Es ist gewiß, daß in allen Menschen, wenn solche auch noch so unwissend in der Thonkunst sind, diese Thöne und Thonabwechselungen, andere Bewegungen in der Seele hervorbringen; und es ist kein Zweisel, daß die Schnelligkeit (g) und die feinen Thöne Frölich- keit, hingegen grobe Thöne, und langsame Melodien, Traurigkeit erwekken, um bei diesen Exempeln zu blei- ben, und daß andere starke, und zugleich schnelle Thon- arten, so gar Thieren den Muth schärfen. Selbst die Barbaren, welche an dem Flusse Orenoko wohnen, bringen durch sehr grobe Thöne, welche sie durch Schläu- che, so an einer Trompete angebracht, eine so traurige Melodie hervor, daß sich Niemand der Betrübniß er- wehren kann, die durch dieses Jnstrument verursachet wird (h). Die Thonkünstler selbst lehren lustige, sanf- te, majestätische, und andere Weisen (i), durch eine gewisse Temperirung der Stimme, zu machen; folg- lich unterrichten sie uns von der Methode, wie man eine gewisse verlangte Leidenschaft in der Seele hervor- bringen müsse (k). Und daher mag ich nicht den alten Ge- schichtschreibern unter den Griechen und nördlichen Völ- kern widersprechen, welche von Thonkünstlern erzählen, daß sie in den Zuhörern allerlei beliebige Gemüthsbewe- gungen hervorzubringen gewußt (l). Amurath der vierte, dieser blutdürstige Mörder seiner Brüder, wur- de von einem künstlichen Liedersänger dahin gebracht,
daß
(g)[Spaltenumbruch]CHEYNE sanit. infirm. p. 177.
(h)GUMILLA Histor. natur. de l' Orenoq. T. I. p. 320.
(i)BERARD art. de Chant. p. 28. sqq.
(k)[Spaltenumbruch]
Besiehe davon den IOHAN- NES WALLIS philos. transact. n. 243.
(l)le CATT p. 286. ROGER p. 102. 103. 104. 105. Auctor I. l' Amateur.
Das Gehoͤr. XV. Buch.
§. 14. Urſachen von den Wirkungen der Muſik.
Es iſt gewiß, daß in allen Menſchen, wenn ſolche auch noch ſo unwiſſend in der Thonkunſt ſind, dieſe Thoͤne und Thonabwechſelungen, andere Bewegungen in der Seele hervorbringen; und es iſt kein Zweiſel, daß die Schnelligkeit (g) und die feinen Thoͤne Froͤlich- keit, hingegen grobe Thoͤne, und langſame Melodien, Traurigkeit erwekken, um bei dieſen Exempeln zu blei- ben, und daß andere ſtarke, und zugleich ſchnelle Thon- arten, ſo gar Thieren den Muth ſchaͤrfen. Selbſt die Barbaren, welche an dem Fluſſe Orenoko wohnen, bringen durch ſehr grobe Thoͤne, welche ſie durch Schlaͤu- che, ſo an einer Trompete angebracht, eine ſo traurige Melodie hervor, daß ſich Niemand der Betruͤbniß er- wehren kann, die durch dieſes Jnſtrument verurſachet wird (h). Die Thonkuͤnſtler ſelbſt lehren luſtige, ſanf- te, majeſtaͤtiſche, und andere Weiſen (i), durch eine gewiſſe Temperirung der Stimme, zu machen; folg- lich unterrichten ſie uns von der Methode, wie man eine gewiſſe verlangte Leidenſchaft in der Seele hervor- bringen muͤſſe (k). Und daher mag ich nicht den alten Ge- ſchichtſchreibern unter den Griechen und noͤrdlichen Voͤl- kern widerſprechen, welche von Thonkuͤnſtlern erzaͤhlen, daß ſie in den Zuhoͤrern allerlei beliebige Gemuͤthsbewe- gungen hervorzubringen gewußt (l). Amurath der vierte, dieſer blutduͤrſtige Moͤrder ſeiner Bruͤder, wur- de von einem kuͤnſtlichen Liederſaͤnger dahin gebracht,
daß
(g)[Spaltenumbruch]CHEYNE ſanit. infirm. p. 177.
(h)GUMILLA Hiſtor. natur. de l’ Orenoq. T. I. p. 320.
(i)BERARD art. de Chant. p. 28. ſqq.
(k)[Spaltenumbruch]
Beſiehe davon den IOHAN- NES WALLIS philoſ. transact. n. 243.
(l)le CATT p. 286. ROGER p. 102. 103. 104. 105. Auctor I. l’ Amateur.
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Das Gehoͤr. XV. Buch.
§. 14.
Urſachen von den Wirkungen der Muſik.
Es iſt gewiß, daß in allen Menſchen, wenn ſolche
auch noch ſo unwiſſend in der Thonkunſt ſind, dieſe
Thoͤne und Thonabwechſelungen, andere Bewegungen
in der Seele hervorbringen; und es iſt kein Zweiſel,
daß die Schnelligkeit (g) und die feinen Thoͤne Froͤlich-
keit, hingegen grobe Thoͤne, und langſame Melodien,
Traurigkeit erwekken, um bei dieſen Exempeln zu blei-
ben, und daß andere ſtarke, und zugleich ſchnelle Thon-
arten, ſo gar Thieren den Muth ſchaͤrfen. Selbſt die
Barbaren, welche an dem Fluſſe Orenoko wohnen,
bringen durch ſehr grobe Thoͤne, welche ſie durch Schlaͤu-
che, ſo an einer Trompete angebracht, eine ſo traurige
Melodie hervor, daß ſich Niemand der Betruͤbniß er-
wehren kann, die durch dieſes Jnſtrument verurſachet
wird (h). Die Thonkuͤnſtler ſelbſt lehren luſtige, ſanf-
te, majeſtaͤtiſche, und andere Weiſen (i), durch eine
gewiſſe Temperirung der Stimme, zu machen; folg-
lich unterrichten ſie uns von der Methode, wie man
eine gewiſſe verlangte Leidenſchaft in der Seele hervor-
bringen muͤſſe (k). Und daher mag ich nicht den alten Ge-
ſchichtſchreibern unter den Griechen und noͤrdlichen Voͤl-
kern widerſprechen, welche von Thonkuͤnſtlern erzaͤhlen,
daß ſie in den Zuhoͤrern allerlei beliebige Gemuͤthsbewe-
gungen hervorzubringen gewußt (l). Amurath der
vierte, dieſer blutduͤrſtige Moͤrder ſeiner Bruͤder, wur-
de von einem kuͤnſtlichen Liederſaͤnger dahin gebracht,
daß
(g)
CHEYNE ſanit. infirm.
p. 177.
(h) GUMILLA Hiſtor. natur.
de l’ Orenoq. T. I. p. 320.
(i) BERARD art. de Chant.
p. 28. ſqq.
(k)
Beſiehe davon den IOHAN-
NES WALLIS philoſ. transact.
n. 243.
(l) le CATT p. 286. ROGER
p. 102. 103. 104. 105. Auctor I.
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Haller, Albrecht von: Anfangsgründe der Phisiologie des menschlichen Körpers. Bd. 5. Berlin, 1772, S. 706. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/haller_anfangsgruende05_1772/724>, abgerufen am 22.11.2024.
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