Nahrung(r), und es giebt viele Vökerschaften, welche fast blos von der Milch leben (s).
Jch habe öfters aus der Erfahrung gelernt, daß die Milch den Appetit ungemein verringert: vielleicht weil sie durch ihr öligtes Wesen die Nerven des Magens be- täubt: Sie läst einen nicht eben gar zu angenehmen Ge- schmakk im Munde zurükke, sie vermindert ein wenig die dem Munde so nothwendige Nässe, wiederum, wie ich glaube, vermittelst ihres butterartigen Bestandtheils: Es erfolget davon gleichsam eine stumpfe Empfindung im Magen, sie läst sich indessen sehr leicht verdauen, nähret gut, vertheilt sich ohne alle Ungemächlichkeit durch den ganzen Körper, temperirt die Bewegung des Blutes, und ist daher im Schnupfen und Husten ungemein ge- sund. Es zeigt sich alles dieses, wie ich glaube, weit besser, wenn die Milch dünne, oder mit einem Mine- ralwasser versezzt ist.
Aus dieser Ursache nahmen schon vorlängst schwind- süchtige Personen ihre Zuflucht zu der Milch, und Sy- denham sezte bey dieser Krankheit alle Hofnung auf die Milch und das Pferd (t). Man hat sie vorlängst zur Milderung der Schärfe in der rothen Ruhr (u), zur Vorbereitung des Körpers, so oft man sich genöthiget siehet, unsere Säfte durch die Kraft des Quekksilbers in eine heilsame Fäulniß zu bringen, und die Wirkungen des heftigen Giftes zu unterstüzzen angewandt: so wie man vorlängst beim Gliederreissen oder Gicht (w), und zwar mit weit gewisserem Erfolge, als die meisten ande- ren Arzeneien, die Milch angerathen. Jch habe gese-
hen,
(r)[Spaltenumbruch]Hist. des Japonnois p. 183.
(s)L. XIX. p. 195.
(t) Jn der Auszehrung räth die Milch einer Kindbetterin an ARETAEUS cur. acut. L. II. c. 3. CAPIVACCIUS entriß dadurch ei- nen jungen ausgezehrten Prinz dem [Spaltenumbruch]
Tode BOERHAAVE praelect. I. p. 42.
(u)BOYLE praest. med. simpl. de hydrogala.
(w)GREISEL. de furia podagr. LOBB. de colculc. p. 270.
M m m 2
I. Abſchn. Die Bruͤſte.
Nahrung(r), und es giebt viele Voͤkerſchaften, welche faſt blos von der Milch leben (s).
Jch habe oͤfters aus der Erfahrung gelernt, daß die Milch den Appetit ungemein verringert: vielleicht weil ſie durch ihr oͤligtes Weſen die Nerven des Magens be- taͤubt: Sie laͤſt einen nicht eben gar zu angenehmen Ge- ſchmakk im Munde zuruͤkke, ſie vermindert ein wenig die dem Munde ſo nothwendige Naͤſſe, wiederum, wie ich glaube, vermittelſt ihres butterartigen Beſtandtheils: Es erfolget davon gleichſam eine ſtumpfe Empfindung im Magen, ſie laͤſt ſich indeſſen ſehr leicht verdauen, naͤhret gut, vertheilt ſich ohne alle Ungemaͤchlichkeit durch den ganzen Koͤrper, temperirt die Bewegung des Blutes, und iſt daher im Schnupfen und Huſten ungemein ge- ſund. Es zeigt ſich alles dieſes, wie ich glaube, weit beſſer, wenn die Milch duͤnne, oder mit einem Mine- ralwaſſer verſezzt iſt.
Aus dieſer Urſache nahmen ſchon vorlaͤngſt ſchwind- ſuͤchtige Perſonen ihre Zuflucht zu der Milch, und Sy- denham ſezte bey dieſer Krankheit alle Hofnung auf die Milch und das Pferd (t). Man hat ſie vorlaͤngſt zur Milderung der Schaͤrfe in der rothen Ruhr (u), zur Vorbereitung des Koͤrpers, ſo oft man ſich genoͤthiget ſiehet, unſere Saͤfte durch die Kraft des Quekkſilbers in eine heilſame Faͤulniß zu bringen, und die Wirkungen des heftigen Giftes zu unterſtuͤzzen angewandt: ſo wie man vorlaͤngſt beim Gliederreiſſen oder Gicht (w), und zwar mit weit gewiſſerem Erfolge, als die meiſten ande- ren Arzeneien, die Milch angerathen. Jch habe geſe-
hen,
(r)[Spaltenumbruch]Hiſt. des Japonnois p. 183.
(s)L. XIX. p. 195.
(t) Jn der Auszehrung raͤth die Milch einer Kindbetterin an ARETAEUS cur. acut. L. II. c. 3. CAPIVACCIUS entriß dadurch ei- nen jungen ausgezehrten Prinz dem [Spaltenumbruch]
Tode BOERHAAVE prælect. I. p. 42.
(u)BOYLE præſt. med. ſimpl. de hydrogala.
(w)GREISEL. de furia podagr. LOBB. de colculc. p. 270.
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I. Abſchn. Die Bruͤſte.
Nahrung (r), und es giebt viele Voͤkerſchaften, welche
faſt blos von der Milch leben (s).
Jch habe oͤfters aus der Erfahrung gelernt, daß die
Milch den Appetit ungemein verringert: vielleicht weil
ſie durch ihr oͤligtes Weſen die Nerven des Magens be-
taͤubt: Sie laͤſt einen nicht eben gar zu angenehmen Ge-
ſchmakk im Munde zuruͤkke, ſie vermindert ein wenig die
dem Munde ſo nothwendige Naͤſſe, wiederum, wie ich
glaube, vermittelſt ihres butterartigen Beſtandtheils:
Es erfolget davon gleichſam eine ſtumpfe Empfindung im
Magen, ſie laͤſt ſich indeſſen ſehr leicht verdauen, naͤhret
gut, vertheilt ſich ohne alle Ungemaͤchlichkeit durch den
ganzen Koͤrper, temperirt die Bewegung des Blutes,
und iſt daher im Schnupfen und Huſten ungemein ge-
ſund. Es zeigt ſich alles dieſes, wie ich glaube, weit
beſſer, wenn die Milch duͤnne, oder mit einem Mine-
ralwaſſer verſezzt iſt.
Aus dieſer Urſache nahmen ſchon vorlaͤngſt ſchwind-
ſuͤchtige Perſonen ihre Zuflucht zu der Milch, und Sy-
denham ſezte bey dieſer Krankheit alle Hofnung auf die
Milch und das Pferd (t). Man hat ſie vorlaͤngſt zur
Milderung der Schaͤrfe in der rothen Ruhr (u), zur
Vorbereitung des Koͤrpers, ſo oft man ſich genoͤthiget
ſiehet, unſere Saͤfte durch die Kraft des Quekkſilbers
in eine heilſame Faͤulniß zu bringen, und die Wirkungen
des heftigen Giftes zu unterſtuͤzzen angewandt: ſo wie
man vorlaͤngſt beim Gliederreiſſen oder Gicht (w), und
zwar mit weit gewiſſerem Erfolge, als die meiſten ande-
ren Arzeneien, die Milch angerathen. Jch habe geſe-
hen,
(r)
Hiſt. des Japonnois p. 183.
(s) L. XIX. p. 195.
(t) Jn der Auszehrung raͤth
die Milch einer Kindbetterin an
ARETAEUS cur. acut. L. II. c. 3.
CAPIVACCIUS entriß dadurch ei-
nen jungen ausgezehrten Prinz dem
Tode BOERHAAVE prælect. I.
p. 42.
(u) BOYLE præſt. med. ſimpl.
de hydrogala.
(w) GREISEL. de furia podagr.
LOBB. de colculc. p. 270.
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Haller, Albrecht von: Anfangsgründe der Phisiologie des menschlichen Körpers. Bd. 7. Berlin, 1775, S. 915. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/haller_anfangsgruende07_1775/951>, abgerufen am 25.11.2024.
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