Se- cond. mem. p. 340. Es schreibt solches allein der blossen Wärme zu, ZIMMERMANN. l. c. OEDER Exp. 5.
(d)Prem. mem. p. 65. L. VIII. pag. 84. Second. mem. pag. 387. OEDER Exp. 1. ZIMMERM. disp. p. 19. ANDREAE p. 25.
(e)prem. mem. p. 77.
Thieriſche Bewegung. XI. Buch.
ſo einbilden, daß man von der Seele die Urſache zur Be- wegung hernehmen muͤſſe, weil der Koͤrper keine andre, als eine von ihr erborgte Bewegung hervor zu bringen vermoͤgend ſei (z). Allein dieſe Ordnung ſteht den leich- teſten Erfahrungen (a) im Wege, aus denen man lernt, wie von dem Schlage einer Lanzette, deſſen Gewicht man leicht berechnen koͤnnte, ein Kramf in unzaͤlbaren Muſ- keln auch ſo gar an todten Thieren, und eine Gewalt her- vorgebracht werde, welche tauſend Pfunde uͤber den Hau- fen werfen koͤnnte.
Jch machte auch den Anfang, an dieſer Gewalt einige Grade feſte zu ſezzen, und zu zeigen, daß unter den Muſkeln das Herz (b) mit den Herzohren die allerſtaͤrkſte Reizbarkeit beſizze, daß auf dieſes die Gedaͤrme zu folgen ſcheinen (c), und daß gemeiniglich die uͤbrigen Muſkeln viel ehe einſchlafen, als das Herz oder das Gedaͤrme. Jch mutmaße, daß das Zwerchfell uͤber alle andre Muſ- keln einige Vorzuͤge beſizze (d). Und daraus glaube ich, begreiflich machen zu koͤnnen, warum die Lebenstheile, das Herz und das Gedaͤrme (e), auch ſogar im Schlafe, ſeine
Be-
(z)[Spaltenumbruch]
Davon ſoll an einem andern Orte weitlaͤuftiger gehandelt wer- den, ſiehe SAUVAGES diſp. cit.
(a)FONTANA p. 239.
(b)L. IV. p. 466. prem. mem. p. 69. 78. du poulet. Exp. 268. 269. 270. T. IV. Exp. 1. ſecond. mem p 385. ZIMMERMAN. p. 38. Exp. 43. Ob dieſes gleich nach unſren Erfarungen nicht ſehr ungewoͤnlich oder ſeltſam iſt; wie auch nach den Verſuchen des AN- DREÆ p. 25. daß manche Muſ- keln eine laͤngere Bewegung als das Herz ſelbſt gehabt haben; in- deſſen hat doch hierinnen das Herz und in kalten Thieren faſt allezeit den Vorzug. Da bei einem allge- meinen Kramfe, tetanus genannt, alles ſteif und unbeweglich war, [Spaltenumbruch]
konnte der Kranke doch noch ſchlin- gen und Atemholen. Med. Muf. T. II. n. 1. Einer, der vom Stein- kolendampfe ohne Gefuͤl war, und an dem keine Muſkeln ihr Amt verrichteten, konnte noch Atem holen, Phil. trans. Vol. L. II. P. 2. Alle Gelenke waren zuſammen- gewachſen, und nur die Ribben, wegen beſtaͤndiger Bewegung, ſrei. COLUMBUS de re anat. p. 264.
(c)prem. mem. p. 387. Se- cond. mem. p. 340. Es ſchreibt ſolches allein der bloſſen Waͤrme zu, ZIMMERMANN. l. c. OEDER Exp. 5.
(d)Prem. mem. p. 65. L. VIII. pag. 84. Second. mem. pag. 387. OEDER Exp. 1. ZIMMERM. diſp. p. 19. ANDREÆ p. 25.
(e)prem. mem. p. 77.
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[38/0056]
Thieriſche Bewegung. XI. Buch.
ſo einbilden, daß man von der Seele die Urſache zur Be-
wegung hernehmen muͤſſe, weil der Koͤrper keine andre,
als eine von ihr erborgte Bewegung hervor zu bringen
vermoͤgend ſei (z). Allein dieſe Ordnung ſteht den leich-
teſten Erfahrungen (a) im Wege, aus denen man lernt,
wie von dem Schlage einer Lanzette, deſſen Gewicht man
leicht berechnen koͤnnte, ein Kramf in unzaͤlbaren Muſ-
keln auch ſo gar an todten Thieren, und eine Gewalt her-
vorgebracht werde, welche tauſend Pfunde uͤber den Hau-
fen werfen koͤnnte.
Jch machte auch den Anfang, an dieſer Gewalt einige
Grade feſte zu ſezzen, und zu zeigen, daß unter den
Muſkeln das Herz (b) mit den Herzohren die allerſtaͤrkſte
Reizbarkeit beſizze, daß auf dieſes die Gedaͤrme zu folgen
ſcheinen (c), und daß gemeiniglich die uͤbrigen Muſkeln
viel ehe einſchlafen, als das Herz oder das Gedaͤrme.
Jch mutmaße, daß das Zwerchfell uͤber alle andre Muſ-
keln einige Vorzuͤge beſizze (d). Und daraus glaube ich,
begreiflich machen zu koͤnnen, warum die Lebenstheile, das
Herz und das Gedaͤrme (e), auch ſogar im Schlafe, ſeine
Be-
(z)
Davon ſoll an einem andern
Orte weitlaͤuftiger gehandelt wer-
den, ſiehe SAUVAGES diſp.
cit.
(a) FONTANA p. 239.
(b) L. IV. p. 466. prem. mem.
p. 69. 78. du poulet. Exp. 268.
269. 270. T. IV. Exp. 1. ſecond.
mem p 385. ZIMMERMAN.
p. 38. Exp. 43. Ob dieſes gleich
nach unſren Erfarungen nicht ſehr
ungewoͤnlich oder ſeltſam iſt; wie
auch nach den Verſuchen des AN-
DREÆ p. 25. daß manche Muſ-
keln eine laͤngere Bewegung als
das Herz ſelbſt gehabt haben; in-
deſſen hat doch hierinnen das Herz
und in kalten Thieren faſt allezeit
den Vorzug. Da bei einem allge-
meinen Kramfe, tetanus genannt,
alles ſteif und unbeweglich war,
konnte der Kranke doch noch ſchlin-
gen und Atemholen. Med. Muf.
T. II. n. 1. Einer, der vom Stein-
kolendampfe ohne Gefuͤl war, und
an dem keine Muſkeln ihr Amt
verrichteten, konnte noch Atem
holen, Phil. trans. Vol. L. II. P. 2.
Alle Gelenke waren zuſammen-
gewachſen, und nur die Ribben,
wegen beſtaͤndiger Bewegung, ſrei.
COLUMBUS de re anat. p. 264.
(c) prem. mem. p. 387. Se-
cond. mem. p. 340. Es ſchreibt
ſolches allein der bloſſen Waͤrme
zu, ZIMMERMANN. l. c.
OEDER Exp. 5.
(d) Prem. mem. p. 65. L. VIII.
pag. 84. Second. mem. pag. 387.
OEDER Exp. 1. ZIMMERM.
diſp. p. 19. ANDREÆ p. 25.
(e) prem. mem. p. 77.
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Haller, Albrecht von: Anfangsgründe der Phisiologie des menschlichen Körpers. Bd. 5. Berlin, 1772, S. 38. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/haller_anfangsgruende05_1772/56>, abgerufen am 21.11.2024.
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