strengungen zu machen pflegt, um die herabdrükkende Kräfte des Zwerchfelles und der Bauchmuskeln mit ein- ander zu verbinden(l). Man richtet den Leib in die Höhe, damit das ganze Gewichte der Eingeweide auf die Blase drükken möge. Es ist solches, jedoch das Einat- men noch nöthiger(m), je voller die Blase ist. Die Frucht, sagt mein Lehrer, holt nicht Atem, aber sie giebt auch keinen Harn von sich. Jst nur eine mäßige Menge Harn vorhanden, so ist auch der Reiz kleiner, und also auch die Anstrengung: indessen geht doch alle- zeit das Einatmen vor dem Harnen voran.
Und so kommen anfänglich einige Tropfen aus der Blase und der Harnröhre, und hierauf schiesset der Urin mehr und mehr strahlweise, höher bei Kindern und Jüng- lingen, weniger doch bei Greisen hervor. Man ersiehet daraus, daß die Mündung der Blase sehr enge gewesen seyn müsse, wie wir kurz zuvor erwähnten, weil sie nur wenig Tropfen durchlies: und da diese Mündung nun- mehr weiter wird, weil sie der Stral des Urins aus ein- ander treibt, so bleibt sie so lange offen. Der Urin springt aber höher, weil er aus einem weiten Behältnisse durch eine enge Röhre laufen muß, und daher geschwin- der fortgetrieben wird, und hierinnen richtet er sich ver- kehrt nach der Oefnung dieser Röhre, mit der Blasen- öffnung verglichen. Wenn nun der Harnstrahl in eins fort geht, so lassen wir das Atemholen gehen, wie es will, und wir strengen es nicht weiter an, sondern wir atmen aus und ein, so periodisch, wie wir sonst gewohnt sind. Blos das Zusammenziehen der Blase vollendet das übrige Harnen, da der Urin wie ein Springbrunnen in eins wegstralt, so wie sich die Blase in eins weg zusammen zieht (n). Und daher leert sich auch die Blase im Tode
aus.
(l)[Spaltenumbruch]
Es schreibt PLEMPIUS die- sen das Harnen zu p. 322. p. 136.
(m)[Spaltenumbruch]
Auch KAAUW impet. Fac. p. 149. n. 322.
(n)p. 322.
IV. Abſchn. die der Harn nimmt.
ſtrengungen zu machen pflegt, um die herabdruͤkkende Kraͤfte des Zwerchfelles und der Bauchmuſkeln mit ein- ander zu verbinden(l). Man richtet den Leib in die Hoͤhe, damit das ganze Gewichte der Eingeweide auf die Blaſe druͤkken moͤge. Es iſt ſolches, jedoch das Einat- men noch noͤthiger(m), je voller die Blaſe iſt. Die Frucht, ſagt mein Lehrer, holt nicht Atem, aber ſie giebt auch keinen Harn von ſich. Jſt nur eine maͤßige Menge Harn vorhanden, ſo iſt auch der Reiz kleiner, und alſo auch die Anſtrengung: indeſſen geht doch alle- zeit das Einatmen vor dem Harnen voran.
Und ſo kommen anfaͤnglich einige Tropfen aus der Blaſe und der Harnroͤhre, und hierauf ſchieſſet der Urin mehr und mehr ſtrahlweiſe, hoͤher bei Kindern und Juͤng- lingen, weniger doch bei Greiſen hervor. Man erſiehet daraus, daß die Muͤndung der Blaſe ſehr enge geweſen ſeyn muͤſſe, wie wir kurz zuvor erwaͤhnten, weil ſie nur wenig Tropfen durchlies: und da dieſe Muͤndung nun- mehr weiter wird, weil ſie der Stral des Urins aus ein- ander treibt, ſo bleibt ſie ſo lange offen. Der Urin ſpringt aber hoͤher, weil er aus einem weiten Behaͤltniſſe durch eine enge Roͤhre laufen muß, und daher geſchwin- der fortgetrieben wird, und hierinnen richtet er ſich ver- kehrt nach der Oefnung dieſer Roͤhre, mit der Blaſen- oͤffnung verglichen. Wenn nun der Harnſtrahl in eins fort geht, ſo laſſen wir das Atemholen gehen, wie es will, und wir ſtrengen es nicht weiter an, ſondern wir atmen aus und ein, ſo periodiſch, wie wir ſonſt gewohnt ſind. Blos das Zuſammenziehen der Blaſe vollendet das uͤbrige Harnen, da der Urin wie ein Springbrunnen in eins wegſtralt, ſo wie ſich die Blaſe in eins weg zuſammen zieht (n). Und daher leert ſich auch die Blaſe im Tode
aus.
(l)[Spaltenumbruch]
Es ſchreibt PLEMPIUS die- ſen das Harnen zu p. 322. p. 136.
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Auch KAAUW impet. Fac. p. 149. n. 322.
(n)p. 322.
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IV. Abſchn. die der Harn nimmt.
ſtrengungen zu machen pflegt, um die herabdruͤkkende
Kraͤfte des Zwerchfelles und der Bauchmuſkeln mit ein-
ander zu verbinden (l). Man richtet den Leib in die
Hoͤhe, damit das ganze Gewichte der Eingeweide auf die
Blaſe druͤkken moͤge. Es iſt ſolches, jedoch das Einat-
men noch noͤthiger (m), je voller die Blaſe iſt. Die
Frucht, ſagt mein Lehrer, holt nicht Atem, aber ſie
giebt auch keinen Harn von ſich. Jſt nur eine maͤßige
Menge Harn vorhanden, ſo iſt auch der Reiz kleiner,
und alſo auch die Anſtrengung: indeſſen geht doch alle-
zeit das Einatmen vor dem Harnen voran.
Und ſo kommen anfaͤnglich einige Tropfen aus der
Blaſe und der Harnroͤhre, und hierauf ſchieſſet der Urin
mehr und mehr ſtrahlweiſe, hoͤher bei Kindern und Juͤng-
lingen, weniger doch bei Greiſen hervor. Man erſiehet
daraus, daß die Muͤndung der Blaſe ſehr enge geweſen
ſeyn muͤſſe, wie wir kurz zuvor erwaͤhnten, weil ſie nur
wenig Tropfen durchlies: und da dieſe Muͤndung nun-
mehr weiter wird, weil ſie der Stral des Urins aus ein-
ander treibt, ſo bleibt ſie ſo lange offen. Der Urin
ſpringt aber hoͤher, weil er aus einem weiten Behaͤltniſſe
durch eine enge Roͤhre laufen muß, und daher geſchwin-
der fortgetrieben wird, und hierinnen richtet er ſich ver-
kehrt nach der Oefnung dieſer Roͤhre, mit der Blaſen-
oͤffnung verglichen. Wenn nun der Harnſtrahl in eins
fort geht, ſo laſſen wir das Atemholen gehen, wie es will,
und wir ſtrengen es nicht weiter an, ſondern wir atmen
aus und ein, ſo periodiſch, wie wir ſonſt gewohnt ſind.
Blos das Zuſammenziehen der Blaſe vollendet das uͤbrige
Harnen, da der Urin wie ein Springbrunnen in eins
wegſtralt, ſo wie ſich die Blaſe in eins weg zuſammen
zieht (n). Und daher leert ſich auch die Blaſe im Tode
aus.
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Es ſchreibt PLEMPIUS die-
ſen das Harnen zu p. 322. p. 136.
(m)
Auch KAAUW impet. Fac.
p. 149. n. 322.
(n) p. 322.
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Haller, Albrecht von: Anfangsgründe der Phisiologie des menschlichen Körpers. Bd. 7. Berlin, 1775, S. 587. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/haller_anfangsgruende07_1775/623>, abgerufen am 22.11.2024.
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