Schnee begraben lagen, und so brachten sie sieben und dreißig Tage lang ihr Leben zu, und es sezzt der vortref- liche Leibarzt des Königes hinzu, er habe gewisse Men- schen einige Monate lang, mit zwölf Unzen Milch auf den Tag, nebst drei Pfunden Gerstenwasser beim Leben erhalten (o).
Jener berümte Aloysius Cornaro(p) hat sein Le- ben mit sechs und zwanzig Unzen Brodt, Eier und Mehl- speise (Minestra) viele Jahre lang durchgebracht, und dabei Arbeiten verrichtet, weil er an dem Ruder der Re- publik sas, und sich öfters bei dem Vermessen der Felder, und Grabenabstekken gebrauchen lies.
Jch lese zwar, daß viele eine solche eingeschränkte Lebensart verwerfen (q); ich bin aber auch gewis, und zwar aus eigner Erfarung, daß ein Mensch bei weni- ger Speise, bei wenigem Fleische überhaupt, gut schla- fen, die Arbeiten des Verstandes gut verrichten, einen guten Appetit haben, und den Lebensgeschäften wohl ge- wachsen sein kann. Eben dieser Cornaro erreichte, da er bereits im vierzigsten Jahre abgelebt zu sein glaubte, bey dieser so strengen Diät, fast ein hundertjähriges Alter bei einer vollkommnen Gesundheit: und als er ein einziges mal zwo Unzen Speise hinzufügte, so muste er seine kleine Verwegenheit hart büssen, und eine schwere Krankheit ausstehen. B. Robinson(r) überstand eine Lähmung, und gelangte zu einer völligen Gesundheit wieder, da er sich den dritten Theil des Getränkes, und den sechsten Theil der Speise abbrach. Der Feldarzt von Meisey erhielte die steuerbare Bürger in Eger, wel- che von den Oesterreichern belagert wurden, durch eine sparsame Vorschrift in der Verpflegung gesund.
So
(o)[Spaltenumbruch]p. 124.
(p)Della vita sobria p. 13.
(q)[Spaltenumbruch]PRIMIROS vulg. error. L. III. c. 3. CELSUS.
(r)Food and diacharg p. 61.
B b 2
III. Abſchnitt. Speiſe und Trank.
Schnee begraben lagen, und ſo brachten ſie ſieben und dreißig Tage lang ihr Leben zu, und es ſezzt der vortref- liche Leibarzt des Koͤniges hinzu, er habe gewiſſe Men- ſchen einige Monate lang, mit zwoͤlf Unzen Milch auf den Tag, nebſt drei Pfunden Gerſtenwaſſer beim Leben erhalten (o).
Jener beruͤmte Aloyſius Cornaro(p) hat ſein Le- ben mit ſechs und zwanzig Unzen Brodt, Eier und Mehl- ſpeiſe (Mineſtra) viele Jahre lang durchgebracht, und dabei Arbeiten verrichtet, weil er an dem Ruder der Re- publik ſas, und ſich oͤfters bei dem Vermeſſen der Felder, und Grabenabſtekken gebrauchen lies.
Jch leſe zwar, daß viele eine ſolche eingeſchraͤnkte Lebensart verwerfen (q); ich bin aber auch gewis, und zwar aus eigner Erfarung, daß ein Menſch bei weni- ger Speiſe, bei wenigem Fleiſche uͤberhaupt, gut ſchla- fen, die Arbeiten des Verſtandes gut verrichten, einen guten Appetit haben, und den Lebensgeſchaͤften wohl ge- wachſen ſein kann. Eben dieſer Cornaro erreichte, da er bereits im vierzigſten Jahre abgelebt zu ſein glaubte, bey dieſer ſo ſtrengen Diaͤt, faſt ein hundertjaͤhriges Alter bei einer vollkommnen Geſundheit: und als er ein einziges mal zwo Unzen Speiſe hinzufuͤgte, ſo muſte er ſeine kleine Verwegenheit hart buͤſſen, und eine ſchwere Krankheit ausſtehen. B. Robinſon(r) uͤberſtand eine Laͤhmung, und gelangte zu einer voͤlligen Geſundheit wieder, da er ſich den dritten Theil des Getraͤnkes, und den ſechſten Theil der Speiſe abbrach. Der Feldarzt von Meiſey erhielte die ſteuerbare Buͤrger in Eger, wel- che von den Oeſterreichern belagert wurden, durch eine ſparſame Vorſchrift in der Verpflegung geſund.
So
(o)[Spaltenumbruch]p. 124.
(p)Della vita ſobria p. 13.
(q)[Spaltenumbruch]PRIMIROS vulg. error. L. III. c. 3. CELSUS.
(r)Food and diacharg p. 61.
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[371[387]/0407]
III. Abſchnitt. Speiſe und Trank.
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dreißig Tage lang ihr Leben zu, und es ſezzt der vortref-
liche Leibarzt des Koͤniges hinzu, er habe gewiſſe Men-
ſchen einige Monate lang, mit zwoͤlf Unzen Milch auf
den Tag, nebſt drei Pfunden Gerſtenwaſſer beim Leben
erhalten (o).
Jener beruͤmte Aloyſius Cornaro (p) hat ſein Le-
ben mit ſechs und zwanzig Unzen Brodt, Eier und Mehl-
ſpeiſe (Mineſtra) viele Jahre lang durchgebracht, und
dabei Arbeiten verrichtet, weil er an dem Ruder der Re-
publik ſas, und ſich oͤfters bei dem Vermeſſen der Felder,
und Grabenabſtekken gebrauchen lies.
Jch leſe zwar, daß viele eine ſolche eingeſchraͤnkte
Lebensart verwerfen (q); ich bin aber auch gewis, und
zwar aus eigner Erfarung, daß ein Menſch bei weni-
ger Speiſe, bei wenigem Fleiſche uͤberhaupt, gut ſchla-
fen, die Arbeiten des Verſtandes gut verrichten, einen
guten Appetit haben, und den Lebensgeſchaͤften wohl ge-
wachſen ſein kann. Eben dieſer Cornaro erreichte, da
er bereits im vierzigſten Jahre abgelebt zu ſein glaubte,
bey dieſer ſo ſtrengen Diaͤt, faſt ein hundertjaͤhriges
Alter bei einer vollkommnen Geſundheit: und als er ein
einziges mal zwo Unzen Speiſe hinzufuͤgte, ſo muſte er
ſeine kleine Verwegenheit hart buͤſſen, und eine ſchwere
Krankheit ausſtehen. B. Robinſon (r) uͤberſtand eine
Laͤhmung, und gelangte zu einer voͤlligen Geſundheit
wieder, da er ſich den dritten Theil des Getraͤnkes, und
den ſechſten Theil der Speiſe abbrach. Der Feldarzt
von Meiſey erhielte die ſteuerbare Buͤrger in Eger, wel-
che von den Oeſterreichern belagert wurden, durch eine
ſparſame Vorſchrift in der Verpflegung geſund.
So
(o)
p. 124.
(p) Della vita ſobria p. 13.
(q)
PRIMIROS vulg. error.
L. III. c. 3. CELSUS.
(r) Food and diacharg p. 61.
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Haller, Albrecht von: Anfangsgründe der Phisiologie des menschlichen Körpers. Bd. 6. Berlin, 1774, S. 371[387]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/haller_anfangsgruende06_1774/407>, abgerufen am 21.11.2024.
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