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Haller, Albrecht von: Anfangsgründe der Phisiologie des menschlichen Körpers. Bd. 6. Berlin, 1774.

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Der Magen. XIX. Buch.
übrigen faulen Speisen von grossem Nuzzen ist. Wir
haben gemeldet, daß einige (q) blos von Milch und de-
ren Molke ihr Leben sehr wohl erhalten, und so gar funf-
zig Jahre lang sich dabei wohl befunden haben (r).

§. 26.
Der Weingeist.

Man könnte noch zweifeln, ob man diese Arznei, oder
dieses Gift unter die Arten vom Getränke sezzen dörfe.
Und doch verstattet uns der häufige Gebrauch dieses bren-
nenden Wassers, welches man heut zu Tage viel gemeiner
als sonst findet, nicht, dasselbe ganz und gar mit Still-
schweigen zu übergehen, da es in den Ländern des Nords,
in Rußland, Schweden, Dännemark, dem nordlichen
Theile von Deutschland, in Holland und England bei-
nahe der gewönliche und tägliche Trank des gemeinen
Mannes geworden, von den Europäern in der ganzen
Welt verführt wird, und der Negern und nordlichen
Amerikaner wildes Couragewasser ist. Doch es verhan-
deln auch die Sinesen ihren Arak durch das jenseit dem
Ganges liegende Jndien. Die Schweiz hat das Kirsch-
wasser ebenfalls zu ihrem Modegerränke gemacht, und die
Französische Soldaten werden ohne Weingeist nicht zur
Schlacht angeführt. Jndessen läst sich doch der Norden
von dieser Begierde mehr hinreissen, welche in Ländern,
wo der Wein gut fortkömmt, schon seltner ist.

Es ist aber der Weingeist, der stärkere Theil des
Weins, welcher zu verrauchen geneigt ist, wenn man ihn
aus Blasen oder Kolben über dem Feuer, durch lange und
abgekülte Röhren oder Schlangen überzieht. Man macht
Weingeist aus Wein, aus Bier, aus gärendem Getreide,
aus allen Materien, die Wein geben, oder Bier machen,

nach-
(q) [Spaltenumbruch] p. 198. die Tartaren Recueil
d'obs. curieus. p.
241.
(r) [Spaltenumbruch] Edimb. Ess. T. V. P. II.
n.
44.

Der Magen. XIX. Buch.
uͤbrigen faulen Speiſen von groſſem Nuzzen iſt. Wir
haben gemeldet, daß einige (q) blos von Milch und de-
ren Molke ihr Leben ſehr wohl erhalten, und ſo gar funf-
zig Jahre lang ſich dabei wohl befunden haben (r).

§. 26.
Der Weingeiſt.

Man koͤnnte noch zweifeln, ob man dieſe Arznei, oder
dieſes Gift unter die Arten vom Getraͤnke ſezzen doͤrfe.
Und doch verſtattet uns der haͤufige Gebrauch dieſes bren-
nenden Waſſers, welches man heut zu Tage viel gemeiner
als ſonſt findet, nicht, daſſelbe ganz und gar mit Still-
ſchweigen zu uͤbergehen, da es in den Laͤndern des Nords,
in Rußland, Schweden, Daͤnnemark, dem nordlichen
Theile von Deutſchland, in Holland und England bei-
nahe der gewoͤnliche und taͤgliche Trank des gemeinen
Mannes geworden, von den Europaͤern in der ganzen
Welt verfuͤhrt wird, und der Negern und nordlichen
Amerikaner wildes Couragewaſſer iſt. Doch es verhan-
deln auch die Sineſen ihren Arak durch das jenſeit dem
Ganges liegende Jndien. Die Schweiz hat das Kirſch-
waſſer ebenfalls zu ihrem Modegerraͤnke gemacht, und die
Franzoͤſiſche Soldaten werden ohne Weingeiſt nicht zur
Schlacht angefuͤhrt. Jndeſſen laͤſt ſich doch der Norden
von dieſer Begierde mehr hinreiſſen, welche in Laͤndern,
wo der Wein gut fortkoͤmmt, ſchon ſeltner iſt.

Es iſt aber der Weingeiſt, der ſtaͤrkere Theil des
Weins, welcher zu verrauchen geneigt iſt, wenn man ihn
aus Blaſen oder Kolben uͤber dem Feuer, durch lange und
abgekuͤlte Roͤhren oder Schlangen uͤberzieht. Man macht
Weingeiſt aus Wein, aus Bier, aus gaͤrendem Getreide,
aus allen Materien, die Wein geben, oder Bier machen,

nach-
(q) [Spaltenumbruch] p. 198. die Tartaren Recueil
d’obſ. curieuſ. p.
241.
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n.
44.
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[364[380]/0400] Der Magen. XIX. Buch. uͤbrigen faulen Speiſen von groſſem Nuzzen iſt. Wir haben gemeldet, daß einige (q) blos von Milch und de- ren Molke ihr Leben ſehr wohl erhalten, und ſo gar funf- zig Jahre lang ſich dabei wohl befunden haben (r). §. 26. Der Weingeiſt. Man koͤnnte noch zweifeln, ob man dieſe Arznei, oder dieſes Gift unter die Arten vom Getraͤnke ſezzen doͤrfe. Und doch verſtattet uns der haͤufige Gebrauch dieſes bren- nenden Waſſers, welches man heut zu Tage viel gemeiner als ſonſt findet, nicht, daſſelbe ganz und gar mit Still- ſchweigen zu uͤbergehen, da es in den Laͤndern des Nords, in Rußland, Schweden, Daͤnnemark, dem nordlichen Theile von Deutſchland, in Holland und England bei- nahe der gewoͤnliche und taͤgliche Trank des gemeinen Mannes geworden, von den Europaͤern in der ganzen Welt verfuͤhrt wird, und der Negern und nordlichen Amerikaner wildes Couragewaſſer iſt. Doch es verhan- deln auch die Sineſen ihren Arak durch das jenſeit dem Ganges liegende Jndien. Die Schweiz hat das Kirſch- waſſer ebenfalls zu ihrem Modegerraͤnke gemacht, und die Franzoͤſiſche Soldaten werden ohne Weingeiſt nicht zur Schlacht angefuͤhrt. Jndeſſen laͤſt ſich doch der Norden von dieſer Begierde mehr hinreiſſen, welche in Laͤndern, wo der Wein gut fortkoͤmmt, ſchon ſeltner iſt. Es iſt aber der Weingeiſt, der ſtaͤrkere Theil des Weins, welcher zu verrauchen geneigt iſt, wenn man ihn aus Blaſen oder Kolben uͤber dem Feuer, durch lange und abgekuͤlte Roͤhren oder Schlangen uͤberzieht. Man macht Weingeiſt aus Wein, aus Bier, aus gaͤrendem Getreide, aus allen Materien, die Wein geben, oder Bier machen, nach- (q) p. 198. die Tartaren Recueil d’obſ. curieuſ. p. 241. (r) Edimb. Eſſ. T. V. P. II. n. 44.

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Zitationshilfe: Haller, Albrecht von: Anfangsgründe der Phisiologie des menschlichen Körpers. Bd. 6. Berlin, 1774, S. 364[380]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/haller_anfangsgruende06_1774/400>, abgerufen am 22.11.2024.