konnte, wenn er einen Stab feste gegen die Kanzel an- drükkte, von der der Prediger redete, und diesen Stab zwischen die Zähne brachte (s+), vernehmlich hören. Ein musikalischer Tauber nahm den Wirbel zwischen die Zähne, und spielte, wenn er nun die Thöne hörte, die Laute nach der Kunst (t); oder es konnte auch Je- mand, wenn er die Finger an eine Zitter hielte, die Thöne unterscheiden (u). Was man über dem Arme oder Rükken einer tauben Jungfer schrieb, konnte diese sehr gut hören (x). Ein Tauber, der die Person, so mit ihr spricht, bei der Hand hält, kann gleichsam die Silben der Worte aus dem Zittren verstehen (y). Es ist Tauben gemein, dasjenige zu hören, was man über ihrem Kopfe ausspricht, indem das Zittren ganz nahe in die Knochen des Hauptes eindringt, und sich dem Jn- nersten des Ohrs mittheilt (y*). Auch das kleinste Ge- räusche, welches man an einem Gefässe macht, worin- nen Fische sind, wird von diesen empfunden (z).
Aus diesen Versuchen erhellet, daß das Zittern eines klingenden Körpers, durch einen festen Körper zum Menschen gelange, und gehöret werde, wenn nur die Knochen seiner Gehirnschale in ähnliche Erschütterungen versetzt worden.
So giebt in dem berühmten Versuche, wodurch man zu erweisen sucht, daß die Luft allein das klingende Mit-
tel
(s+)[Spaltenumbruch]
Breslauer Versuche n. 21. Auf eben solche Weise macht man das Geräusche, so man bei Nacht- zeit auf der Erde verursacht, ver- nemlich FABRIC. ibid. p. 38.
(t)BOERHAAVE, ibid. IN- GRASSIUS, de ossib. p. 7. 9. DUVERNEY, p. 90. SCHEL- HAMMER. KIRCHER, pho- nurg. FABRIC. p. 78. Eph. nat. cur. Dec. 1. ann. I. obs. 35. welcher auf diese Art Tauben reden lehrte.
(u)[Spaltenumbruch]KAAUW. pensprir. num. 1150.
(x)Iourn. de medec. 1757. Iun.
(y)IDEM, ibid.
(y*)F. de LANIS, pag. 928. Eph. nat. cur. Dec. I. ann. I. obs. 25. MORHOF, paradox sens. p. 31. HOFMANN, disquisit. p. 313.
(z)ARDERN, phil. trans. n. 486.
II. Abſchnitt. Werkzeug.
konnte, wenn er einen Stab feſte gegen die Kanzel an- druͤkkte, von der der Prediger redete, und dieſen Stab zwiſchen die Zaͤhne brachte (s†), vernehmlich hoͤren. Ein muſikaliſcher Tauber nahm den Wirbel zwiſchen die Zaͤhne, und ſpielte, wenn er nun die Thoͤne hoͤrte, die Laute nach der Kunſt (t); oder es konnte auch Je- mand, wenn er die Finger an eine Zitter hielte, die Thoͤne unterſcheiden (u). Was man uͤber dem Arme oder Ruͤkken einer tauben Jungfer ſchrieb, konnte dieſe ſehr gut hoͤren (x). Ein Tauber, der die Perſon, ſo mit ihr ſpricht, bei der Hand haͤlt, kann gleichſam die Silben der Worte aus dem Zittren verſtehen (y). Es iſt Tauben gemein, dasjenige zu hoͤren, was man uͤber ihrem Kopfe ausſpricht, indem das Zittren ganz nahe in die Knochen des Hauptes eindringt, und ſich dem Jn- nerſten des Ohrs mittheilt (y*). Auch das kleinſte Ge- raͤuſche, welches man an einem Gefaͤſſe macht, worin- nen Fiſche ſind, wird von dieſen empfunden (z).
Aus dieſen Verſuchen erhellet, daß das Zittern eines klingenden Koͤrpers, durch einen feſten Koͤrper zum Menſchen gelange, und gehoͤret werde, wenn nur die Knochen ſeiner Gehirnſchale in aͤhnliche Erſchuͤtterungen verſetzt worden.
So giebt in dem beruͤhmten Verſuche, wodurch man zu erweiſen ſucht, daß die Luft allein das klingende Mit-
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(s†)[Spaltenumbruch]
Breslauer Verſuche n. 21. Auf eben ſolche Weiſe macht man das Geraͤuſche, ſo man bei Nacht- zeit auf der Erde verurſacht, ver- nemlich FABRIC. ibid. p. 38.
(t)BOERHAAVE, ibid. IN- GRASSIUS, de oſſib. p. 7. 9. DUVERNEY, p. 90. SCHEL- HAMMER. KIRCHER, pho- nurg. FABRIC. p. 78. Eph. nat. cur. Dec. 1. ann. I. obſ. 35. welcher auf dieſe Art Tauben reden lehrte.
(u)[Spaltenumbruch]KAAUW. penſprir. num. 1150.
(x)Iourn. de medec. 1757. Iun.
(y)IDEM, ibid.
(y*)F. de LANIS, pag. 928. Eph. nat. cur. Dec. I. ann. I. obſ. 25. MORHOF, paradox ſenſ. p. 31. HOFMANN, disquiſit. p. 313.
(z)ARDERN, phil. tranſ. n. 486.
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II. Abſchnitt. Werkzeug.
konnte, wenn er einen Stab feſte gegen die Kanzel an-
druͤkkte, von der der Prediger redete, und dieſen Stab
zwiſchen die Zaͤhne brachte (s†), vernehmlich hoͤren.
Ein muſikaliſcher Tauber nahm den Wirbel zwiſchen
die Zaͤhne, und ſpielte, wenn er nun die Thoͤne hoͤrte,
die Laute nach der Kunſt (t); oder es konnte auch Je-
mand, wenn er die Finger an eine Zitter hielte, die
Thoͤne unterſcheiden (u). Was man uͤber dem Arme
oder Ruͤkken einer tauben Jungfer ſchrieb, konnte dieſe
ſehr gut hoͤren (x). Ein Tauber, der die Perſon, ſo
mit ihr ſpricht, bei der Hand haͤlt, kann gleichſam die
Silben der Worte aus dem Zittren verſtehen (y). Es
iſt Tauben gemein, dasjenige zu hoͤren, was man uͤber
ihrem Kopfe ausſpricht, indem das Zittren ganz nahe
in die Knochen des Hauptes eindringt, und ſich dem Jn-
nerſten des Ohrs mittheilt (y*). Auch das kleinſte Ge-
raͤuſche, welches man an einem Gefaͤſſe macht, worin-
nen Fiſche ſind, wird von dieſen empfunden (z).
Aus dieſen Verſuchen erhellet, daß das Zittern eines
klingenden Koͤrpers, durch einen feſten Koͤrper zum
Menſchen gelange, und gehoͤret werde, wenn nur die
Knochen ſeiner Gehirnſchale in aͤhnliche Erſchuͤtterungen
verſetzt worden.
So giebt in dem beruͤhmten Verſuche, wodurch man
zu erweiſen ſucht, daß die Luft allein das klingende Mit-
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(s†)
Breslauer Verſuche n. 21.
Auf eben ſolche Weiſe macht man
das Geraͤuſche, ſo man bei Nacht-
zeit auf der Erde verurſacht, ver-
nemlich FABRIC. ibid. p. 38.
(t) BOERHAAVE, ibid. IN-
GRASSIUS, de oſſib. p. 7. 9.
DUVERNEY, p. 90. SCHEL-
HAMMER. KIRCHER, pho-
nurg. FABRIC. p. 78. Eph. nat.
cur. Dec. 1. ann. I. obſ. 35. welcher
auf dieſe Art Tauben reden lehrte.
(u)
KAAUW. penſprir. num.
1150.
(x) Iourn. de medec. 1757.
Iun.
(y) IDEM, ibid.
(y*) F. de LANIS, pag. 928.
Eph. nat. cur. Dec. I. ann. I. obſ.
25. MORHOF, paradox ſenſ.
p. 31. HOFMANN, disquiſit.
p. 313.
(z) ARDERN, phil. tranſ.
n. 486.
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Haller, Albrecht von: Anfangsgründe der Phisiologie des menschlichen Körpers. Bd. 5. Berlin, 1772, S. 623. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/haller_anfangsgruende05_1772/641>, abgerufen am 22.11.2024.
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