die rohe Speisen einzunehmen. Jn diesem Falle drin- gen Theilchen von einer nicht gehörig durchkäuten Spei- se [Spaltenumbruch](y*), Blätter von Pflanzen, wenn diese gleich zart sind, selbst das Brodt, geronnene Milch (z), Garten- früchte (a), Fleisch (b), und was wir sonst erwähnt ha- ben, mit Beibehaltung ihrer völligen Figur, durch die Wunde hiedurch, und man siehet, daß sich das Getränke kaum verändert gehabt (b*). Andre zähe Dinge ändern sich um desto weniger. Wir haben bereits erinnert, wie schwer sich die Fruchthäute (c) und die Häute von Thie- ren(d), so |gar in Hunden, einem sonst wohlverdauen- den Thiere, auflösen lassen. Dieses geht im Menschen noch viel weniger an. Wir lesen nämlich, daß Jemand ein verschlukktes Leder erst nach sechs Monaten (e) durch den Stulgang von sich gegeben; es blieb ein Stükk Spekk (f) zwei ganzer Jahre lang im Magen, und vierzehn Jahre lang ein hinabgeschlungenes Gedärm von Thieren (g). Es verursachte der Saame des Bilsenkrautes ganzer zween Monate eine Tollheit, Krämpfe, und den S. Veit Tanz, und es liessen diese Krankheiten nicht ehe nach, bis man diese Saamenkerne durch Purgirmittel aus dem Leibe ge- schaft hatte (g+).
Jndessen läst sich doch glauben, daß das Gedärm sein Amt desto besser verrichten müsse, je besser die natür- liche Figur der besondern Speise, und das Zusammen- hängen ihrer Theile zerstört worden: und die Verdau- ung muß roher sein, je mehr die Speise diese Beschaffen- heiten beibehalten, und so ins dikke Gedärm übergehen. Und dennoch können solche Dinge, die wegen ihrer Fi- gur und Grösse einen gar zu engen Pförtner finden, bei
noch
(y*)MOEBIUS instit. p. 198.
(z) Speise oder Trank unveran- dert Phil. tians. n. 176.
(a)ALBIN adnot. L. II. c. 8. Eph. Nat. Cur. Vol. X. obs. 4.
(b)ibid.
(b*)Phil. trans. n. 176.
(d)[Spaltenumbruch]VERCELLONI gland. con- glob. aesoph. Sect. II. p. 154.
(e)HILD Cent. 1. obs. 31.
(f)Idem Cent. IV. obs. 33.
(g)BEHRENS diaetet. J. 189.
(g+)Journ. med. 1763. pul.
II. Abſchn. Verrichtungen des duͤnnen.
die rohe Speiſen einzunehmen. Jn dieſem Falle drin- gen Theilchen von einer nicht gehoͤrig durchkaͤuten Spei- ſe [Spaltenumbruch](y*), Blaͤtter von Pflanzen, wenn dieſe gleich zart ſind, ſelbſt das Brodt, geronnene Milch (z), Garten- fruͤchte (a), Fleiſch (b), und was wir ſonſt erwaͤhnt ha- ben, mit Beibehaltung ihrer voͤlligen Figur, durch die Wunde hiedurch, und man ſiehet, daß ſich das Getraͤnke kaum veraͤndert gehabt (b*). Andre zaͤhe Dinge aͤndern ſich um deſto weniger. Wir haben bereits erinnert, wie ſchwer ſich die Fruchthaͤute (c) und die Haͤute von Thie- ren(d), ſo |gar in Hunden, einem ſonſt wohlverdauen- den Thiere, aufloͤſen laſſen. Dieſes geht im Menſchen noch viel weniger an. Wir leſen naͤmlich, daß Jemand ein verſchlukktes Leder erſt nach ſechs Monaten (e) durch den Stulgang von ſich gegeben; es blieb ein Stuͤkk Spekk (f) zwei ganzer Jahre lang im Magen, und vierzehn Jahre lang ein hinabgeſchlungenes Gedaͤrm von Thieren (g). Es verurſachte der Saame des Bilſenkrautes ganzer zween Monate eine Tollheit, Kraͤmpfe, und den S. Veit Tanz, und es lieſſen dieſe Krankheiten nicht ehe nach, bis man dieſe Saamenkerne durch Purgirmittel aus dem Leibe ge- ſchaft hatte (g†).
Jndeſſen laͤſt ſich doch glauben, daß das Gedaͤrm ſein Amt deſto beſſer verrichten muͤſſe, je beſſer die natuͤr- liche Figur der beſondern Speiſe, und das Zuſammen- haͤngen ihrer Theile zerſtoͤrt worden: und die Verdau- ung muß roher ſein, je mehr die Speiſe dieſe Beſchaffen- heiten beibehalten, und ſo ins dikke Gedaͤrm uͤbergehen. Und dennoch koͤnnen ſolche Dinge, die wegen ihrer Fi- gur und Groͤſſe einen gar zu engen Pfoͤrtner finden, bei
noch
(y*)MOEBIUS inſtit. p. 198.
(z) Speiſe oder Trank unveran- dert Phil. tianſ. n. 176.
(a)ALBIN adnot. L. II. c. 8. Eph. Nat. Cur. Vol. X. obſ. 4.
(b)ibid.
(b*)Phil. tranſ. n. 176.
(d)[Spaltenumbruch]VERCELLONI gland. con- glob. æſoph. Sect. II. p. 154.
(e)HILD Cent. 1. obſ. 31.
(f)Idem Cent. IV. obſ. 33.
(g)BEHRENS diætet. J. 189.
(g†)Journ. med. 1763. pul.
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(y*), Blaͤtter von Pflanzen, wenn dieſe gleich zart
ſind, ſelbſt das Brodt, geronnene Milch (z), Garten-
fruͤchte (a), Fleiſch (b), und was wir ſonſt erwaͤhnt ha-
ben, mit Beibehaltung ihrer voͤlligen Figur, durch die
Wunde hiedurch, und man ſiehet, daß ſich das Getraͤnke
kaum veraͤndert gehabt (b*). Andre zaͤhe Dinge aͤndern
ſich um deſto weniger. Wir haben bereits erinnert, wie
ſchwer ſich die Fruchthaͤute (c) und die Haͤute von Thie-
ren (d), ſo |gar in Hunden, einem ſonſt wohlverdauen-
den Thiere, aufloͤſen laſſen. Dieſes geht im Menſchen
noch viel weniger an. Wir leſen naͤmlich, daß Jemand ein
verſchlukktes Leder erſt nach ſechs Monaten (e) durch den
Stulgang von ſich gegeben; es blieb ein Stuͤkk Spekk (f)
zwei ganzer Jahre lang im Magen, und vierzehn Jahre
lang ein hinabgeſchlungenes Gedaͤrm von Thieren (g). Es
verurſachte der Saame des Bilſenkrautes ganzer zween
Monate eine Tollheit, Kraͤmpfe, und den S. Veit Tanz,
und es lieſſen dieſe Krankheiten nicht ehe nach, bis man
dieſe Saamenkerne durch Purgirmittel aus dem Leibe ge-
ſchaft hatte (g†).
Jndeſſen laͤſt ſich doch glauben, daß das Gedaͤrm
ſein Amt deſto beſſer verrichten muͤſſe, je beſſer die natuͤr-
liche Figur der beſondern Speiſe, und das Zuſammen-
haͤngen ihrer Theile zerſtoͤrt worden: und die Verdau-
ung muß roher ſein, je mehr die Speiſe dieſe Beſchaffen-
heiten beibehalten, und ſo ins dikke Gedaͤrm uͤbergehen.
Und dennoch koͤnnen ſolche Dinge, die wegen ihrer Fi-
gur und Groͤſſe einen gar zu engen Pfoͤrtner finden, bei
noch
(y*) MOEBIUS inſtit. p. 198.
(z) Speiſe oder Trank unveran-
dert Phil. tianſ. n. 176.
(a) ALBIN adnot. L. II. c. 8.
Eph. Nat. Cur. Vol. X. obſ. 4.
(b) ibid.
(b*) Phil. tranſ. n. 176.
(d)
VERCELLONI gland. con-
glob. æſoph. Sect. II. p. 154.
(e) HILD Cent. 1. obſ. 31.
(f) Idem Cent. IV. obſ. 33.
(g) BEHRENS diætet. J. 189.
(g†) Journ. med. 1763. pul.
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Haller, Albrecht von: Anfangsgründe der Phisiologie des menschlichen Körpers. Bd. 7. Berlin, 1775, S. 79. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/haller_anfangsgruende07_1775/115>, abgerufen am 21.11.2024.
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