Bewegungen in eins fortsetzen, indem gedachte Theile nicht nur äusserst reizbar an sich selbst sind, sondern auch beständig gereizt werden. Es scheinet nämlich der ein- fältigste Grund, warum andre Muskeln, die unter den Befelen des Willens stehen, nicht von selbst Bewegungen machen, dieser zu sein, weil sie weniger reizbar sind; denn wenn sich auch diese Muskeln bewegen, so bald man einen grössern Reiz an sie bringt, es mag selbiger entwe- der von einer äusserlichen reizenden Ursache, wodurch der Kramf erwekkt wird, oder von dem Willen der Seele, auf den der Strom des reizenden Nervensaftes bis zu den Muskeln zu folgen scheinet, herrühren, so läst sich über- haupt sehr warscheinlich daraus schliessen, daß solche Mus- keln darum von den geringern Reizen des menschlichen Lebens, und von der leichten Berührung der benachbar- ten Schlagadern nicht zur Bewegung ermuntert werden, weil diese Reize viel zu schwach, und nicht geschickt sind, die träge Reizkraft bis zu einem völligen Zusammenziehen zu vermögen.
Man kann es also diesen unsern Arbeiten zuschreiben, daß der alte Name Reizbarkeit (f) hin und wieder zu- gleich mit meinem Namen wiederholet, und von grossen Männern diese Kraft, als was neues, unter die Erfindun- gen der Deutschen mit eingerükkt wird (g). Doch ich nehme mir deswegen nichts vor andern voraus (h), indem ich die Arbeiten andrer Männer vor mir mit Danke der meinigen vorziehe (i), und mich gern bescheide, daß ich von dem völligen Lichte der Warheit noch weit genung entfernt bin. Einige berümte Männer unter den Neuern nennen sie lieber die Lebenskraft(k) allein dieser Na- me gefällt mir nicht so gut, weil unsre Kraft, die Kraft
des
(f)[Spaltenumbruch]TISSOT in praef. PE- TRINI p. 293. CALDANUS Lett. III. p. 13. FONTANA p. 241. CIGNA.
(g)[Spaltenumbruch]Comes de ROEDER in hist. de l'Acad. de Berlin T. XI.
(h)Rep. a M. WHYTT p. 124.
(i)Ibid.
(k)GAUBIUS pag. 75.
C 4
II. Abſchnitt. Erſcheinungen.
Bewegungen in eins fortſetzen, indem gedachte Theile nicht nur aͤuſſerſt reizbar an ſich ſelbſt ſind, ſondern auch beſtaͤndig gereizt werden. Es ſcheinet naͤmlich der ein- faͤltigſte Grund, warum andre Muſkeln, die unter den Befelen des Willens ſtehen, nicht von ſelbſt Bewegungen machen, dieſer zu ſein, weil ſie weniger reizbar ſind; denn wenn ſich auch dieſe Muſkeln bewegen, ſo bald man einen groͤſſern Reiz an ſie bringt, es mag ſelbiger entwe- der von einer aͤuſſerlichen reizenden Urſache, wodurch der Kramf erwekkt wird, oder von dem Willen der Seele, auf den der Strom des reizenden Nervenſaftes bis zu den Muſkeln zu folgen ſcheinet, herruͤhren, ſo laͤſt ſich uͤber- haupt ſehr warſcheinlich daraus ſchlieſſen, daß ſolche Muſ- keln darum von den geringern Reizen des menſchlichen Lebens, und von der leichten Beruͤhrung der benachbar- ten Schlagadern nicht zur Bewegung ermuntert werden, weil dieſe Reize viel zu ſchwach, und nicht geſchickt ſind, die traͤge Reizkraft bis zu einem voͤlligen Zuſammenziehen zu vermoͤgen.
Man kann es alſo dieſen unſern Arbeiten zuſchreiben, daß der alte Name Reizbarkeit (f) hin und wieder zu- gleich mit meinem Namen wiederholet, und von groſſen Maͤnnern dieſe Kraft, als was neues, unter die Erfindun- gen der Deutſchen mit eingeruͤkkt wird (g). Doch ich nehme mir deswegen nichts vor andern voraus (h), indem ich die Arbeiten andrer Maͤnner vor mir mit Danke der meinigen vorziehe (i), und mich gern beſcheide, daß ich von dem voͤlligen Lichte der Warheit noch weit genung entfernt bin. Einige beruͤmte Maͤnner unter den Neuern nennen ſie lieber die Lebenskraft(k) allein dieſer Na- me gefaͤllt mir nicht ſo gut, weil unſre Kraft, die Kraft
des
(f)[Spaltenumbruch]TISSOT in præf. PE- TRINI p. 293. CALDANUS Lett. III. p. 13. FONTANA p. 241. CIGNA.
(g)[Spaltenumbruch]Comes de ROEDER in hiſt. de l’Acad. de Berlin T. XI.
(h)Rep. a M. WHYTT p. 124.
(i)Ibid.
(k)GAUBIUS pag. 75.
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II. Abſchnitt. Erſcheinungen.
Bewegungen in eins fortſetzen, indem gedachte Theile
nicht nur aͤuſſerſt reizbar an ſich ſelbſt ſind, ſondern auch
beſtaͤndig gereizt werden. Es ſcheinet naͤmlich der ein-
faͤltigſte Grund, warum andre Muſkeln, die unter den
Befelen des Willens ſtehen, nicht von ſelbſt Bewegungen
machen, dieſer zu ſein, weil ſie weniger reizbar ſind;
denn wenn ſich auch dieſe Muſkeln bewegen, ſo bald man
einen groͤſſern Reiz an ſie bringt, es mag ſelbiger entwe-
der von einer aͤuſſerlichen reizenden Urſache, wodurch
der Kramf erwekkt wird, oder von dem Willen der Seele,
auf den der Strom des reizenden Nervenſaftes bis zu den
Muſkeln zu folgen ſcheinet, herruͤhren, ſo laͤſt ſich uͤber-
haupt ſehr warſcheinlich daraus ſchlieſſen, daß ſolche Muſ-
keln darum von den geringern Reizen des menſchlichen
Lebens, und von der leichten Beruͤhrung der benachbar-
ten Schlagadern nicht zur Bewegung ermuntert werden,
weil dieſe Reize viel zu ſchwach, und nicht geſchickt ſind,
die traͤge Reizkraft bis zu einem voͤlligen Zuſammenziehen
zu vermoͤgen.
Man kann es alſo dieſen unſern Arbeiten zuſchreiben,
daß der alte Name Reizbarkeit (f) hin und wieder zu-
gleich mit meinem Namen wiederholet, und von groſſen
Maͤnnern dieſe Kraft, als was neues, unter die Erfindun-
gen der Deutſchen mit eingeruͤkkt wird (g). Doch ich
nehme mir deswegen nichts vor andern voraus (h), indem
ich die Arbeiten andrer Maͤnner vor mir mit Danke der
meinigen vorziehe (i), und mich gern beſcheide, daß ich
von dem voͤlligen Lichte der Warheit noch weit genung
entfernt bin. Einige beruͤmte Maͤnner unter den Neuern
nennen ſie lieber die Lebenskraft (k) allein dieſer Na-
me gefaͤllt mir nicht ſo gut, weil unſre Kraft, die Kraft
des
(f)
TISSOT in præf. PE-
TRINI p. 293. CALDANUS
Lett. III. p. 13. FONTANA
p. 241. CIGNA.
(g)
Comes de ROEDER in
hiſt. de l’Acad. de Berlin T. XI.
(h) Rep. a M. WHYTT p. 124.
(i) Ibid.
(k) GAUBIUS pag. 75.
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Haller, Albrecht von: Anfangsgründe der Phisiologie des menschlichen Körpers. Bd. 5. Berlin, 1772, S. 39. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/haller_anfangsgruende05_1772/57>, abgerufen am 21.11.2024.
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