treide verfertigtes Brodt änliches, Reis, Cassava, Sago, Jnhames, Pataten (Ertoffeln) türkisch Korn, Hirse, Jn- dianische Hirse, Weizen, Spelt (Dünkel), Gerste, nach- dem ein Land hierzu oder dazu tauglicher ist (l). Auf diese Art wird die Narung vom Fleische von dem säuer- lich werdenden Mehl temperirt (m). Es giebt wenig Völker, welche den Feldbau vernachläßigen, und ohne Brodt sind, sie müsten denn umherziehen (n), oder unter einem Himmel leben, wo das Getreide nicht reif wird (o).
Man muß übrigens nicht vergessen, daß die Gewon- heit eine grosse Macht habe, auch schlimme Speisen er- träglich zu machen. Eine alte Frau in Athen gewönte sich an den Schierling (p), und der König von Pontus, Mithridar, an allerlei Gifte. Ein gewisser Deutscher verschlukkte fein geriebnes Glaß ohne Schaden (q). Ein Student lernte allmälich Arsenik vertragen (r), indem er die Heftigkeit desselben mit Fett mäßigte, so daß er end- lich ziemlich viel von diesem grausamen Gifte ohne üble Folgen zu sich nehmen konnte.
Jch erkläre diese Macht der Gewonheit dadurch, daß die empfindliche Nerven des Magens von der giftigen Schärfe callöse werden, die Kraft zu fülen verlieren, auf die Art, wie die Augen von zu starkem Lichte, die Zun- genwarzen von scharfen Speisen, oder Getränken, und die Haut vom wiederholten Reiben und von Vitriolöl nach und nach alle Empfindlichkeit verlieren.
§. 10.
(l)[Spaltenumbruch]
Vollständig Verzeichniß beim SLOANIUS Schwamme unter Brodt die ruseinonenses v. MON- NIER p. CCVII.
(m) Zieht der Milch vor MA- LOUIN Chym. I. p. 224.
(n) Die Araber beim RADZI- VILL p. 215. Tartarn LUCA I. c. Britten CAESAR L. V.
(o)[Spaltenumbruch]
Grönländer ANDERSON p. 251. Schottische Jnseln MAR- TIN p. 373. Lappen.
(p)GAL. Simpl. med. fac. L. III c. 18.
(q)PANAROL pentec. IV. obs. 6.
(r)KRUEGER diaetet. p. 22.
X 2
III. Abſchnitt. Speiſe und Trank.
treide verfertigtes Brodt aͤnliches, Reis, Caſſava, Sago, Jnhames, Pataten (Ertoffeln) tuͤrkiſch Korn, Hirſe, Jn- dianiſche Hirſe, Weizen, Spelt (Duͤnkel), Gerſte, nach- dem ein Land hierzu oder dazu tauglicher iſt (l). Auf dieſe Art wird die Narung vom Fleiſche von dem ſaͤuer- lich werdenden Mehl temperirt (m). Es giebt wenig Voͤlker, welche den Feldbau vernachlaͤßigen, und ohne Brodt ſind, ſie muͤſten denn umherziehen (n), oder unter einem Himmel leben, wo das Getreide nicht reif wird (o).
Man muß uͤbrigens nicht vergeſſen, daß die Gewon- heit eine groſſe Macht habe, auch ſchlimme Speiſen er- traͤglich zu machen. Eine alte Frau in Athen gewoͤnte ſich an den Schierling (p), und der Koͤnig von Pontus, Mithridar, an allerlei Gifte. Ein gewiſſer Deutſcher verſchlukkte fein geriebnes Glaß ohne Schaden (q). Ein Student lernte allmaͤlich Arſenik vertragen (r), indem er die Heftigkeit deſſelben mit Fett maͤßigte, ſo daß er end- lich ziemlich viel von dieſem grauſamen Gifte ohne uͤble Folgen zu ſich nehmen konnte.
Jch erklaͤre dieſe Macht der Gewonheit dadurch, daß die empfindliche Nerven des Magens von der giftigen Schaͤrfe calloͤſe werden, die Kraft zu fuͤlen verlieren, auf die Art, wie die Augen von zu ſtarkem Lichte, die Zun- genwarzen von ſcharfen Speiſen, oder Getraͤnken, und die Haut vom wiederholten Reiben und von Vitrioloͤl nach und nach alle Empfindlichkeit verlieren.
§. 10.
(l)[Spaltenumbruch]
Vollſtaͤndig Verzeichniß beim SLOANIUS Schwamme unter Brodt die ruſeinonenſes v. MON- NIER p. CCVII.
(m) Zieht der Milch vor MA- LOUIN Chym. I. p. 224.
(n) Die Araber beim RADZI- VILL p. 215. Tartarn LUCA I. c. Britten CÆSAR L. V.
(o)[Spaltenumbruch]
Groͤnlaͤnder ANDERSON p. 251. Schottiſche Jnſeln MAR- TIN p. 373. Lappen.
(p)GAL. Simpl. med. fac. L. III c. 18.
(q)PANAROL pentec. IV. obſ. 6.
(r)KRUEGER diaetet. p. 22.
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[307[323]/0343]
III. Abſchnitt. Speiſe und Trank.
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Jnhames, Pataten (Ertoffeln) tuͤrkiſch Korn, Hirſe, Jn-
dianiſche Hirſe, Weizen, Spelt (Duͤnkel), Gerſte, nach-
dem ein Land hierzu oder dazu tauglicher iſt (l). Auf
dieſe Art wird die Narung vom Fleiſche von dem ſaͤuer-
lich werdenden Mehl temperirt (m). Es giebt wenig
Voͤlker, welche den Feldbau vernachlaͤßigen, und ohne
Brodt ſind, ſie muͤſten denn umherziehen (n), oder unter
einem Himmel leben, wo das Getreide nicht reif wird (o).
Man muß uͤbrigens nicht vergeſſen, daß die Gewon-
heit eine groſſe Macht habe, auch ſchlimme Speiſen er-
traͤglich zu machen. Eine alte Frau in Athen gewoͤnte
ſich an den Schierling (p), und der Koͤnig von Pontus,
Mithridar, an allerlei Gifte. Ein gewiſſer Deutſcher
verſchlukkte fein geriebnes Glaß ohne Schaden (q). Ein
Student lernte allmaͤlich Arſenik vertragen (r), indem er
die Heftigkeit deſſelben mit Fett maͤßigte, ſo daß er end-
lich ziemlich viel von dieſem grauſamen Gifte ohne uͤble
Folgen zu ſich nehmen konnte.
Jch erklaͤre dieſe Macht der Gewonheit dadurch, daß
die empfindliche Nerven des Magens von der giftigen
Schaͤrfe calloͤſe werden, die Kraft zu fuͤlen verlieren, auf
die Art, wie die Augen von zu ſtarkem Lichte, die Zun-
genwarzen von ſcharfen Speiſen, oder Getraͤnken, und
die Haut vom wiederholten Reiben und von Vitrioloͤl
nach und nach alle Empfindlichkeit verlieren.
§. 10.
(l)
Vollſtaͤndig Verzeichniß beim
SLOANIUS Schwamme unter
Brodt die ruſeinonenſes v. MON-
NIER p. CCVII.
(m) Zieht der Milch vor MA-
LOUIN Chym. I. p. 224.
(n) Die Araber beim RADZI-
VILL p. 215. Tartarn LUCA I. c.
Britten CÆSAR L. V.
(o)
Groͤnlaͤnder ANDERSON
p. 251. Schottiſche Jnſeln MAR-
TIN p. 373. Lappen.
(p) GAL. Simpl. med. fac. L.
III c. 18.
(q) PANAROL pentec. IV.
obſ. 6.
(r) KRUEGER diaetet. p. 22.
X 2
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Haller, Albrecht von: Anfangsgründe der Phisiologie des menschlichen Körpers. Bd. 6. Berlin, 1774, S. 307[323]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/haller_anfangsgruende06_1774/343>, abgerufen am 23.11.2024.
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